So klingt also das uneheliche Kind von Love A, Herrenmagazin, Findus und Jupiter Jones: Die Supergroup Trixsi vermählt auf dem Debüt “Frau Gott” luftigen 90er Indie mit pessimistischen Introspektiven und beißender Gesellschaftskritik. Im Gespräch mit Sänger Jörkk Mechenbier (Love A, Schreng, Schreng & La La) und Gitarrist Torben Leske (Herrenmagazin) ging es um die Auflösung von vermeintlichen Dichotomien: In Würde altern vs. Jungbrunnen, Aktivismus vs. Laissez-Faire, Hunde vs. Katzen, Helmut Kohl vs. Intersektionalität, Rap vs. Punk, Leichtigkeit vs. Leistungsdruck. Schnell zeigt sich: Trixsi sind viel mehr als eine gesunde Supergroup – und sie sind gekommen um zu bleiben.
minutenmusik: Im Pressetext von euch bezeichnet ihr euch als Band der Faulenzer. Kommt euch die Corona-Zeit denn da gelegen, dass ihr als Band nicht direkt den Druck habt, Presse- und Promotermine wahrzunehmen, oder überwiegen doch die negativen Aspekte?
Jörkk Mechenbier: Tatsächlich ist es uns ganz schnell zu viel geworden, weil wir uns total schnell vermisst haben, weil wir uns ja so jung verliebt gefunden haben. Und da hat es schon schnell gefehlt, dass man zusammen proben darf oder zusammen rumfahren darf. Das war natürlich doof, wie für viele andere auch. Aber generell faulenzen: Ja!
Torben Leske: Wobei man muss dazu sagen, mit faulenzen meinen wir, dass wir nicht Tausend Konzerte im Jahr spielen wollen. Und wir hatten halt ein paar richtig coole geplant, ein paar coole Festivals und die sind jetzt alle ins Wasser gefallen, das ist natürlich richtig beschissen. Hätten wir jetzt ‘ne vierwöchige Tour gehabt, dann wär’s was anderes, da hätten wir auch keinen Bock mehr gehabt.
Jörkk Mechenbier: (zeigt Orange Blossom Special-Quietscheentchen) Auch heute geschickt bekommen, paar OBS-Emotionalien für das ausgefallene Duck-The-System-OBS.
Torben Leske: Morgen wären wir auf der Fusion gewesen. Wir wären zum Plattenrelease auf der Fusion gewesen, man kann sich vorstellen, wie das ausgeartet wäre.
Jörkk Mechenbier: Das hätten nicht alle überlebt!
Torben Leske: Danach hätten wir uns eh aufgelöst und wären vielleicht nie wiedergekommen. Das ist natürlich total ärgerlich, wenn man sowas macht. Wenn man wie wir jetzt einfach bisschen Musik machen will, Spaß haben will, dann ärgert das natürlich umso mehr. Weil unser Alltagsausgleich dann auch fehlt.
minutenmusik: Also denkt ihr das hat euren Release dann doch auch negativ beeinflusst eher?
Torben Leske: Ja, auf jeden Fall.
Jörkk Mechenbier: Ja, das schon. Wobei für uns ist ja alles Geschenk, was kommt, sag ich mal. Wir freuen uns über alles und von daher ist das auch ganz süß. Freitag werden wir mit unserem Labelboss ein Bierchen trinken gehen. Eigentlich wollten wir so einen Release-Stream im Molotow machen, aber machen wir jetzt doch nicht. Dafür machen wir am 10. so ein Sitzkonzert hier in Hamburg. Für uns läuft da alles noch ganz glimpflich.
minutenmusik: Das ist ja gut, dann ist es bei euch nicht ganz so tragisch wie bei anderen Bands. Ihr seid ja sozusagen eine Supergroup, auch wenn da jetzt vielleicht nicht ein sonderlich schönes Wort dafür ist. Wie ist das denn so, wenn ihr Songs schreibt? Wisst ihr von Anfang an, das ist jetzt ein Song, der für Trixsi gut ist oder habt ihr manchmal auch das Gefühl, das lass ich mir eher für ein anderes Projekt übrig? Wie seht ihr die Arbeit in diesem Kollektiv im Vergleich zu euren anderen Gruppen?
Torben Leske: Also bei mir ist das das erste Mal so, dass ich sozusagen Haupt-Songwriter bin. Bei Herrenmagazin habe ich die Songs eher ausgeschmückt, unser Sänger hat’s geschrieben, bis auf vier/fünf Lieder, die da von mir sind. Hier ist der Fokus jetzt eher auch auf meine Sachen. Lustig, dass du das gerade fragst, weil wir haben jetzt gerade wieder geprobt und wir spielen alle nicht mehr die alten Lieder, sondern machen gerade die zweite Platte irgendwie. (beide lachen)
Jörkk Mechenbier: Schon langweilig geworden!
