Was war es wieder schön! Das Hamburger Spektrum hat erneut gezeigt wie ein Hip-Hop Festival funktioniert. Mit dem MS Dockville Gelände und dem Line-Up hat man 2019 wieder alles richtig gemacht.
Das Konzept aus drei Open-Air-Bühnen, einem guten Essensangebot und Graffiti drumherum funktioniert. Das Gelände ist für die Menschenmenge zudem absolut geeignet und sorgt für eine wohlige Atmosphäre. Bei angenehmen Temperaturen konnte man hier einen tollen Sommertag erleben. Der Fokus lag dabei eindeutig auf der Live-Musik, viel Schnickschnack gab es sonst nicht.
Das Line-Up steht ganz Hip-Hop mäßig für Vielfalt und Toleranz: Eine wilde Mischung aus Boom Bap und Turn Up, auch innerhalb einiger Sets, sorgten den ganzen Tag über für Abwechslung. Insgesamt ist das Spektrum bekannt dafür, mit seinem Booking nah am Zeitgeist zu sein, weshalb der größere Teil der Acts zur Newschool-Fraktion gehört. Rapper wie Nate57, Juse Ju, Shacke One oder MC Bomber zelebrierten den Oldschool Rap, wie ihn die eigenen Fans wohl immer feiern werden. Für die neue Welle sorgten unter anderem Reezy, Luciano, Haiyti, Trettmann, LGoony oder die Newcomer schlechthin: 102 Boyz & BHZ.
Nate57 ist vor allem bekannt durch sein Album “Stress Aufm Kiez” (2010), das noch vor der 187 Straßenbande und ähnlichen die Szene mit Hamburger Straßenrap aufmischen konnte. Danach ließ der Hype nach, in der Heimat spielte er jedoch auf dem Spektrum – hoffentlich kommt bald wieder etwas, das die größere Aufmerksamkeit der Medien erreichen und an den früheren Hype anknüpfen kann. Die eingefleischte Fanbase, die während seines Auftrittes vor der Bühne feierte, wird er dabei wohl mindestens auf seiner Seite haben.
Reezy konnte einst als Sidekick von Bausa auf sich aufmerksam machen, jedoch kürzlich auch eigene Erfolge erzielen. Beim Spektrum eröffnete er den Tag um 16 Uhr und sorgte für reichlich Energie. Er ist einer der vielversprechendsten Künstler an diesem Tag, der in wenigen Jahren eine Position als Headliner einnehmen könnte. Die Songs unterstreichen sein Potential, die Fanbase gibt ihm recht. Wie ein wild gewordenes Biest sprang er von links nach rechts über die Bühne. Apropos Headliner: Trettmann spielte in diesem Sommer erneut auf so gut wie allen Festivals des Landes – und kündigte sein neues Album an. Auch beim Spektrum wurden einige neue Stücke zum Besten gegeben und noch einmal das alte Album “#DIY” (2017) gefeiert. Auch wenn die Masse nicht Trettmann-müde geworden zu sein scheint, wird das neue Album hoffentlich für Frische in seinem Set sorgen. Als Abschluss der altbekannten Phase war dieser Auftritt jedoch rund und zufriedenstellend.
Alle diese Acts hatten vor allem eines im Sinn: Sie wollten den größten Moshpit des Festivals vor ihrer Bühne sehen. Und das funktionierte immer sehr gut, bei den eingefleischten Rapfans gehört dies mittlerweile zur Routine. Und wie es sich für ein Szenefestival gehört, tauchten viele Musiker neben ihren eigenen auch in Sets von ebenfalls anwesenden, befreundeten Künstlern auf und sorgten so für besondere Momente, die es so nicht auf anderen Festivals gibt. 102 Boyz & BHZ sorgten durch das gemeinsame “Bier” für einen dieser Momente, genauso wie Gastauftritte von Pashanim, Booz, Kwam.e und weiteren in ihren Sets. Die Fans kamen auf ihre Kosten und bekamen damit mehr als ohnehin schon erwartet.
Was jetzt immer noch fehlt ist ein Stand für Künstler-Merchandise. Auch wenn dieser Trend immer weiter abnimmt und sich die üblichen hohen Standgebühren für immer weniger Künstler lohnen, wäre es doch schön, einige günstige Lösung für dieses Problem zu finden. Fashion ist doch so ein großes Hip-Hop Thema! Ein Spektrum-Shirt gab es immerhin, in Kooperation mit den Sponsoren von Cleptomanicx.
Die circa 35 Euro im Vorverkauf ist das Spektrum auf jeden Fall wert. Hier erhält man Jahr für Jahr ein Szeneupdate und Vorgeschmäcker auf folgende Touren aufsteigender Künstler. Damit ist das Festival den meisten anderen einen Schritt voraus: Sie wissen schon, was gut ist, bevor es die meisten anderen tun. Dadurch entstand hier erneut eine Pilgerstätte hipper Jugendlicher, die den Mainstream von morgen formen.
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