Interview mit Madeline Juno über „Besser kann ich es nicht erklären“

Knapp zwei Wochen ist es her, dass Madeline Juno ihr fünftes Studioalbum „Besser kann ich es nicht erklären“ veröffentlicht hat. Die 15 Tracks darauf nehmen mit auf eine Reise, die mit Trennungsschmerz beginnt, aber mit so viel mehr Essenz und Lichtblicken endet. Im Interview spricht die Sängerin über ihr neues Werk, das jüngst sogar in den Charts wie eine Bombe eingeschlagen ist, über die schwierige Rolle von Frauen in der Musikwelt und über die Wichtigkeit von Mental Health.

minutenmusik: Hey Maddie. Wie geht es dir?

Madeline Juno: Mir geht es gut. Dankeschön. Es ist ja gerade Release-Week und ich bin begeistert und fliege immer noch. Ich bin total überwältigt von den Reaktionen. Ich habe das überhaupt nicht kommen sehen (lacht).  Bei der fünften Platte. Es passiert sehr viel Gutes gerade.

minutenmusik: Das letzte Jahr liegt ja noch gar nicht so weit in der Ferne. Was waren deine Top-Alben in 2021?

Madeline Juno: Meine absolute Nummer 1 ist die „Punisher“ Platte von Phoebe Bridgers. Phoebe Bridgers ist meine Lieblingskünstlerin. Ich liebe sie. Ich liebe dieses Album. Es kam zwar schon 2020 raus, aber ich habe das so gesuchtet. Ich habe seit dem letzten Jahr einen Plattenspieler und die Platte lief so viel wie keine andere. Definitiv auch das Album „Smalltalk & DMCs“ von meinen guten Freunden Varley. Ich finde, das ist eine der besten, wenn nicht sogar die beste Indie-Platte, die aus Deutschland kommt. So schöne Musik, so tolle Produktionen und tolle Songs. Und die dritte Platte ist von Dodie „Build A Problem“. Fand ich sehr schön.

minutenmusik: Welche Künstler: innen inspirieren dich und deine Musik denn generell?

Madeline Juno: Schwierig zu sagen. Ich fühle mich immer verleitet zu sagen, irgendwie niemand und dann aber alle. Also alle, die ich höre. Alles ist ja von allem inspiriert. Kunst ist immer von allem was man kennt oder gesehen, erlebt hat irgendwie inspiriert. Aber in den letzten Jahren hat mich Phoebe Bridgers sehr beeindruckt und auch inspiriert. Sam Fender ist auf jeden Fall noch ein großer Einfluss. Ich liebe Sam. Das klingt jetzt so als würde ich den kennen, aber ich bin einfach nur ein großer Fan. Und ich liebe die Musik. Ich liebe die musikalische Welt, die er da aufrechterhält.

minutenmusik: Auf deinem neuen Album gibt es ja ein Duett mit Max Giesinger. Gibt es noch andere Künstler: innen, mit denen du gerne mal zusammenarbeiten möchtest?

Madeline Juno: Ja, das ist irgendwie lustig. Ich hätte da schon Leute, an die ich direkt denke. Aber es scheiterte in der Vergangenheit und vielleicht auch potenziell in der Zukunft wird es weiter daran scheitern, dass ich krasse Angst habe, die Leute zu fragen. Und sie dann nein sagen. Aber ich hatte zum Beispiel immer über die letzten anderthalb Jahre das Gefühl, dass es rein hypothetisch gut zusammengepasst hätte, wenn Casper und ich eine Nummer zusammen probiert hätten. Habe ich ihn gefragt? Nein (lacht). Ich bin großer Casper-Fan und ich liebe seinen Schreibstil. Ich liebe gerade seine ersten zwei Platten. Vor allem „XOXO“. Damit bin ich quasi aufgewachsen. Mittlerweile geht er ja wieder ein bisschen „back to the roots“, das liebe ich sehr. Ich bin auch ein großer Kummer-Fan. Klar, jetzt denke ich direkt an den männlichen Counterpart in so einer Duett-Situation. Aber ich könnte natürlich auch das Gleiche über meine Freundinnen sagen. Ich hätte total Bock was mit Lina Maly zu machen. Sie hat eine der schönsten Stimmen des Landes. Wir haben jetzt langsam mal ins Auge gefasst zusammen was zu schreiben und hoffentlich passierts. Und ich könnte jetzt auch noch zehn andere nennen.

minutenmusik: Du hast ja gerade schon über ein paar deutsche Künstler: innen geredet. Mittlerweile wird in den Medien oft der negativ behaftete Begriff der „Deutsch-Poeten“ benutzt, womit sich über den Deutsch-Pop lustig gemacht wird. Wie nimmst du das so wahr?