Torben Leske: Bei Trixsi ist unser Vorteil, dass wir tatsächlich unheimlich viel schreiben können. Also ich hab gestern einfach so ein Riff gespielt und das fanden alle total super und sind darauf eingestiegen und dann haben wir wieder ein Lied mehr gehabt. Wir wissen schon gar nicht mehr, wohin damit, weil wir sie nie zuende spielen. Beim nächsten Mal stehen wir da wieder “Ich kann mich überhaupt nicht daran erinnern, wie das war”. Da der Kris (Kristian Kühl, ex-Findus, Anmerk. der Redaktion), unser anderer Gitarrist auch viel zu tun hat mit Aufnahmen machen, also als Produzent, hab ich gestern gesagt, lass uns das jetzt so beiseite packen, machen wir den fertig wenn der Kristian da ist. Aber ist einfach toll, wie schnell so Skizzen stehen können.
Jörkk Mechenbier: Ich bin da sowieso eher raus beim Songwriting. Also bei Schreng Schreng schreibt Lasse (Paulus, Anmerk. der Redaktion) die Sachen und ich pack die Texte drauf und bei Love A machen die Jungs die Songs und ich schreib halt da was dazu. Ich halt mich möglichst bedeckt, was das angeht.
Torben Leske: Wobei wir relativ schnell merken, wenn’s bei Jörkk flutscht. Also wenn er anfängt zu singen im Proberaum und das sofort fühlt, dann läuft das auch einfach. Und wenn er dann mit den Gedanken schnell abschweift, weiß man, okay, das war Mist.
minutenmusik: Das klingt doch nach einer produktiven Dynamik, als würde da noch einiges von euch kommen.
Beide: (nicken eifrig) Ja, auf jeden Fall!
Jörkk Mechenbier: Ich glaube, hier zählt auch diese viel beschriebene Leichtigkeit. Dass man einfach Bock hat. Keiner geht da so verkopft ran oder lässt etwas nicht raus, weil er denkt, das ist nicht cool oder so. Da macht man dann einfach und dann guckt man sich dann um und wenn die anderen lächeln, dann ist gut – und das machen sie meistens so.
Torben Leske: Wobei ich ein bisschen Druck spüre, muss ich sagen. Ich merke tatsächlich – und das ist immer so, wenn man anfängt, die zweite Platte zu machen – ich hab ein bisschen Angst, dass ich nicht nochmal so ein “Trauma” oder “Wannabe” schreiben kann. Die sind wirklich so gut und das sind solche Hits, das hätte ich nie gedacht, dass so etwas aus uns rauskommt. Da bekommt man schon so ein bisschen Bammel.
Jörkk Mechenbier: Wir haben auch gestern schon gelacht, weil das ist ja eh schon alles auf der Meta-Ebene. Wir haben das ja alle schon mal durchgemacht oder durchmachen dürfen. Und dann betrachtet man das ja irgendwie wie ein Musiker, der “Spinal Tap” guckt. Torben meinte gestern auch, als ich zum zweiten Mal gesagt hab “Ach kann man nicht an der Stelle vielleicht…?”, da meinte Torben “Dann geh ich eben nach Hause!” Dieses typische “Gestern ist uns alles in den Schoß gefallen und heute?!”
minutenmusik: Auf eurem Albumcover ist glaube ich eine Katze und keine Ente, wenn ich das richtig erkannt habe. Was denkt ihr, warum eine Katze am besten passt und nicht ein anderes Tier?
Jörkk Mechenbier: Naja, das Internet hat uns die letzten zehn Jahre gezeigt, dass nichts so gut funktioniert wie Katzen.
minutenmusik: Ah, ein Marketing-Trick also!
Jörkk Mechenbier: Genau! (lacht)
Torben Leske: (lacht) Schöne Antwort, Jörkk!
Jörkk Mechenbier: Torben soll die richtige Antwort sagen!
Torben Leske: Also die Geschichte vom Cover ist tatsächlich: Das hat ein Kind gemalt. Ein Schüler von der Frau von unserem Schlagzeuger. Das Bild hängt halt bei denen im Wohnzimmer, das ist unglaublich gut, dafür dass ein Kind das gemalt hat. Der sollte halt als Aufgabe sein Haustier malen, dann hat er da den Napf gemalt und dieses detailgetreue, das Trixis da umkringelt. So ist auch der Bandname tatsächlich entstanden. Dann haben wir das halt genommen, weil wir da total schön finden. Um ehrlich zu sein, wollten wir eigentlich Helmut Kohl nehmen. Der Ursprungsentwurf von Jörkk war: Helmut Kohl mit einer blonden Helene-Fischer-Perücke auf.
Jörkk Mechenbier: Ein Wolpertinger aus Helmut Kohl und Helene Fischer. Das wäre das deutscheste Cover aller Zeiten geworden!
minutenmusik: Aber echt! Und ihr durftet das nicht?
Torben Leske: Nee, also rechtemäßig. Das Helmut-Kohl-Bild hätten wir von der CDU beantragen müssen und hätten wir gesagt, das wir das Album “Frau Gott” nennen… Das kriegen wir nicht durch. Und einen Rechtsstreit können wir uns nicht leisten.
minutenmusik: Dann eben doch die Katze.
