Die Stuttgarter Band Rikas ist auf dem besten Weg, sich in der deutschen Musiklandschaft zu etablieren. Die erste EP wurde im April veröffentlicht und hat uns sofort begeistert. Schon seit letztem Jahr wurden unzählige Support-Shows für die Parcels, Von Wegen Lisbeth und Fil Bo Riva gespielt. Im Herbst steht die erste eigene Tour an (Daten siehe unten). Und diesen Sommer spielen die vier Schwaben auf gefühlt jedem deutschen Festival. Wir haben uns beim Kosmonaut Festival zwischen Auftritt und Backstage-Catering mit Sascha und Chris getroffen und ihnen ein paar Fragen gestellt.
minutenmusik: Ihr habt gerade als einer der ersten Acts des Festivals auf der Atomino-Bühne gespielt. Wie hat es euch gefallen?
Chris: Sehr gut! Das war unser erstes Mal in Chemnitz und ein früher Slot. Aber zu unserer eigenen Verwunderung waren die Leute voll am Start! Es waren auch viele, die die Songs teilweise gekannt haben. Dann macht es natürlich immer noch besonders Spaß. Also es war sehr sehr schön. Das ist ein wunderbares Festival, mit eigenem Tretbot-Steg. Ey, das ist schon was ganz besonderes!
minutenmusik: Habt ihr Bands, die ihr heute selber unbedingt sehen wollt?
Sascha: Wir haben heute sehr viele Interviews und deswegen gar nicht so viel Zeit, uns irgendwas anzuschauen. Wir sind aber natürlich gespannt auf den geheimen Headliner!
minutenmusik: Was ist euer Tipp, wer es ist?
Chris: Keine Ahnung. Wir haben heute erfahren, dass das ja wirklich fast keiner weiß, auch keiner von den Bands. Das ist ja wirklich eine möglichst lange Geheimhaltung. Vielleicht laufen die auch hier rum mit so Tüten auf dem Kopf. Wer weiß, vielleicht sind die schon irgendwo hier?!
minutenmusik: Lassen wir uns mal überraschen. Jetzt aber zu eurer Musik: Ihr singt bei Rikas vierstimmig. War das eine bewusste Entscheidung oder hat sich das so ergeben?
Sascha: Ähm, wir können alle nicht singen. Es ist tatsächlich so, dass keiner in unserer Band so eine markante Hauptstimme hat, wie das bei anderen Bands der Fall ist. Deshalb haben wir uns da schon immer sehr gern ergänzt. Und die Mehrstimmigkeit bei Rikas ist eigentlich auch ein bisschen dadurch zustande gekommen, dass wir viel Straßenmusik gemacht haben. Und wenn man auf der Straße unverstärkt spielt, muss man eben zu mehreren singen, um sich stimmlich durchzusetzen. Da haben wir dann auch viele Songs gecovert, aus den 60ern und 70er Jahren, von Bands, die sehr viel mit mehrstimmigem Gesang gemacht haben, von den Beatles zum Beispiel. Dadurch haben wir uns das so ein bisschen angeeignet und haben es dann beibehalten, weil es auch nicht so viele Bands gibt, die das machen. Und bisher sind wir damit auch ganz glücklich. Es scheint zu funktionieren. (lacht)
minutenmusik: Du hast gerade schon die Straßenmusik angesprochen. Ihr seid da ja wirklich quer durch Europa getourt. Was hat euch dabei am meisten geprägt?
Sascha: Alles, da kann man jetzt nichts spezifisch hervorheben.
Chris: Es gibt natürlich sehr viele verrückte Geschichten und Erinnerungen, die da passiert sind. Wir waren zuerst in Zürich, Basel und dann sind wir nach Frankreich. Wenn wir in den Städten waren, wussten wir immer noch nicht, wo wir übernachten. Dann haben wir beim Spielen immer ein Schild draußen gehabt, auf dem stand: „Wir suchen noch einen Schlafplatz.“ Und da hat sich tatsächlich immer was ergeben, dass sich noch was gefunden hat. Da haben wir witzige Leute kennengelernt, von Familien bis WGs mit Gleichaltrigen.
Sascha: Ich glaube, in Basel war das, da hatten wir uns tatsächlich den ganzen Tag über totgespielt, damit wir eine Übernachtung bekommen und wir hatten immer noch keinen gefunden, der uns aufnimmt. Wir hatten uns dann schon darauf eingestellt, am Bahnhof zu schlafen. Und wir dachten schon: „Oh, das wird so scheiße.“ Dann sind wir noch essen gegangen, bevor wir zum Bahnhof gegangen sind. Und da haben wir dann eine nette Bedienung kennengelernt. Wir sind so mit ihr ins Gespräch gekommen und haben uns schon gedacht: „Wir könnten sie ja mal fragen.“ Und dann haben wir es gemacht und sie hat uns zu sich nach Hause eingeladen, obwohl sie bei ihrem Freund gepennt hat. Also sie hat uns ihre Wohnung nach fünf Minuten Kennenlernen einfach überlassen. Daraus ist auch so eine Freundschaft entstanden.
