Interview mit Seaway über “Big Vibe”

Seaway 2020

Morgen ist es endlich soweit: Das vierte Seaway Album “Big Vibe” erscheint! Zur Einstimmung habe ich mich mit Sänger Ryan Locke darüber unterhalten, was das Album für die Band bedeutet, ob die überhaupt noch in Genres denkt und wie viel Wahrheit in den Texten steckt. Hört ab 0 Uhr unbedingt in die neue Power-Pop/Pop-Rock/Punk Platte der Jungs aus Toronto rein!

minutenmusik: “Big Vibe” erscheint diesen Freitag. Was schwirrt dir durch den Kopf?

Ryan: Es ist toll, das Album draußen zu haben, aber die Enttäuschung ist natürlich groß, dass wir es nicht live spielen können. Normalerweise hätten wir jetzt bereits einige Proben gehabt und uns auf eine Tour durch fremde Länder vorbereitet. Jetzt kommt das Album raus an einem Wochenende, das sich wie jedes andere im Jahr anfühlt. Ich bin dennoch froh, dass die Leute die Platte hören können, sie ist definitiv unsere beste!

minutenmusik: Wie unterscheidet sie sich von den vorherigen? Betitelt werdet ihr ja neuerdings als Power-Pop statt Pop-Punk Band…

Ryan: Das stimmt, einige der Songs sind auf jeden Fall noch mehr von unseren Pop-Einflüssen geprägt als vorher. Andere Songs sind trotzdem noch sehr rockig. Die Idee war, das Album möglichst dynamisch werden zu lassen, so dass jeder Song anders klingt. Da wäre “Mrs. David”, der poppiger ist, und auf der anderen Seite beispielsweise “Brain In A Jar”, der ziemlich nach vorne geht. Es ist weder nur Pop-Punk, noch Pop oder Power-Pop. Es ist schwer überhaupt eine einzige Bezeichnung für die Reise des Albums zu finden. Es werden verschiedene Emotionen und Vibes zusammengeführt.

minutenmusik: War das von Anfang an der Plan, als ihr begonnen habt, die Platte zu schreiben?

Ryan: Die Idee, alles möglichst vielfältig zu gestalten, ist immer da. Diesmal haben wir es glaube ich wirklich mal durchgezogen und mehr zugelassen. Wenn etwas “zu poppig” oder “zu hart” klang, haben wir es diesmal nicht an die restlichen Songs angepasst. “Wild Things” zum Beispiel, der sehr Synth-Pop lastig ist – den hätten wir früher vielleicht nochmal mehr in Richtung Pop-Rock getrimmt. Bei dieser Platte haben wir uns gesagt: Scheiß drauf, lasst uns das einfach so machen. Mal sehen, wie poppig oder rockig wir sein können.

minutenmusik: Erinnerst du dich noch an die erste Idee oder den ersten Song, den ihr dafür hattet?

Ryan: Schwer zu sagen. Wir haben wirklich schon eine ganze Weile vorher an Demos gearbeitet, unser Gitarrist Andrew hatte einen riesigen Haufen. Davon haben wir dann einige an unseren Producer Anton geschickt. Einer der ersten die wir dann fertig gemacht haben, war “Pathetic”. Es sind aber Songs auf der Platte, für die die Demos sogar davor schon rumlagen, das kann ich so genau gar nicht mehr rekonstruieren. Unsere Demos sind nämlich nie die fertigen Versionen, sondern vielmehr Grundideen, an denen wir dann im Studio weiter arbeiten.

minutenmusik: Der Titelsong “Big Vibe” ist einer der stärksten Seaway-Songs überhaupt. Er klingt so einfach, doch ist so detailliert und perfekt geschrieben. Habt ihr an dem längere Zeit gearbeitet?

Ryan: Die Arbeit an dem Song war tatsächlich etwas anders. Andrew hatte das Riff schon einige Zeit, und wir haben uns dann mal einen ganzen Tag lang Zeit genommen, um herauszufinden, was man daraus machen kann und was für ein Song das wird. Nach etwa acht Stunden Brainstorming haben wir alles verworfen und ganz neu angefangen – und dann kam plötzlich “Big Vibe” dabei raus. Das ist natürlich nicht immer so, manchmal fliegen einem die Songs einfach so zu, manchmal fordert es viele Niederlagen um am Ende den Hit zu landen. Hier war es dann eigentlich eine Mischung, weil es doch recht schnell kam, nachdem sich der Knoten löste.

minutenmusik: Was ist der Hintergrund vom Song “Mrs. David”? Wer oder was ist Mrs. David?

