Interview mit Ripe & Ruin über “Everything For Nothing”

Ripe & Ruin

Alternative mit sattem Bluesrock-Einschlag ist jetzt nicht gerade ein Genre, das man als momentanen Hype beschreiben würde. Das Hamburger Trio Ripe & Ruin fühlt sich aber genau in dem Spannfeld zwischen den Rival Sons und Biffy Clyro wohl – und lebt das Konzept “Band” in seiner ursprünglichsten Form aus. Auf ihrem Debüt “Everything for Nothing” (Rezension hier) artet das in unvorhersehbare Stilbrüche und mitreißende Soundtürme aus. Wir haben uns mit Gordon Domnick, Bassist und Sänger der vielversprechenden Newcomer, über Ambitionen, Songstrukturen, Weihnachtsbäume und Goldgräber unterhalten.

minutenmusik: Zwei EPs habt ihr ja schon veröffentlicht, was habt ihr jetzt im Vorfeld zu eurem Album anders gemacht? Hattet ihr einen festen Plan im Kopf, wo es soundtechnisch hingehen soll oder hat sich das eher im Jam ergeben?

Gordon Domnick: Vielleicht ist das nicht die cleverste Herangehensweise, aber wir “planen” eigentlich nie. Wir entwickeln uns jeder für sich und als Band ständig weiter und spielen und schreiben dementsprechen immer auf unserem aktuellen Stand (und vor allem immer am Limit). Zwischen den beiden EPs und dem Album liegt jetzt nur ein knappes Jahr und trotzdem klingen viele Sachen ganz anders als alles was wir vorher gespielt haben. Momentan arbeiten wir schon wieder an neuen Songs. Die sind auch wieder in gewisser Weise komplett neu. Wir folgen immer dem Moment!

minutenmusik: Einige Songs, wie “Drop Your Knife”, spielen mit Erwartungen und stehen teils zwischen den Stühlen. Kamen diese Genre-Querschnitte von selbst oder hattet ihr euch beim Songwriting bewusst gegen manche offensichtlicheren Strukturen entschieden?

Gordon Domnick: Wir lieben die Momente in Songs, in denen Erwartungen durchbrochen werden. Wenn man das Radio anschaltet und ein 0-8-15 Popsong anfängt zu dudeln, weiß man meist nach den ersten 10 Sekunden was Sache ist, wann der Chorus kommt und wie die nächste Strophe aussieht. Das heißt nicht, dass wir nicht auch gerne mal einen einfach Chorus an die Stelle im Song packen wo er nunmal seinen Platz hat. Aber die Songs sollen weder beim selber spielen noch beim Hören langweilig werden. Dynamikschwankungen und kleine Überraschungen fühlen sich hier an wie der Schmuck am Weihnachtsbaum. Hier und da muss halt ab und zu ein bisschen Glitzer und Lametta drauf!

minutenmusik: Auch optisch scheint ihr schon ein recht klares Bild zu haben, wie ihr nach außen wirken wollt – sowohl das Albumcover, als auch die zugehörigen Videos sind eher in schlichten Schwarz-Weiß-Tönen gehalten. Wie wichtig sind euch Artworks und andere optische Eindrücke bei eurer Band und bei Bands, die ihr selbst hört? Entscheidet ihr gemeinsam, wie das aussehen soll oder überlasst ihr das einer Person?

Gordon Domnick: Wir entwickeln das alles im Kollektiv. Unsere Letzten Artworks waren deutlich bunter bzw. “aufgeregter”. Dieses mal wollten wir es Schlicht halten und die Musik für sich sprechen lassen. Es sind viele kritische und anprangernde Texte auf dem Album, die gegen eine “Heile-Welt-Mentalität” wettern.

Das schöne weiße und klare Bild ist eine Illusion, die wir gerne mittels der Musik durchbrechen würden.

Deswegen haben wir kurzerhand einfach mal einen Eimer schwarze Farbe an eine frischgestrichene weiße Wand geworfen. Grundsätzlich spielt das optische immer eine extrem wichtige Rolle. Sowohl bei uns, als auch bei anderen Bands.

minutenmusik: Dass eure Wahl für das klassische Bandgefüge im Genre Alternative/Bluesrock heutzutage ziemlich gewagt erscheint, habt ihr ja selbst schon festgestellt. Habt ihr denn das Gefühl, dass es in Deutschland eine Szene für diese Musik gibt? Gibt es da ein enges Netzwerk aus Musiker*innen, das sich gegenseitig unter die Arme greift?