Madeline Juno: Ich denke immer, leben und leben lassen. Es gibt natürlich auch Musik, die aus Deutschland kommt, mit der ich nichts anfangen kann. Es gibt ja Deutsch-Musik, die ist krass positiv. Nach dem Motto „Everything Is Awesome“. Und das gelingt mir persönlich nicht sowas zu schreiben. Aber das bedeutet nicht, dass ich das nicht wertschätzen kann. Ich würde fast sagen, dass das schon wieder fast was typisch deutsches ist. Man schießt in Deutschland gerne gegen sich selbst. Ich kann wohl verstehen, wenn die Kritik wäre: Es klingt alles gleich, oder die Themen sind alle gleich. Oder zum Beispiel, was wir Frauen in der Musik öfter hören ist, dass es nicht genug Frauen gibt, die gute deutsche Musik machen. Und das stimmt einfach nicht. Das ist immer extrem abhängig davon wo du suchst. Wir haben so viele Möglichkeiten, um Musik zu entdecken. Man ist ja mittlerweile faktisch überfordert von all dem Angebot, das man an Musik hat. Aber ich finde das immer so absurd, wenn Leute sagen, es gibt nicht so viele gute Musik von weiblichen Künstlern. Das ist einfach quatsch, weil dann suchst du nicht richtig danach. Und ich kann verstehen, wenn Leute sagen, das klingt irgendwie alles gleich. Aber es gibt wahnsinnig viele Bands, Künstler und Künstlerinnen. Das kann nicht alles unter einen Kamm gescherrt werden. Das geht nicht.

minutenmusik: Oft werden ja auch die Arbeit und die Mühe hinter so einem Album oder generell der Musik von Künstler: innen unterschätzt.

Madeline Juno: Das hat sich auch durch Social Media verändert. Vor 30 Jahren kam eine Platte raus und dann hast du dich gefreut in den Laden zu gehen und dieses Booklet durchzublättern und Fotos aus dem Studio zu sehen. Man hat ganz kleine Einblicke in den Prozess der Entstehung bekommen. Und heute hast du ja schon verloren, wenn du nicht auf Instagram aktiv bist. Und dann ist ja auch alles irgendwie schon entmystifiziert. Ich habe immer das Gefühl, dass die Menschen und ich meine auch mich damit, oftmals vergessen, dass das auch alles Arbeit ist. Und wir tendieren dazu immer zu denken, dass ein Künstler so etabliert ist, dass er nichts mehr selber macht und dass das eh alles so easy peasy egal mäßig ist. Oder wir gehen vom Ultra aus. Taylor Swift zum Beispiel. Die Frau muss so viel Input geben in ihr komplettes Werk. Und ich habe manchmal das Gefühl, die Leute vergessen, dass keiner, der Musik macht, das macht, weil es ihm so egal ist. Alle, die das schon lange machen, die machen das, weil sie Bock draufhaben. Weil sie das Feuer dafür haben, weil die daran glauben, weil die davon leben. Also wirklich atmen, was sie machen. Und natürlich steckt da meistens ein Team dahinter. Mir fällt gerade aus meinem Umfeld niemand ein, der oder die nicht ein umfassend großes Team um sich herum hat. An Menschen, die alle daran arbeiten, auf der Bühne stehen, hinter der Bühne stehen. Ich drifte ab, aber es ist alles sehr viel Arbeit.

minutenmusik: Kommen wir mal zu deinem Album „Besser kann ich es nicht erklären“. Du sprichst dort über ziemlich wichtige Themen: Über deine Trennung, die Abnabelungsprozesse davon, von Mental Health und von den guten Seiten im Leben. Magst du vielleicht mal was zu den Prozessen und der Story dahinter erzählen?

