Antilopen Gang – Alles muss repariert werden

Antilopen Gang - Alles muss repariert werden

In dieser Woche kann man der Antilopen Gang – bestehend aus Danger Dan, Koljah und Panik Panzer – gleich doppelt gratulieren, denn vergangenen Freitag feierte die dreiköpfige Rap-Formation nicht nur ihr 15-jähriges Bandjubiläum, sondern auch den Release ihres neuen Albums Alles muss repariert werden, das die Gang über ihr eigenes Label Antilopen Geldwäsche veröffentlichte. Doch bei Alles muss repariert werden handelt es sich nicht um ein ganz normales Album, denn wie auch schon in der Vergangenheit haben die Antilopen auch dieses Mal wieder etwas Neues gewagt und ein Doppel-Album veröffentlicht – zur Hälfte Rap und zur anderen Hälfte gefüllt mit Punk-Songs. Ihre Liebe und Verbundenheit zum Punkrock hatte die Antilopen Gang schon immer in ihre Musik einfließen lassen – sei es 2017 als Bonus-CD Atombombe auf Deutschland mit Punkrockversionen ihrer eigenen Tracks oder bei Liveshows, wo die Gang schon seit Jahren mit Moshpits und einer eigenen Liveband die Konzerthallen Deutschlands auseinander genommen hat.

Alles muss kaputt sein

Zunächst startet man als Hörer*in jedoch mit der Rap-Hälfte von Alles muss repariert werden und zugegeben, Rap-Tracks der Antilopen Gang sind an sich erstmal nichts Neues. Man kennt die Gang seit ihrer offiziellen Gründung 2009 weitestgehend als schlaue, witzige und kritische Rapper, die sich mit politischen Texten und kontroversen Aussagen schon immer von der restlichen Deutschrap-Szene abzugrenzen wussten. Gleichzeitig waren die Antilopen sich aber auch nie zu schade, auf ihren Alben ruhigere und emotionalere Töne anzuschlagen – oder mit Danger Dans Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt einfach ein ganzes Klavieralbum zu veröffentlichen.

Mit Klavier und sogar Geigen startet man auch in die Rap-Hälfte des neuen Albums: die einst ironisch-lustige Gang reflektiert in schwermütigen Songs ihre eigene Vergangenheit („Nichts für immer“) und Teile des aktuellen Weltgeschehens wie der erneut zunehmende Antisemitismus in Deutschland („Oktober in Europa“ mit einem Gänsehaut-Feature von Sophie Hunger). Während der ersten Songs schwingt eine gewisse melancholische Grundstimmung mit, die das Album unerwartet düster und emotional gestalten. Sicherlich sind die Songs nicht für jede*n Musiklieberhaber*in etwas, doch spätestens bei Track 4, „Rannte der Sonne hinterher“ – einer Hommage auf Torsun, den kürzlich verstorbenen Sänger der Audiolith-Elektropunkband Egotronic – liefen bei mir die ersten Tränen.

Doch die Antilopen Gang wäre nicht die Antilopen Gang, wenn es in allen zehn neuen Rap-Songs bei solch einer düsteren Gänsehautstimmung bleiben würde. Auch der Gang-typische Humor kommt auf Alles muss repariert werden nicht zu kurz und sorgte mit seinen teils unerwarteten Lyrics bei mir für den einen oder anderen lauten Lacher. Egal ob Disstrack mit Reggae-Melodie („Direkter Vergleich“) oder der Einsatz einer nervig-sympathischen Blockflöte zum Eintritt ihres Karriereendes („Wenn das hier vorbei ist“) – die Antilopen mischen auf der ersten Albumhälfte düstere Ernsthaftigkeit mit unterhaltsamen Genre-Experimenten und scheinen dabei ihre neu gewonnene Label-Freiheit voll auszunutzen. Die Rap-Hälfte spielt mit den Gefühlen der Hörer*innen und verschafft ihnen eine emotionale Achterbahnfahrt durch Spaß und Traurigkeit.

Nichts muss repariert werden – oder doch?

