Alle zwei Jahre wird die beschauliche Gemeinde Anröchte im Sauerland auf den Kopf gestellt, wenn knapp 10.000 Musikbegeisterte – das sind immerhin fast so viele Leute wie der Ort Einwohner hat – den Bürgerhaus-Vorplatz stürmen. Dann heißt es wieder „Es ist angeröchtet“ für das Big Day Out! Wir haben uns das Festival, das uns mit seiner familiären Atmosphäre über die Jahre ans Herzen gewachsen ist, auch in diesem Jahr nicht entgehen lassen und wurden auch bei der Jubiläumsausgabe 10.0 nicht enttäuscht.
An zwei Tagen spielten 18 Bands abwechselnd auf zwei gegenüberstehenden Bühnen. Beste Voraussetzungen für ein entspanntes Festivalwochenende, denn so gab es weder nervige Überschneidungen noch langweilige Wartezeiten. Für uns startete das Festival mit Henning Wehland. Der Frontmann der H-Blockx lockte mit den mal melancholischen, mal feucht-fröhlich-klingenden Songs seines Soloalbums „Der Letzte an der Bar“ am Freitagnachmittag schon eine beachtliche Menschenmenge vor die Hauptbühne. Als nächster Act fuhren Beyond The Black wesentlich härtere Geschütze auf. Mit einer energiegeladenen Show zogen sie die Metalfans in ihren Bann, was nicht zuletzt an der beeindruckenden Stimme von Frontfrau Jennifer Haben gelegen hat. Und dank der TV-Sendung „Sing meinen Song“ dürfte auch so manchem Nicht-Metaller im generationenübergreifenden Big Day Out-Publikum die Stimme bekannt vorgekommen sein. Auf Metal folgte Hip Hop und auf Beyond The Black folgte auf der Hauptbühne schon eines der Highlights der diesjährigen Festivalausgabe: Fettes Brot spielten in Anröchte ihre einzige Festivalshow in NRW in diesem Sommer. Mit Hits wie „Jein“, „Erdbeben“ und „Echo“ brachten sie die Menge zum Kochen und spätestens bei „Schwule Mädchen“ brüllten gefühlt alle 10.000 Kehlen im Chor. Genau so sollte die Stimmung bei einem Festival sein!
Mit ähnlicher Abrissstimmung ging es anschließend auf der zweiten Bühne weiter. Von City Kids Feel The Beat hatten wir vorher zwar zugegebenermaßen noch nie gehört, doch die junge Band wurde für uns zur positiven Überraschung des Wochenendes. Zu ihrem mitreißenden Pop-Punk-Rock wurde der Platz vor der Bühne ein einziger großer Pit, in dem sich jeder nach Herzenslust wahlweise austoben oder sich glückselig (oder doch eher bierselig?) in die Arme fallen konnte. Mit neuen Freunden, neuen blauen Flecken und einer neuen Band auf dem Radar ging es also zurück zum letzten Act des Tages auf der Hauptbühne, der für Big Day Out-Verhältnisse schon eine beachtliche Größe hatte. Bullet For My Valentine hatten den Weg ins Sauerland gefunden und wurden von vielen mit Freude erwartet. Leider konnten die hohen Erwartungen aber nicht unbedingt erfüllt werden. Denn auch wenn die Briten ihr Set solide und professionell auf die Bühne brachten, war es eben nicht mehr als das. Der Funke zum Publikum schien einfach nicht überzuspringen und so konnte man schon vor Ende des Sets sehen, wie zahlreiche Besucher*innen Richtung Ausgang strömten. Große Namen sind eben nicht alles.
Wer wollte, konnte den Samstag ganz entspannt angehen. Um Punkt 12 Uhr wurde mitten auf dem Campingplatz zum Bieryoga geladen und schnell war die Wiese voll mit verkaterten Menschen, die mehr oder weniger verzweifelt nach der inneren Balance suchten. Ob nun wirklich der Wunsch nach Entspannung oder doch eher die Aussicht auf Freibier für die rege Teilnahme sorgten, werden wir wohl nie erfahren. Vollkommen ausgeglichen machten wir uns jedenfalls auf den Weg zum Festivalgelände, wo für uns als erstes Teesy auf dem Programm stand. Mit Unterstützung seiner Band und seines Backups NKSN verwandelte er seine Hip-Hop-Beats in eine stimmungsvolle Liveshow und tanzte ausgelassen singend über die Bühne. Dass er sich nach der Show noch viel Zeit für seine treuen Fans und deren Fotowünsche nahm, rundete das sympathische Gesamtbild ab, das der Berliner an diesem Tag hinterließ.
Mit Berlinern ging es anschließend auch auf der Hauptbühne weiter. Von Wegen Lisbeth hatten nicht nur die Hits ihres Debütalbums „Grande“, sondern natürlich auch die Songs rund um Sweetlilly, Namensgeberin des aktuellen Albums, im Gepäck. Und auch wenn meine Rezension zum neuen Album vor einigen Monaten eher verhalten ausfiel, so bestätigte sich doch auch die Vermutung, dass die neuen Songs live trotzdem zünden. Beim fröhlichen Glockenspielgeklimper und den eingängigen Refrains still stehen zu bleiben, ist halt einfach nicht möglich und gerade in die entspannte Festivalatmosphäre fügte sich das Set perfekt ein. Wie Festivals funktionieren, hatte auch der nächste Act bestens verstanden. Voller Power und Spielfreude fegten The Subways mit ihrem Indie-Rock über den Bürgerhaus-Vorplatz und rissen alles und jeden mit. Sänger Billy tat es den zahlreichen Crowdsurfern gleich und nahm noch ein Bad in der Menschenmenge, bevor sich am Ende des Sets schließlich alle glücklich und zufrieden wie Rock´n´Roll Queens und Kings fühlten.
Die Beginner durften schließlich die diesjährige Festivalausgabe abschließen und wie schon am Vortag konnte der eigentliche Headliner für uns die vorher gesehenen Bands nicht überbieten. Aber irgendwie ist es ja auch schön, wenn ein Festival eben nicht nur durch große Headliner-Namen, sondern durch ein sehr gutes Mittelfeld und unerwartete Newcomer-Überraschungen überzeugen kann.
Und so sah das aus:
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