Madeline Juno: Bevor das Album rauskam, habe ich gehofft, dass der rote Faden auf dem Album erkennbar ist. Für mich ist er spürbar, weil ich das ja auch erlebt habe. Ich hoffe, dass er nach außen hin auch wahrzunehmen ist. Der Prozess bis man die Tasche mit den 15 Songs endlich voll hatte, war in den letzten Jahren mein Leben. Im Vergleich zu den anderen Platten hat sich nichts verändert. Ich schreibe immer schon autobiografisch. Aber ich hoffe, dass diese Platte den roten Faden hat. Weil ich eigentlich einfach erzähle, was ich erlebt habe. Was ich durchlebt habe, wie ich mich gefühlt habe und wo ich gelandet bin. Das hat angefangen mit dieser abgefuckten Scheiße und dann diese Talfahrt durch alles was man erlebt, wenn man durch wahnsinnigen Herzschmerz geht und auch Wut empfindet. Oder auch Trotz empfindet. Und denkt: „Es ist alles meine Schuld“. Oder: „Ich bin schrecklich“. Und dann so: „Hä, Moment mal – was? Nein, das wars?. Nein, das macht niemand zu niemanden. Nein, das ist nicht normal.“ Und dann wieder den Selbstwert zusammenkratzen und merkt, okay, ich habe mich einigermaßen gesammelt. Aber das sind noch meine Baustellen. Das ist dann der Mental Health-Teil der Platte und dann gibt es auch diese Lichtblicke, die auch da waren in den letzten Jahren. Und es ist nicht alles megageil, es ist nicht immer alles perfekt oder einfach gewesen. Alles andere als das. Das Album erzählt es ja auch ein bisschen. Oder ausgiebig (lacht). Aber es ist trotzdem eine Zeit, die mich wahnsinnig viel gelehrt hat und auch Positives mit sich gebracht hat. Und das sind die 15 Songs, bei denen man hoffentlich spürt, dass es eine Talfahrt war.

minutenmusik: Der rote Faden ist auf jeden Fall erkennbar. Das ist eines von den Alben, wo man wirklich mit dem ersten Track beginnen und das dann chronologisch durchhören sollte.

Madeline Juno: Das ist so schön zu hören. Das hätte ich nicht planen können. Und klar am Ende, wenn man sich so Gedanken macht: Wie packt man die Songs jetzt in welche Reihenfolge? Da plant man natürlich. Man hofft dann, dass es auch Sinn macht. Aber, dass es sich dann für die Leute, die das hören, so anfühlt, das ist ein riesen Geschenk für mich.

minutenmusik: Du hast an der Platte mehrere Jahre gearbeitet, oder?

Madeline Juno: Ja. Ich habe „Neukölln“ – das ist der erste Song auf der Platte –2019 geschrieben. Im Herbst, frühen Winter. Und dann habe ich ganz lange Zeit gar nichts geschrieben. Ich hatte fast ein halbes Jahr nicht das Bedürfnis zu schreiben. Oder es ging einfach erstmal nicht. Und dann habe ich „Obsolet“ im Juni 2020 geschrieben. Oder vielleicht auch schon im Mai. Und dann kam der Song Ende August 2020 raus. Also ja, es ging jetzt über die letzten zwei Jahre. Aber mit Pausen (lacht).

minutenmusik: Wie läuft das so ab, wenn du einen Song schreibst?

Madeline Juno: Immer wieder unterschiedlich. So oft ich gedacht habe, ich wäre jemand, der melodisch arbeitet und dann darüber nachdenkt, was da für Worte drauf passen, bin ich aber auch gleichzeitig oft ins Studio gerannt, mit einem Schlagwort oder einer Sache, die gerade passiert ist. Die das eigentlich sofort eingeleitet hat. Zum Beispiel bei „Lass mich los“. Das werde ich nie vergessen. Da hatte ich gerade zum wiederholten Male eine SMS von meinem Ex-Freund bekommen. Und ich war so außer mir, dass ich dachte, ich kann jetzt gerade gar nicht anders. Also habe ich mir schon auf der Bahnfahrt zum Studio mega viele Sachen aufgeschrieben, die ich gerne gesagt hätte, wenn ich mit ihm das Gespräch hätte führen wollen. Wollte ich aber nicht.

minutenmusik: Und wie ist das, wenn du mit anderen Leuten zusammenschreibst? Zum Beispiel bei dem Duett „Nur kurz glücklich“ – hat Max Giesinger da mitgeschrieben, oder hast du das alleine geschrieben?

Madeline Juno: Nein, bei „Nur kurz glücklich“ habe ich den Song an einem Abend fertig geschrieben und eingesungen. Und am nächsten Morgen war Max im Studio und hat dort auch mit meinem Produzenten Alex, einem guten gemeinsamen Kumpel, gearbeitet. Ich wusste aber gar nichts davon. Und dann hat Alex, der Produzent, Max diesen Song gezeigt und es hat dann was mit ihm gemacht, sodass er die zweite Strophe eingesungen hat. Und so kam das zustande. Irgendwie ganz untypisch für ein Duett. Aber voll schön, dass das passiert ist.

minutenmusik: Deine Texte sind ja schon seit dem Beginn deiner Musikkarriere schon immer sehr persönlich gewesen. Wie ist das für dich sowas an die Öffentlichkeit zu geben und diese Erlebnisse zu teilen?

