Nicht immer treffen im Plattenkrach zwei komplett unterschiedliche Meinungen aufeinander – auch wenn die zwei Seiten oft andere Ansichten zur jeweiligen Band haben, können sich die Geister auch lediglich bei der Auswahl des Albums scheiden. So auch diese Woche: Emilia schwärmt von der zweiten Platte der britischen Indie-Band Bastille “Wild World”, während Yvonne absolut nicht nachvollziehen kann, warum sie sich genau für dieses Album entschieden hat…
Emilia findet:
Bastille begleiten mich musikalisch schon eine ganze Weile: Als sie vor einigen Jahren mit „Flaws“ und „Pompeii“ ihren Durchbruch hatten, war ich sofort von ihrer Musik begeistert und auch das Debütalbum „Bad Blood“ lief bei mir später rauf und runter. Kurz danach verschwanden die Briten für mich jedoch von der Bildfläche und tauchten erst 2016 mit ihrer zweiten Platte „Wild World“ wieder auf. Schon ab dem ersten Song hatte die Band mich wieder für sich gewonnen und mit der Zeit entwickelte sich das Album für mich zu einer Art All-Time-Favourite, das mich immer wieder in den unterschiedlichsten Lebenssituationen begleitete.
Das liegt vor allem an der unglaublichen Bandbreite und Vielfalt der Songs dieser Platte: Neben emotionalen und dennoch poppigen Songs wie „Warmth“ finden sich dort auch ruhige Balladen wie „Four Walls“ und „Winter Of Our Youth“, hymnenartige Nummern wie „Glory“, tanzbare und eingängige Popsongs mit Ohrwurmgarantie wie „Good Grief“ und „The Currents“ oder rockigere Indie-Tracks wie „Blame“. Doch nicht nur die abwechslungsreichen Songs machen das Album aus. Auch das wunderbare Zusammenspiel von Instrumentierung, treibenden Rhythmen, eingängigen Hooks und genreübergreifenden Einflüssen trägt zu einer einzigartigen Platte bei, die trotz unterschiedlichster Songs immer noch ein Gesamtwerk mit rotem Faden ist.
Gerade textlich – in Kombination mit der musikalischen Begleitung – mögen die insgesamt 14 Titel zwar etwas pathetisch wirken, aber gerade dieser manchmal recht plakative Pathos macht für mich den Charme von Bastille und ihrer Musik aus – und passt abgesehen davon einfach unglaublich gut zu der Stimme von Sänger Dan Smith.
Rein musikalisch ist „Wild World“ sicherlich weder ein Meisterwerk, noch die Quadratur des Kreises. Was die Platte für mich aber ausmacht, ist eine unfassbare Leichtigkeit und meine persönliche Verbindung zu den Songs. Man könnte also fast sagen, dass Bastille mir mit „Wild World“ genau das richtige Album zur richtigen Zeit beschert haben, mit dem ich die Band wieder für mich entdeckte und das mich bereits in den verschiedensten Situationen begleitete und das auch immer noch tut.
Yvonne sieht das etwas anders:
Zunächst einmal muss ich vorweg nehmen, dass das hier kein richtiger Contra-Text werden wird, denn ich mag Bastille. Im Februar haben Emilia und ich sogar gemeinsam das Konzert in Bochum besucht und einen tollen Abend bei der Show verbracht. Doch so sehr ich Bastille auch mag, ist “Wild World” meiner Meinung nach definitiv nicht ihr bestes Album, weshalb ich nicht so ganz verstehen konnte, wieso sich Emilia beim Plattenkrach nicht für das grandiose Debütalbum “Bad Blood” entschieden hat.
“Wild World” kann mit dessen Genialität einfach nicht mithalten. Das fängt direkt bei den ersten Tönen des Openers „Good Grief“ an – saßen Bastille in einer Zeitmaschine und denken, sie seien in den 80er Jahren gelandet, oder was soll diese komisch dudelnde Retro-Melodie? Auch Song Nummer Zwei, „The Currents“, fällt mir hauptsächlich durch seinen eiernden Gesang und das sich ständig wiederholende „Oh My God“-Gejammer auf. Es folgt “An Act Of Kindness“, was eigentlich zunächst als eine schöne Ballade beginnt, dann jedoch mit einem eintönigen Refrain in unangenehmer Kopfstimme versagt. Dass “Wild World” aber durchaus auch einige wirklich gute Songs beinhaltet, beweist das textlich etwas kitschig angehauchte “Warmth“, das ebenso wie der Album-Opener mit einem überflüssigen Eighties-Beat unterlegt wurde. Wieso haben Bastille hieraus keine epische Klavierballade oder einen atmosphärischen Track im Stile des Vorgängeralbums geschmiedet? Dessen Songs glänzten nämlich von Anfang bis Ende durch ihre epischen Arrangements und die gut durchdachte, düstere Gesamtatmosphäre in Anlehnung an die kultige TV Serie “Twin Peaks“.
Doch zurück zu “Wild World“, wo es indes nur mit “Glory” weitergeht; einem Song der eigentlich genau die Ballade darstellt, die “Warmth” hätte werden können. Dennoch plätschert “Glory” emotionslos vor sich hin und kann mich genauso wenig überzeugen wie die zwei Songs danach. Erst bei “Send Them Off!” wird es etwas spannender, denn hier setzt auf einmal eine Gruppe von Bläsern ein, die den Song auch live zu einem echten Highlight gemacht haben. Auf “Wild World” hört es mit Highlights hier dann aber leider schon auf, auch wenn mit “Blame” und “Fake It” immerhin noch zwei weitere stimmungsvolle Radiosongs folgen, die das Album für mich aber leider auch nicht mehr retten können. Auf der Deluxe Version der Platte geht es nach den regulären vierzehn Songs noch mit fünf (!) weiteren Tracks weiter. (So weit bin ich beim Hören aber noch nie gekommen.) Meiner Meinung nach hätte es “Wild World” durchaus gut getan, wenn man weniger, aber dafür ein paar bessere Songs auf das Album gepackt hätte.
Na gut, irgendwie ist das nun doch ein Contra-Text geworden, aber ich glaube fest daran, dass Bastille mit ihrem nächsten Album durchaus in der Lage sein werden, an ihre alten Hymnen anzuknüpfen – dafür sollten sie allerdings ihre angestaubte 80er-Jahre-Raumkapsel schleunigst wieder verlassen.
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Die Bildrechte für das Albumcover liegen bei Virgin Records.
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