Gordon Domnick: Ein Netzwerk gibt es in dem Sinne für unser Verständniss nicht. Klar hilft man sich unter “Kollegen” in der Branche immer. Grade bei support-Konzerten oder gegenseitiger Tourbegleitung. Am Ende des Tages kämpfen die meisten allerdings für sich. Grundsätzlich geht es garnicht darum, ob es in Deutschland eine Szene für Rockmusik gibt. Uns geht es vielmehr darum ob es in der heutigen Zeit wichtig ist Rockmusik zu machen. Das lässt sich mit einem sehr klaren und großgeschriebenem “JA!” beantworten. Rock ist musikgewordenes “NEIN”. Gerade in der heutigen Zeit ist es so unglaublich wichtig geworden sauer zu sein und sich zu empören… über alles was so schief läuft grade. Und das ist ja bekanntlich ‘ne Menge!

minutenmusik: Bald geht ihr auf Tour – Habt ihr da schon bestimmte Ideen, wie ihr die Songs auf die Bühne stemmen wollt? Holt ihr euch Verstärkung oder regelt ihr die gesamte musikalische Seite zu dritt?

Gordon Domnick: Wir regeln das zu dritt! Wir haben die songs zu dritt geschrieben, zu dritt eingespielt und zu dritt geprobt. Da kommt es oft nur auf die größe der Pedalboards an. Mitlerweile stehen da kleine Atomkraftwerke auf der Bühne!

minutenmusik: Wenn man Songs wie das hibbelig-imposante “Bleed Me Out” hört, bekommt man schnell das Gefühl, dass auch noch Größeres lauern könnte. Stichwort: Muse, Biffy Clyro, Royal Blood – Stadionrock der guten Sorte eben. Habt ihr die Ambitionen, nach größeren Hallen, größeren Sounds zu streben? Findet ihr, solche Arrangements passen auch in Clubs und Kellerräume?

Gordon Domnick: Wir haben definitiv Ambitionen! Wir jagen Songs und Sounds (und den Stadien) wie besessen hinterher. Große Bühnen sind geil. Am Ende des Tages spielen wir aber lieber in einem ausverkauften Keller, als in einer leeren Arena. Egal wie groß der Raum ist… der Schweiß muss von der Decke tropfen!

minutenmusik: Bei so vielen Stilen, die euer Debüt zitiert, stellt sich doch glatt die Frage, wie es im Proberaum aussieht: Kommt ihr alle aus unterschiedlichen Stilen und müsst euch auf etwas einigen oder darf jeder mal bei einem Song entscheiden, in welche Richtung es dieses Mal gehen soll? Wie sieht es mit eurer Banddynamik aus?

Gordon Domnick: Dafür konzeptionieren wir wie gesagt zu wenig. Es passiert einfach etwas und darauf bauen wir auf. Manchmal ist es nur ein kleines Gitarren-Lick, ein Drumfill oder eine Bassline. Aber wenn wir uns alle angucken und plötzlich hellhörig werden, wissen wir, dass das was sein könnte. Man kann sich das Ganze vorstellen wie Goldschürfen. Wir suchen nach Nuggets!

Goldrausch im Proberaum!

minutenmusik: Ripe & Ruin im Jahr 2025 – was wollt ihr erreicht haben, wovor hättet ihr am meisten Angst beziehungsweise Respekt?

Gordon Domnick: Wir wollen weiter wachsen, musikalisch und künstlerisch. Viele, Viele Platten auf den Weg bringen und natürlich am liebsten die großen Bühnen mit oben genannten Bands teilen. Wer Angst hat sollte vermutlich kein Berufsmusiker werden. Wer keinen Respekt vor der Musik hat am Besten auch nicht. Also Vorsätze für 2025: Niemals den Respekt verlieren und keine Angst haben (wird schon alles)!

Und so hört sich das an:

Website / Facebook / Instagram

Ripe & Ruin live 2020:

  • 26.02.2020 Lux Club Linden, Hannover
  • 27.02.2020 GrooveStation, Dresden
  • 28.02.2020 Musik & Frieden, Berlin
  • 29.02.2020 Molotow, Hamburg
  • 04.03.2020 Tsunami, Köln
  • 05.03.2020 Nachtleben, Frankfurt
  • 06.03.2020 Clubcann, Stuttgart
  • 07.03.2020 Zehner, München

Rechte am Beitragsbild liegen bei Oktober Promotion.

* Affiliate-Link: Du unterstützt minutenmusik über deinen Einkauf. Der Artikel wird für dich dadurch nicht teurer.