Madeline Juno: Man meint immer, das wäre schwer für einen. Mir fällt das total einfach. Weil ich immer das Gefühl habe, dass ich die Kontrolle darüber habe. Ich suche mir das ja aus, diesen Rahmen zu spannen von Themen oder von Dingen, die ich preisgebe. Und ich würde mittlerweile sogar sagen, dass es eigentlich das Einzige ist, was ich kann. Gefühlt denke ich, ich schreibe dann gute Songs, wenn sie mir entweder wahnsinnig weh tun, weil sie ehrlich sind und weil sie natürlich auch detailreich sind. Oder Sachen erzählen, die signifikant für meine Geschichte sind. Ich habe das Gefühl, ich kann nur dann wirken oder gut meine Arbeit machen, wenn das so ist. Und irgendwie finde ich darin total den Frieden, voll die Kontrolle, indem ich das mache. Weil ich da sage, es ist okay. Wären meine Songs jetzt zum Beispiel etwas anders, aber auch emotional und tiefgehend und jemand anderes würde sagen „ Madeline Juno hat Depressionen“ – dann wäre das was anderes. Das wäre nach dem Motto: „Moment, wo hast du das her? Wann habe ich das gesagt? Wie kamst du zu dem Schluss?“ Und so sind es die Themen, die mich bewegen. Das sind die Gedanken und die Gefühle, die ich kenne. Aus meinem Leben. Aus meinem Hirn. Und die teile ich. Und dann kann mir niemand was vorwegnehmen. Mit irgendwelchen Offenbarungen oder News oder sonst irgendwas. Das ist mein gespannter Rahmen an meiner Realität.

minutenmusik: Wie nimmst du die Interaktion mit deinen Hörer: innen in der Hinsicht wahr? Ich kann mir vorstellen, dass da viele auch ähnlich denken und mitfühlen, oder?

Madeline Juno: Mit dem neuen Album ist es ist gefühlt spürbarer und krasser denn je. Ich habe das Gefühl, irgendwas hat noch mehr Klick gemacht. Ich glaube, für mich hat sich eh schon was geändert als ich die Sprache gewechselt habe. Also als ich aufgehört habe auf Englisch zu schreiben und „Waldbrand“ rausgebracht habe. Und da fing das an, dass ich gemerkt habe, der Austausch mit meinen Hörern und den Menschen, die zu meinen Konzerten kommen, ist tiefgründiger. Und das gibt mir wahnsinnig viel. Ich finde das immer wahnsinnig schön. Klar, es ist auch oft schwierig. Die Nachrichten, die ich bekomme, sind oftmals heavy. Weil die Songs auch heavy sind. Aber eigentlich überwiegt das Positive

minutenmusik: Manchmal tut es ja auch einfach gut, wenn man weiß, ok, die Person hat das Gleiche durchgemacht und erlebt. Dann fühlt man sich schon besser.

Madeline Juno: Ja, ich hoffe, dass genau das dieses Album ist. Klar für mich sowieso. Für mich ist es ja auch schön, dass die Leute schreiben: „Ey ich fühle, was du sagst. Ich fühle diesen Song“. Und ich meine, das lässt sich ja jetzt auch schon über die letzten Jahre spannen. Dass ich ja merke, dass man tatsächlich nicht alleine damit ist. Also offensichtlich nicht. Wir denken ja alle immer, wir sind mit unseren Problemen alleine, weil wir als Gesellschaft noch dazu tendieren Dinge zu verschweigen, für uns zu behalten. Weil wir eben denken, das ist eine Schwäche. Weil wir denken, das ist peinlich, das ist unangenehm. Und das verstärkt ja nur, dass wir uns alleine fühlen. Und mich bestärkt das natürlich auch, wenn die Leute schreiben, dass die Songs mit ihnen resümieren. Das ist ein krankes Geschenk. Es ist so ein richtiger Bumerang. Ich gebe denen was und die geben mir was (lacht).

minutenmusik: „Normal fühlen“ ist so ein Song, bei dem man sich beim Hören denkt: Endlich spricht es mal jemand aus.