Chris: Wir haben dann da die ultrakrasse Party gefeiert!
minutenmusik: Und danach musste alles renoviert werden?
Chris: Ne. Sie hat uns für nächstes Mal nochmal eingeladen. Grüße gehen raus an Anja!
minutenmusik: Nochmal zur Vierstimmigkeit: Das erinnert ja so ein bisschen an Boybands. Gibt es bei euch auch diese Rollenverteilung: der Romantische, der Coole, der Badboy?
Chris: In unserer alten Band, die noch ein bisschen schülerbandmäßiger war, haben wir uns tatsächlich so Fake-Boyband-Namen gegeben. Das war auch ziemlich cool. Aber ne, eigentlich nicht. Jeder lebt so ein bisschen seine Persönlichkeit aus und bringt sich stimmlich so ein, wie er kann. Wir ergänzen uns da ganz gut und sind gut eingegroovt. Aber so festgelegte Rollen haben wir nicht. (Sascha will ihn unterbrechen) Oder zumindest weiß ich davon nichts?! (lacht)
Sascha: Natürlich sind wir gut eingegroovt! Aber man kann schon sagen… Ich würde sagen, Chrissi ist auf jeden Fall der sexy Boy.
Chris: Ist das so?
Sascha: Ja. Ferdi ist der coole Drummer, der Badboy auch ein bisschen. Sam ist der Verschlafene, der Sensible.
Chris: Jetzt bin ich gespannt!
Sascha: Ich bin… tja, das musst du jetzt sagen.
Chris: Sascha ist alles. Mal so, mal so. Eine Wundertüte.
minutenmusik: Eure Texte scheinen oft von Essen zu handeln: Tortellini Tuesday, French Fries….
Chris: …sagte er und biss in den Chicken Wing! (was er dann auch tatsächlich genüsslich tat)
minutenmusik: Woher nehmt ihr generell die Inspiration für eure Texte? Kommen die aus eurem Leben oder schlüpft ihr in Rollen?
Sascha: Doch, das ist schon alles realitätsnah, lebensnah. Es ist jetzt nicht alles autobiographisch. Da wandern immer ein paar Dinge rein. Du hast gerade French Fries dazu genommen. Der handelt tatsächlich von einer Geschichte, die so einem von uns passiert ist, dass er einem Freund von uns betrunken und vollgefressen ins Auto speit.
Chris: Also das ist uns natürlich nicht passiert, einem Freund von uns! (lacht)
Sascha: Aber da steckt ja auch noch viel mehr hinter den Liedern. Zum Beispiel bei Tortellini Tuesday, wo es ja um Tortellini geht. Aber eigentlich geht es um den Birthday Blues und um Einsamkeit. Tortellini sind für uns so ein Gericht, was das verkörpert. Die macht man mal schnell in drei Minuten warm und isst sie dann alleine. Da steckt schon eine gewisse Melancholie in uns, aber wir verarbeiten das anders, als andere das vielleicht machen. Ja, und sonst ist unsere Inspiration überall.
minutenmusik: Schreibt ihr eure Lieder alle zusammen oder gibt es einen, der dafür hauptverantwortlich ist?
Sascha: Im Prinzip schreiben wir komplett alle zusammen. Es gibt natürlich immer Grundideen und jeder bringt etwas mit ein, aber letztendlich schreiben wir alle zusammen.
Chris: Jeder hat dann auch mal so eine Phase, so eine „Gerade ist alles kacke“-Phase. Aber es gibt nicht den einen, der immer alles schlecht findet. Wir harmonieren da ganz gut.
Sascha: Es ist aber auch selten so, dass wir wirklich alle zufrieden sind.
Chris: Es gibt auch viele Songs, die gibt es schon sehr lange und die verändern sich dann doch immer noch von Probe zu Probe, weil wir noch nicht alle zufrieden sind. Das war auch spannend, als wir uns dann im Studio auf etwas festlegen mussten. Und da denkt man jetzt vielleicht auch schon wieder: „Ach, das hätte ich lieber anders gemacht.“ Aber das ist schön, das sind Momentaufnahmen.