Ryan: Das wollen wir so nicht genau sagen, es soll Raum zur eigenen Interpretation bleiben. Am Ende ist es einfach ein spaßiger Pop-Song im Stil von The Killers und Co. Für mich ist es einer der besten Songs, die wir geschrieben haben. Aber die genaue Geschichte dahinter will ich nicht erzählen.

minutenmusik: Packst du generell viele persönliche Geschichten in eure Texte oder bestehen die Texte oft aus “leeren Worten”, die vordergründig dem Song und der Atmosphäre dienen?

Ryan: Mal so, mal so. Das Album besteht definitiv nicht nur aus wahren Geschichten, ich würde es aber auch nicht Nonsens nennen. Es ist, wie wenn man ein Bild malt, weißt du?

minutenmusik: Verstehe. Zum Release von “Colour Blind” (2015) sagtest du, ihr wollt mit Seaway Gute-Laune-Musik machen und nicht so sehr in die Sad-Boy-Punk-Ecke abdriften, die damals ihren Peak erlebte. Ist das immer noch euer Plan oder wollt ihr nun auch mal ernstere Töne anstimmen?

Ryan: Ja, das wollen wir mittlerweile auch – schon länger. Wir werden auch älter und es gibt mehr emotionale Themen, die einen beschäftigen. Die Band als Ganzes soll immer noch für Leichtigkeit und Spaß stehen, aber wir haben schon hier und da etwas tiefergehende Songs geschrieben, wie “Misery In You” auf “Vacation” (2017) zum Beispiel. Diesmal gehen “If You Let Me” oder “Peach” vielleicht in eine ähnliche Richtung. Wir versuchen möglichst viele Teile des echten Lebens abzudecken: Da gibt’s auch nicht immer nur Sonnenschein, aber man versucht alles so gut aufzunehmen wie es geht.

minutenmusik: Würdest du das Outro “Sick Puppy” eher als depressiv oder positiv beschreiben?

Ryan: Der deckt tatsächlich beides ab. Der Chorus wirkt schon ein wenig düster. Und die Strophen sind einfach wahre Geschichten, von Freunden und Bekannten. Der Song handelt davon, in einer Band zu sein und auf Tour all diese Menschen zu treffen, aber nie eine engere Bindung zu Ihnen aufzubauen. Das kann schon mal ein bisschen trauriger sein, wenn man ständig Menschen kennenlernt und diese dann wieder verlässt. Trotzdem schwingt auch Positives mit, weil es eben cool so ist wie es ist. Es ist schön, diese Leute überhaupt zu treffen und das würde ich auch nicht tauschen.

minutenmusik: Wie denkst du über die aktuelle Entwicklung der Punk-Szene? Es scheint, als würden immer mehr Bands ihren ganz eigenen Sound entwickeln und die gleich klingenden Bands weniger werden. Wie würdest du Seaway dort einordnen?

Ryan: Da geb ich dir total recht, so viele Bands machen so viele verschiedene Sachen gerade! Aber das ist wohl einfach eine natürliche Entwicklung – so ist es bei uns jedenfalls. Wir sind älter geworden und mit mehr Lebenserfahrung verändert man sich ja auch. Heute wollen wir mit Seaway etwas anderes als noch vor acht Jahren. Ich denke, das andere Bands sich ähnlich fühlen und nicht mehr auf den klassischen Fingerpointing Pop-Punk von 2012 aus sind. Ich denke, was Seaway ausmacht ist ein eigener Style von Pop-Rock. Viele Leute verglichen vor allem den Song “Big Vibe” mit Cheap Trick-Power-Pop. Da sehe ich uns auch in Zukunft. Wir werden keinen Radio-Pop machen, aber wir wollen offener und zugänglicher sein. Als wir die Promotermine für “Vacation” gemacht haben, hießen wir noch überall “Seaway, die Pop-Punk Band”. Das ist diesmal anders.

minutenmusik: Gab es bestimmte Einflüsse speziell für diese Platte?

Ryan: Ja, wie gesagt The Killers, die wirklich gut klingenden Pop-Rock machen. Sie sind eine Rock-Formation und haben trotzdem riesige Pop-Hooks. Das beeinflusst uns schon sehr, ohne jetzt komplett wie die sein zu wollen. Und auch Weezer sind schon immer ein großer Einfluss für uns. Sie sind ein gutes Beispiel für eine Band, die Punk-Wurzeln hat und heute im Top 40-Radio-Bereich vertreten ist. “The Blue Album” ist so anders als das, was sie heute machen, aber es fühlt sich eben wie eine sehr natürliche Entwicklung an. Sie haben sich dennoch nie so stark verändert, dass man sie nicht mehr wiedererkennen würde.

minutenmusik: Danke für deine Zeit und viel Erfolg mit “Big Vibe” und dem neuen Seaway-Kapitel!

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