Madeline Juno: Ich glaube ganz viele von uns kennen dieses Gefühl irgendwo zu sein, wo man denkt, ich möchte eigentlich lieber nach Hause. Oder dieses Gefühl, dass man was macht, weil man Angst hat was zu verpassen und alle sind da und du bist nicht da. Und dann vergessen dich alle. Oder du denkst, ich muss da zu sagen und dann bist du eigentlich gerne lieber zu Hause, die Gespräche gehen mir auf den Keks (lacht). Das fand ich super spannend in einen Song zu packen.

minutenmusik: Was würdest du sagen, war die größte Herausforderung an dem Album?

Madeline Juno: Tatsächlich die Songs zu schreiben. Bei der Platte war die Entstehung der Songs teilweise echt schwer. Ich war so kritisch wie noch nie. Ich hatte immer Angst den Nagel nicht auf den Kopf getroffen zu haben. Ich war extrem kritisch mit jedem einzelnen Wort. Und das hat dann immer dazu geführt, dass ich jedes Wort, jeden Satz, jede Zeile, jeden Vers fünf, zehn Mal umgedreht habe. Und geguckt habe, fängt das wirklich das Gefühl ein? Fängt das diese Szenerie ein? Und ich hatte oft das Gefühl, ich hasse Songwriting. Ich hasse einfach Songs schreiben (lacht). Ich habe sehr lang gebraucht, mich mit den Songs zufrieden zu geben. Aber ich würde es nicht missen wollen. So anstrengend wie es war, so schön war es mit meinen besten Freunden dieses Album zu machen. Was wir an Pasta und Wein und Gummibärchen konsumiert haben über diese letzten zwei Jahre. Und die Nächte durchgemacht haben. Das wird mir krass im Gedächtnis und im Herzen bleiben.

minutenmusik: Du hast vor allem zwischen „Jedes Mal“ und „Es hat sich gelohnt“ große Entwicklungsschritte gemacht. Wenn man sich das anhört, kann man die Entwicklung förmlich spüren. Hast du das selber auch so wahrgenommen?

Madeline Juno: Irgendwie gar nicht so. Ich habe gehofft, dass es musikalisch eine Reise ist und dass es musikalisch aneinander gleichermaßen andockt, wie es sich weiterentwickelt. Ich wollte, dass es aus einem Guss klingt und zueinander passt und dass es sich aber trotzdem weiterentwickelt. Zum Beispiel ist ein Song wie „Tu was du willst“ musikalisch total weit weg von „Obsolet“. Weil „Obsolet“ so weich ist und so viel Tiefe hat. Und „Tu was du willst“ hat viel Energie. Also nicht, dass „Obsolet“ jetzt gar keine Energie hätte. Ich habe gehofft, dass sich die Musik weiterentwickelt, wie ich mich ja auch weiterentwickelt habe. Alleine aus diesem ganzen Trennungsgedöns heraus. Das war ein Prozess, genauso wie das Album seinen Prozess in der Entstehung hatte.

minutenmusik: Hast du einen Lieblingssong auf dem Album?

Madeline Juno: Tatsächlich „Obsolet“. „Obsolet“ hat einen extremen Sonderstatus bei mir. Der macht mich immer noch emotional. Also nicht, dass die anderen mich nicht emotional machen. Ich habe oft das Gefühl, ich fange irgendwann an meine Songs zu hassen. Oder steigere mich dann rein in dieses Gefühl, das irgendwie krass kritisieren zu müssen, wie ich mal gedacht habe. Oder wie ich mal geschrieben habe, was ich mal gesagt habe. Und hoffe, dass das bei der Platte überhaupt nicht so ist. Also auch, weil die Songs davon teilweise jetzt schon lange draußen sind und ich die immer noch mag. Und „Obsolet“ ist einer davon. Das war der erste Song, der rauskam. Ich bin dem Song unglaublich dankbar. Gar nicht, weil der der erfolgreichste Song vom Album ist oder so. Aber für mich war der so wichtig zu existieren und zu schreiben. Ansonsten mag ich auch „Lass mich los“. Ich mag, dass der total rausfällt. Der hat eine ganz andere Energie als alle anderen Songs. Ich mag, dass der so hart ist – also nicht hart im Sinne von gemein, aber hart im Sinne von „Ne, es ist gut jetzt. Es reicht. Lass mich bitte ziehen. Und lass mich bitte in Ruhe. Lass mich weiterziehen“. Das fand ich mega schön.

minutenmusik: In Interviews sprichst du öfters über deine Liebe zu Songs mit doppeltem Boden. Gibt es das auf dem Album jetzt auch?