Sascha: Das ist ein stetiger Prozess.
minutenmusik: Was gefällt euch besser, auf der Bühne zu stehen oder im Studio?
Sascha: Ganz klar auf der Bühne!
Chris: Es hat beides seinen Charme. Wir hatten bisher leider noch nicht den Luxus, dass wir so richtig lange im Studio aufnehmen und schreiben konnten. Das ist ja auch sehr teuer. Was wir oft machen, ist zuhause aufnehmen, das ist ein bisschen einfacher. Unsere allererste Demo-CD „Bedroom Tapes“, die haben wir auch tatsächlich im Schlafzimmer aufgenommen. Das macht uns auch immer Spaß. Wenn wir so viel spielen wie diesen Sommer, haben wir leider nicht die Zeit dafür. Aber man freut sich dann trotzdem immer wieder darauf. Wenn man das eine lange macht, dann freut man sich wieder auf das andere.
Sascha: Ja, grundsätzlich ist immer das besser, was man gerade nicht hat.
minutenmusik: Ihr seid diesen Sommer wirklich bei jeder Menge Festivals unterwegs und dann kommt im Herbst noch die Tour. Gibt es dabei ein Highlight, auf das ihr euch besonders freut?
Chris: Lustigerweise ist wirklich das Kosmonaut Festivals eins von denen, bei denen wir die größten Erwartungen hatten. Wir hatten schon viel davon gehört. Und ich muss sagen, die Erwartungen wurden auf jeden Fall erfüllt, wenn nicht sogar übertroffen bisher. Wir spielen natürlich auch auf vielen Festivals, die wir noch gar nicht kennen. Das heißt, wir können eigentlich nur auf Empfehlung oder von dem, was wir gehört haben, urteilen, ob das jetzt gut wird oder nicht. Aber das ist auch gut. Manchmal hat man so einen großen Namen und denkt: „Das wird richtig gut!“ Und dann ist es doch nicht so toll. Und dann gibt es so ein Festival, bei dem man denkt: „Joa, okay. Da spielt man halt.“ Und dann ist es aber überragend. Das ist immer ein bisschen wie eine Wundertüte und da sollte man so unvoreingenommen wie möglich rangehen und dann wird man oft positiv überrascht.
minutenmusik: Gibt es ein Festival oder einen Ort, wo ihr unbedingt mal spielen möchtet, sozusagen als Ziel eurer Karriere?
Beide: Rock in Rio vor 100.000 Leuten. Oder auf dem Mond.
Chris: Ja, wir möchten gerne die erste Band sein, die auf dem Mond spielt. Das dauert aber wahrscheinlich noch ein paar Jahre, bis wir das Crowdfunding dazu abgeschlossen haben.
minutenmusik: Cool, ich komme dann gerne vorbei. Gut, damit haben wir jetzt alle Fragen durch.
Chris: Man kann zusammenfassen: Das ist bei uns alles gerade noch eine Wundertüte, die Festivals, die uns erwarten, unsere Songs…
minutenmusik: Das finde ich aber auch gut, gerade weil ich euch selber schon ein paar Mal gesehen hab. Da hat man als Zuschauer den Unterschied gemerkt, wie sich das entwickelt hat. Das finde ich auch spannend zu beobachten, wie sich eine Band entwickelt.
Sascha: Ja, das fällt uns selber ja gar nicht so auf, weil wir drin sind. Wir machen ja jeden einzelnen Schritt mit.
Chris: Wenn man dann alte Videoaufnahmen anschaut, wo man den Song ganz anders gespielt hat, dann denkt man sich: „Das war irgendwie gar nichts.“ Oder vielleicht auch: „Das war voll cool. Lass uns das mal wieder so spielen.“ Das muss man dann auch manchmal aufarbeiten, das ist ganz lustig.
minutenmusik: Ich weiß noch, dass ich ganz überrascht war, als ich euch bei den Parcels das erste Mal gesehen hab und gemerkt habe, dass ihr eine deutsche Band seid. Ihr habt so „undeutsch“ gewirkt.
(Beide lachen.) Chris: Das ist cool. Unser Ziel ist es auch, irgendwann international zu spielen. Aber wichtig ist es natürlich, erstmal im deutschsprachigen Raum Fuß zu fassen. Und auch rein vom Aufwand ist es nochmal schwerer, im Ausland zu touren und auch teurer, die Wege sind weiter. Deshalb: Schritt für Schritt und das langfristige Ziel Rock in Rio.
minutenmusik: Sehr gut, ich drücke euch die Daumen! Vielen Dank für das Interview.
Sascha: Danke dir, dass du dir die Zeit genommen hast!
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Foto: Lisa Nguyen
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