Der Plattenkrach bekommt in Ausgabe sechs eine weitere Nuance in Vielseitigkeit. Yvonne präsentiert eines ihrer Lieblingsalben, nämlich “The Poison” von Bullet For My Valentine. Warum die 13 Tracks der Platte so toll sind, könnt ihr in den folgenden Zeilen lesen. Dass man diese Ansicht nicht unbedingt teilen muss, zeigt anschließend der Blick von Andrea.
Donner. Gewitter zieht auf.
Eine mystische Geigenmelodie führt den Hörer durch das Intro. Eine Gitarre setzt ein. Die Melodie wird lauter und ein schrilles Solo erklingt. Dann wird das Intro leiser… und mit lautem Geschrei startet „Her Voice Resides“ der erste Song von „The Poison“, dem Album mit dem die walisische Metalcore-Band Bullet For My Valentine 2005 ihren Durchbruch feierte. Damals war ich vierzehn und in der Blütezeit meiner aufmüpfigen Pubertätsphase. Neben Vanilla Ninja und Billy Talent waren es insbesondere Bullet For My Valentine, die mein Interesse für rockigere Musik weckten, die nicht in den Top 20 der deutsche Singlecharts vertreten war.
Doch zurück zur Platte: „Her Voice Resides“, das den Hörer nach dem stimmungsvollen Intro in den härten Teil von “The Poison” entführt, ist eine Mischung aus harten Gitarrenriffs, Screams und dem unverwechselbaren Clean Gesang des charismatischen Frontmanns Matt Tuck. Matt, dessen dunkle und gleichzeitig weiche Stimme für mich jahrelang einfach mitten ins Herz traf.
„Too many times I’ve seen it, rip a hole into our friendship“ singt er im nächsten Track „4 Words (To Choke Upon)“. Streitigkeiten mit Freunden? CD rein, Song an. Auch heute noch sind dies genau die richtigen Lyrics, um sich in so einem Fall abzureagieren. Dann folgt der Klassiker: „Tears Don’t Fall“ – der Song mit dem für mich alles begann. Der Song, mit dem ich mich in die Band verliebte. Und auch jetzt – 12 Jahre später – erwische ich mich beim Schreiben noch dabei, jedes einzelne Wort der Lyrics mitzuschmettern. Man kann über Bullet For My Valentine und ihre musikalische Entwicklung sagen, was man möchte, aber „Tears Don’t Fall“ gehört zu den Metalcore-Hymnen, die man auch in zehn Jahren noch feiern wird.
Dass sich ein Metalcore-Album aber auch durchaus facettenreich zeigen kann, beweist der Ohrwurm „Hit The Floor“, der fast ausschließlich aus Clean Gesang und eingängigen oooh ooohs besteht. Definitiv einer der unterschätzteren Tracks der Platte, der aber auch heute noch zu meinen absoluten Lieblingen zählt. Ein Akustik-Intro leitet schließlich den nächsten bekannten Hit ein: „All These Things I Hate (Revolve Around Me)“, mit dem die Band hierzulande erstmalig mediale Aufmerksamkeit erhielt und Dank der Dauerrotation meiner Cousine auch mir nicht vorenthalten blieben.
Einen etwas härteren Part des Albums bilden „Hand of Blood“ und „Room 409“ bei denen mich besonders letzterer durch seinen erneuten Mix aus lauten Screams und Matt Tucks gefühlvoller Stimme jedes Mal aufs Neue begeistern kann. Wobei, kann man bei einem Song wie „Room 409“ wirklich von einer gefühlvollen Stimme sprechen oder ist es die 15-jährige verliebte Yvonne, die mich hier einfach kein passenderes Adjektiv finden lässt? Auch heute ist es jedoch vor allem noch Matts Stimme, die „The Poison“ für mich zu einem außergewöhnlichen und rundum grandiosem Album macht. Umso tragischer, dass eben diese besondere Stimme sich nach einer Mandeloperation im Jahre 2007 kaum merklich aber dennoch hörbar veränderte. Ebenso wie sich die nachfolgenden Alben immer stärker von “The Poison” differenzierten. Der absolute Griff ins Klo war der Versuch, 2013 auf dem Album „Temper Temper“ mit „Tears Don’t Fall (Part 2)“ an alte Erfolge anknüpfen zu wollen. Dass die Fortsetzung nicht mal ansatzweise an den Originaltrack herankam, muss hier sicherlich nicht weiter erwähnt werden.
Mit einer Ballade endet „The Poison“ schließlich ebenso gefühlvoll und düster, wie sie begonnen hat – „The End“. Danke für dieses tolle Album und ein bedeutsames Stück Musik meiner pubertären Emo-Phase, liebe Bullet for My Valentines!
Und Andrea entgegnet:
Als im Jahr 2005 “The Poison” von Bullet For My Valentine veröffentlicht wurde, war mein Musikgeschmack vom Metal meilenweit entfernt. Songs wie „All These Things I Hate“ sind natürlich nicht komplett an mir vorbeigegangen, aber ich konnte einfach nichts damit anfangen. Jetzt durfte ich mich also nochmal – oder auch zum ersten Mal intensiv – mit diesem Album beschäftigen. Um das schon mal vorwegzunehmen: So richtig kann ich mich noch immer nicht dafür begeistern.
Ich gab dem Album wirklich eine Chance und das sphärische Intro aus Geige und Gitarre klang schon mal gar nicht so schlecht. Auch die ersten paar Titel konnte ich mir noch ganz gut anhören. Die vielen Tempowechsel brachten mir zwar zu viel Unruhe in das Gesamtbild, aber der erste Eindruck war besser als gedacht. Bei „Tears Don´t Fall“ kam natürlich der „Ach, das Lied kenn ich doch“-Moment, aber ansonsten stellten sich bei mir leider wenig Gefühle ein. Das einzige Gefühl, das sich im Verlaufe des Albums immer mehr in den Vordergrund drängte, war Langeweile. Die Songs packten mich nicht und die Stimme von Matt Tuck wurde mir in seinen Gesangsparts auf Dauer zu wehleidig. Die Platte zeigt schon gewisse Variationen und man kann nicht behaupten, dass jeder Song wie der andere klingt. „The End“ ist beispielsweise eine nette Ballade zum Abschluss des Albums, hinterlässt aber eben doch eher einen faden Beigeschmack von Jammerei. „Hit The Floor“ bietet eine nette Abwechslung zwischen all den Schrei-Songs.
Insgesamt blieb aber leider kein Titel im musikalischen Gedächtnis so sehr hängen, dass er es in eine meiner All-Time-Playlists schaffen würde. Ab und zu mal einer der Klassiker – kein Problem. Auf Heavy Rotation wird dieses Album aber wohl niemals bei mir laufen.
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Mehr Plattenkrach: Hate it or love it – was für den einen ein lebensveränderndes Monumentalwerk ist, ist für die andere nur einen Stirnrunzler wert! Ein Album, zwei Autor*innen, ein Artikel, zwei Meinungen! Mehr Auseinandersetzungen findest du hier.
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