Madeline Juno: Lustig, darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. (lacht) Aber ich glaube nicht. Es gibt keinen inhaltlichen doppelten Boden. Es ist total straight forward. Da ist nichts verpackt oder anders interpretierbar. In manchen Interviews kam schon die Frage, wie das denn kommt, dass ein Song, wie „Über dich“ so poppig ist und, dass der so nach vorne geht. Wobei das eigentlich ein emotionaler Song ist. Das ist aber kein richtiger doppelter Boden. Das ist nur das Thema verpackt in ein bisschen Energie. Und ne, ich glaube, einen doppelten Boden gibt es in dem Sinne so wie in der Vergangenheit wirklich nicht. Witzig! Ich habe das dieses Mal total nicht geplant, dass ich meine eigene Regel gebrochen habe.

minutenmusik: In „Du fändest es schön“ sprichst du mit deinem früheren Ich. Was würdest du der Maddie sagen, die gerade „Obsolet“ geschrieben hast? Mit der Perspektive von heute?

Madeline Juno: Ich würde der Maddie von vor zweieinhalb Jahren sagen, dass sie eigentlich schon ziemlich richtig lag mit ihrer Vermutung über das, was geschehen ist. Ich hatte relativ früh das Gefühl, ich muss mich aus dem, was da passiert ist, so gut es geht rausziehen. Und es als das betrachten, was mein Gegenüber gemacht hat. Ich habe da gar kein Schamgefühl drüber zu reden was passiert ist. Meine Beziehung endete mit einer SMS. Nach fünf Jahren Beziehung kam eine SMS. Und ich habe die Person seitdem nie wiedergesehen. Bis heute nicht. Und ich würde der Maddie von damals sagen, dass es einfach nur klarer werden wird. Diese Einschätzung und die Reflexion über das, was passiert ist. Das wird sich weiter herauskristallisieren. Und du wirst nur immer stärker darin werden dich davon abzukoppeln. Und sagen: „Ey, das hat tatsächlich gar nicht so viel mit dir zu tun, wie du am Anfang gedacht hast. Sondern viel mehr mit der Person, die diesen Weg gegangen ist. Das hat viel weniger mit dir als Person, die mit diesem Menschen zusammen war, zu tun.“ Wenn das einem passiert, denkt man direkt: „Ich bin schuld, ich bin schrecklich, es ist unmöglich mich zu lieben. Ich habe es nicht anders verdient gehabt.“ Und es wird sich weiter herauskristallisiert, dass dem nicht so ist. Das würde ich ihr sagen.

minutenmusik: Neben dem Trennungsprozess ist auch Mental Health ein großes Thema auf deinem Album. Hast du das Gefühl, dass sich bezüglich der Thematik und gerade in der Pop-Musik-Welt was verändert hat?

Madeline Juno: Ich habe schon das Gefühl, dass über die letzten Jahre viel passiert ist. Über die letzten fünf Jahre wurde es immer mehr thematisiert. Und das aus verschiedensten Richtungen. Sei es aus der Kunst oder aus Filmen, Musik – auch in Talk-Sendungen. Ich glaube, die Pandemie war noch mal die Tür, die das für alle geöffnet hat. Wir haben alle in den letzten zwei Jahren – so unterschiedlich wie wir alle als Menschen sind – so sehr haben wir mal gemerkt, was Isolation bedeutet. Wir alle haben uns mal einsam gefühlt. Auch die Menschen, die weniger dazu tendieren in solche Gefühle abzudriften. Es gibt ja tatsächlich Menschen, die sind einfach glücklich, stabil. Und ich glaube, selbst diese glücklichen Menschen haben über die letzten zwei Jahre mal gemerkt was möglich ist. Wenn die Kontrolle wegbricht und wenn wir alle nicht mehr mit irgendwas rechnen, planen können. Und wenn wir Ängste entwickeln, wenn wir alleine sind, wenn wir Isolation erfahren. Das hat es möglich gemacht, dass wir in der Gesellschaft jetzt schon offener darüber sprechen. Und das war im Grunde nur eine Frage der Zeit. Ich finde es wahnsinnig wichtig und super gut. Auch für die jüngere Generation, die jetzt so krass darunter gelitten hat. So viele junge Menschen erfahren zu einer viel zu frühen Zeit gerade Einsamkeit und komplette Überforderung. Und wir schulden das vor allem den jüngeren Menschen, denen ein bisschen auf den Weg mitzugeben, dass sie nicht alleine sind. Und dass es okay ist, Depressionen, Ängste zu haben, Depressionen zu entwickeln – das passiert ja meistens nicht von heute auf gleich. Das ist ja meistens ein schleichender Prozess. Und man muss drüber reden.

minutenmusik: Seit der Pandemie sprechen ja auch viel mehr Menschen darüber, dass sie zum Beispiel zum Therapeuten oder zur Therapeutin gehen.