Kaum hat man den Nervenkitzel überstanden, läuten die drei Rapper eine neue Era ein – Antilopen Gang (Punkrock Version) sozusagen. Klangen die Antilopen gerade noch wie deprimierte Emo-Rapper in ihrer Midlife-Crisis, so hört sich die Punkrock-Hälfte ihres Album an, als hätten sie sich während des Studiums als neue Punkband zusammengefunden und würden nun die ersten Songs in der Garage ihrer Eltern schreiben. Gleich zwölf neue Songs haben die Musiker – nun nicht mehr Rapper – ins Leben gerufen. In Interviews sprechen die Antilopen sich ganz klar gegen Crossover aus und grenzen die beiden Genres  daher auch auf Alles muss repariert werden ganz klar voneinander ab.

Ihre Wortgewandtheit ist ihnen beim Genre-Wechsel jedoch nicht abhanden gekommen und so präsentieren sie Punkrock-Hymnen zu den merkwürdigsten Themen, wie beispielsweise ihrer Abneigung, bei Umzügen zu helfen, ihrer Liebe zu alten Damen auf Kreuzfahrten (oder so), dem fantastischen Ruhrpott Rodeo Festival und… Aalen (den Tieren, nicht der Stadt). Eine weitere Besonderheit der Platte: jede Antilope ist mit mindestens einem eigenen Solosongs vertreten. So besingt Panik Panzer seine Hochzeit („Der Romantische Mann“), Koljah liefert mit „Weg von hier“ eine Art euphorische Fußball-Hymne und Danger Dan schlägt uns vor, eine Mitgliedschaft im Fitnessstudio abzuschließen („American Fitness am Hermannplatz“).

Die Punkrock-Songs klingen zwar frisch, leben aber gleichzeitig von der musikalischen Erfahrenheit der Antilopen Gang, die dafür sorgt, dass sie mit ihren Liedern frischen Wind in ein sonst oft staubiges Genre bringen. Sie reparieren quasi ein Genre, das vermutlich gar nicht wusste, dass es repariert werden musste. Vor allem die Punkrock-Hälfte des neuen Albums beinhaltet hierbei die Songs, die als hartnäckige Ohrwürmer zurückbleiben. (Niemand, der das Album gehört hat, kann mir erzählen, dass er oder sie nicht einen Tag später noch „Der Romantische Mann“ vor sich hingesummt hat!!)

Licht trifft Dunkelheit

Zugegeben: bei der Antilopen Gang, die seit Jahren zu meinen Lieblingsbands zählt, kann ich nicht immer ganz objektiv bleiben. Doch bei den Vorab-Releases war selbst ich als Fan etwas skeptisch – könnten die Antilopen noch einmal ein Album zaubern, dass für mich gänzlich stimmig und überzeugend wäre, wie es vor ein paar Jahren Abbruch Abbruch war? Würden zweiundzwanzig (!) neue Songs divers genug sein, um auf Albumlänge nicht zu langweilen? Und vor allem: kann die Gang wirklich einfach so den Wechsel vom Rap zur Punkrock-Era vollziehen?

Die Antwort lautet: ja. Alles muss repariert werden verbindet Licht und Dunkelheit, schafft Raum für spannende neue Genre-Experimente, gibt der Gang Platz zu wachsen und unterhält die Hörer*innen mit ehrlichen, emotionalen aber oft auch witzigen Texten, wie man es von der Antilopen Gang gewohnt ist. Und wer weiß – vielleicht hat die Gang sich mit diesem Album auch selbst ein bisschen repariert um auf ihrer Tour im nächsten Jahr dann wieder alles und jeden zu zerstören.

Und so hört sich das an:

Für Wenige

Panik Panzer – Der romantische Mann

Koljah – Weg von hier

Danger Dan – American Fitness am Hermannplatz

Alles Muss Repariert Werden Tour 2025

09.01.2025 Osnabrück Botschaft
10.01.2025 München Tonhalle
11.01.2025 Wiesbaden Schlachthof
23.01.2025 Leipzig Felsenkeller
24.01.2025 Erlangen E-Werk
29.01.2025 Hamburg Große Freiheit 36 – Zusatzkonzert
30.01.2025 Hamburg Große Freiheit 36 – ausverkauft
12.02.2025 Stuttgart im Wizemann
13.02.2025 CH-Zürich X-TRA
14.02.2025 Oberhausen Turbinenhalle
15.02.2025 Bremen Kulturzentrum Schlachthof
21.02.2025 Köln Palladium
22.02.2025 Hannover Capitol
07.03.2025 Berlin Columbiahalle

Die Bildrechte liegen bei Antilopen Geldwäsche.

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