Madeline Juno: Ja und es ist doch eigentlich unfassbar, dass das vor noch gar nicht so langer Zeit ein Wahnsinns Tabu-Thema war. Dass das Schamgefühl ausgelöst hat. Oder, dass man das mit niemandem hat teilen wollen, weil du dann ein kaputter Mensch bist. Es ist unglaublich sich das vorzustellen. Dass wir vor noch gar nicht allzu langer Zeit noch ein großes Stück im Vergleich zu jetzt hinten dran waren. Wir sind auf jeden Fall noch nicht angekommen, da bin ich mir sicher. Aber es ist schon viel passiert.

minutenmusik: Hast du das Gefühl, dass es dir persönlich hilft, wenn du darüber sprichst in Interviews oder Talkshows?

Madeline Juno: Es hilft mir natürlich im indirekten Zusammenhang mit meiner Musik. Darüber zu sprechen bedeutet meistens indirekt auch über die Songs zu sprechen und das ist ein Wahnsinns Privileg. Als Mensch finde ich es schön und wichtig. Aber ich glaube, das hilfreichste oder das wichtigste ist, dass ich selbst zur Therapie gehe. Und dass ich selbst an mir arbeite und das wahrnehme. Und dass ich akzeptiere, dass ich so bin wie ich bin. Dass ich aber auch nicht alles so hinnehmen und glauben muss, dass das so bleibt für immer. Sondern du kannst dem ja entgegenwirken und was dafür tun dich besser zu verstehen. Und so manches Interview ist jetzt mehr ein Privileg, als dass es mir in meiner Birne hilft. Also ich weiß es krass zu schätzen, weil es auch immer bedeutet, ich darf auch über meine Arbeit reden oder über die Themen, die mir wichtig sind. Das hilft natürlich meine Identität weiter zu festigen als Künstlerin.

minutenmusik: Hast du Wünsche – vor allem an die Musikwelt, dass sich generell was ändern soll oder, dass das Thema Mental Health mehr thematisiert werden soll in Songs?

Madeline Juno: Ich würde jetzt niemandem sagen, ihr solltet alle tiefer gehen in euren Songs – niemals. Aber so viel jetzt auch schon passiert ist an Offenheit und an Akzeptanz zu manchen Themen – so viel ist noch zu tun diesen Themen den Platz und den Raum und die Zeit zu geben. Stattfinden zu dürfen. Im Radio zum Beispiel. Ganz ehrlich, das ist immer noch ein riesen Problem. Alleine für Frauen. Und ich würde mir wünschen, dass sich wirklich was ändert für Frauen in der Musik. Jetzt ist das natürlich eine besonders merkwürdige Zeit, wo man das Gefühl hat, es gibt weniger Platz für Musik aus Deutschland denn je. Ich habe immer das Gefühl, jetzt darf irgendwie gar niemand mehr im Radio stattfinden. Ich habe heute geguckt: Der erste deutsche Song, der überhaupt in den Radiocharts auftaucht, ist auf Platz 36. Davor ist nichts. Und dann ist wiederum der Nächste auf Platz 49 und der Nächste auf Platz 55.  Und sorry, dass ich das so sage, aber das sind dann tatsächlich alles Songs von Männern. Ich würde mir wünschen, dass man anfängt, damit aufzuhören immer zu sagen, es gibt nicht genug Frauen in Deutschland. Es gibt nicht genug weibliche Künstler in Deutschland, die Musik machen, die gut genug ist. Und ich würde mir wünschen, dass man mehr Platz und Zeit schafft für Themen, die tief gehen. Weil wir haben diese Künstlerinnen und Künstler. Wir haben diese Songs. Wir haben diese Alben. Und die sind auch vermarktbar. Man muss sie nur stattfinden lassen.

minutenmusik: Ja, In den deutschen Charts sind ja eigentlich nur noch Rap-Songs ganz oben.

Madeline Juno: Ja auch das, das ist nicht meine Musik. Und ich komme da auch nicht mehr mit. Ich raffe nicht, wie das alles zustande kommt – muss ich vielleicht auch nicht. Das ist das andere Extrem: Rap. Rap ist seine eigene Plattform. Rap oder Hip-Hop braucht kein Radio-Placement. Rap braucht keine Fernsehsendung. Es ist lustig, wenn man zwei Rapper bei Late Night Berlin vor diese zwei Kinder setzt. Und die ein bisschen roasten lässt von den Kindern. Aber das Genre nimmt alles mit, was man mitnehmen kann. Und alle anderen haben es irgendwie ein bisschen schwerer. Ich habe da keine Antwort für und verstehe es auch nicht richtig. Ohne dass ich jetzt glaube, dass da jemand ist, der anderen das Leben schwerer machen möchte als einem Rapper. Das ist ja nicht so. Aber ja, das ist irgendwie alles etwas komisch.

minutenmusik: Lea ist ja eigentlich ein ganz gutes Beispiel dafür. Sie macht ja schon viele Duette mit Rappern wie Casper oder auch mit Capital Bra. Wie hoch die Songs in den Charts gehen – man muss ja wirklich sagen, manchmal ist das wirklich, weil da gerade ein Rapper mitwirkt. Dabei sind die anderen Songs ja auch gut.

Madeline Juno: Absolut. Meine Rede. Es ist super traurig. Da schließt sich der Kreis wieder. Es gibt noch viel zu tun. Und aktuell ist es immer noch so, dass es zu viele Leute in zu viele Positionen gibt, die sagen: „Ne, ist nicht unsere Aufgabe daran was zu ändern“. Und dann ändern sich Dinge nicht. Zum Beispiel, ich will mich jetzt auch nicht ins Aus schießen, aber im Radio hat sich ja seit zehn Jahren nichts verändert. Da sind immer die gleichen Leute. Klar, mal mehr mal weniger, aber es ist immer noch so, dass es für Frauen deutlich schwieriger ist. Und natürlich schlägt man dann Wege ein, die es möglicher für einen machen. Lea hat es unfassbar clever gemacht. Man kann natürlich sagen, dass es voll schade ist, dass es nur dann funktioniert, wenn sie einen männlichen Part an ihrer Seite hat. Aber das sagt ja viel weniger über Lea, als über diese Branche aus. Das sagt ja alles. Und da gibt es viel aufzuräumen.

minutenmusik: Definitiv. Aber um mal zu einer guten Nachricht zu kommen. Es gibt ja bald hoffentlich wieder Konzerte. Und deine Tour wurde ja leider noch mal verschoben, aber findet dann hoffentlich im Sommer statt.

Madeline Juno: Ja, es ist super schade. Wir haben sie jetzt zum dritten Mal in Folge verschieben müssen. Am 21. Januar wäre eigentlich die erste Show gewesen. Jetzt haben wir unsere Tour auf Juni verschoben und ich hoffe (lacht), dass die stattfinden kann. Sonst halte ich das nicht mehr lange aus. Es ist schon so lange her.

minutenmusik: Worauf freust du dich am meisten bei der Tour?

Madeline Juno: Auf das Zusammen singen. Das ist immer das Allerschönste für mich. Ansonsten liebe ich wirklich alles. Ich liebe es, mit meiner Band unterwegs zu sein, ich liebe die Autofahrten. Viele mögen die ja nicht – ich liebe das. Ich freue mich krass auf das Unterwegs sein. Ich freue mich unfassbar auf den Kontakt mit den Menschen. Also so wirklich erleben, was wir jetzt seit zwei Jahren nicht erlebt haben. Dieses gemeinsam singen, gemeinsam tanzen, gemeinsam laut sein. Irgendwie alle schwitzen gleichermaßen und das fehlt mir so.

minutenmusik: Zum Abschluss noch mal ein ganz anderes Thema. Wer ist Maddie, wenn sie keine Musik macht?

Maddie: Ich habe immer das Gefühl, ich singe nie. Nur ab und zu mal, wenn ich alleine bin. Aber manchmal sagen mir meine Freunde doch was anderes. Ich bin vor allem – eigentlich müsste ich Mama sein. Ich bin gerne zuhause. Ich habe gerne Leute da und ich koche gerne. Ich koche sehr gerne Ramen. Ich bin wie eine Amsel. Wenn ich nicht Musik mache, bin ich so: „Was Kochen wir heute? Wen können wir einladen? Wen haben wir lange nicht mehr gesehen?“ Ich mags gerne gemütlich. Ich liebe so Hausfrauenschit (lacht). Ich male auch gerne. Ich backe gerne. Mag Videospiele spielen. Ich bin eigentlich voll der Nerd. Ich bin gerne alleine, ich liebe Serien. Ich bin voll happy, wenn ich Feierband habe, zuhause bin und eine Serie gucke, mir vorher was gekocht habe. Das bin ich in a nutshell.

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