Torben Leske: Katzen sind großartig! Alle sagen immer, Hunde sind klüger, aber Hunde fressen sich zu Tode, Katzen sind einfach geiler. Emanzipierte Tiere.
Jörkk Mechenbier: Hunde sind Bundis und Katzen sind Zivildienstleister. (beide lachen)
minutenmusik: Das ist doch eine gute Idee fürs neue Album!
Jörkk Mechenbier: Jaja, ich schreib auch mit!
minutenmusik: Wo wir gerade schon bei dem Thema sind: Euer Album heißt ja “Frau Gott” und wie ihr schon gesagt habt, zur CDU passt das ja nicht gerade. Und im zugehörigen Song heißt es ja, dass Gott nicht nur eine Frau ist, sondern auch lesbisch und schwarz. Und auch in den Kreisen, wo ihr verkehrt, also auch in der Musikbranche haben es marginalisierte Gruppen ja sehr schwer. Habt ihr denn trotzdem das Gefühl, dass sich die letzten Jahre etwas geändert hat oder nicht? Und was denkt ihr, was ihr als weiße Männer tun könnt, vielleicht bisschen mitzuhelfen, dass es anders wird?
Jörkk Mechenbier: Ja, das hat natürlich auch damit zu tun. Das hab ich auch schon mal so gesagt, wie das Bla mit diesem “Female Fronted is not a Genre”, da ging es natürlich auch darum. Ich hab das damals beim Deutschlandfunk bei einer Buchbesprechung gehört, dass ein Mädchen meinte “Ich hab von Gott geträumt, aber sie war eine Frau”. Und die Idee fand ich ganz witzig und dachte da dann auch “Ja, warum nicht?” und im Zuge dessen hab ich dann quasi noch einen drauf gesetzt und weitere Klischees zu erwähnen. Wir haben auch Spaß an gefälligem Indierock, an catchy Sachen und so. Nur da wir alle aus so einer Blase kommen – sobald es zu gefällig, gibt’s ja Prügel von der Basis – und ich will’s ja selber nicht zu käsig haben. Aber ich mag eben diese Musik. Ich finde nur, wenn der Text dann auch noch zu gefällig oder zu platt ist, dann wird’s schwierig. Jan (Windmeier, Anmerk. der Redaktion) von Turbostaat meinte mal “Ja, klar kannst du ein Liebeslied schreiben, da muss dann aber Kotze und Pisse drin vorkommen.” Und so ähnlich versuche ich da auch zu handhaben. Also je balladesker oder je eingängiger etwas ist, desto mehr soll sich der Text davon abheben oder einen Kontrast bieten.
Torben Leske: Wobei ich glaube, dass wir als Band auch in einer Blubberblase leben. Wenn ich so unsere Freunde angucke, denke ich, es hat sich alles verbessert. Ich weiß nicht ob dir Alex (*Saskia Tsitsigias, Anm. der Redaktion) von Schrottgrenze was sagt, aber er hat ja auch die letzten Jahre seine queere Persönlichkeit entdeckt und wenn du ihn dann fragst, was er so erlebt, wenn er nach St. Pauli geht, dann ist überhaupt nichts gut. Und ich muss sagen, dass für mich da einfach keine Unterschiede sind. Auch ein Beispiel aus Corona: Ich arbeite und meine Frau auch und es ist für mich selbstverständlich, dass ich mich auch um unser Kind kümmer. Es gab keinen Vater in unserer Siedlung, der mitgemacht hat. So von wegen “Ne, wir können nicht im Home Office arbeiten”, also so gebildete Männer aus der Mittelschicht, wo kein Mann sich mal kümmert. Also im Alltag natürlich schon, wenn sie nach Hause kommen, aber das Thema Gleichberechtigung ist da nicht so präsent. Da war ja klar: Der Mann geht weiter arbeiten.
Jörkk Mechenbier: Man sagt das ja auch, weil man gerne kundtun will, wie man die Welt sieht, wie man sie gerne hätte. Aber natürlich ist das ein bisschen wie Eulen nach Athen tragen, wenn man das quasi der Community, die es verstanden hat, nochmal darbietet. Aber wir werden jetzt ja keine sexistischen, rassistischen Texte machen, nur weil das was Neues wäre. Das ist ja auch Quatsch.
minutenmusik: Aber neben so gesellschaftskritischen Texten gibt’s ja dann auch manchmal so introspektivische Themen wie zum Beispiel in “Trauma”. Und das ist ja auch eine Sache, die gerade in Corona-Zeiten mehr behandelt wurde als sonst. Wie ist das denn für euch als Band zusammen Songs zu performen? Fällt euch das leichter, da Songs über gesellschaftliche Themen zu singen wie z.B. gegen Rassismus oder ist es für euch genau so einfach, über so tabuisierte Themen wie Depressionen oder Angststörungen zu sprechen?
Jörkk Mechenbier: Also beim Darbieten, wenn es um persönliche Sachen geht oder wenn ich singe “Alle machen sich Sorgen um uns zwei” kann ich natürlich auch mal Torben oder Klaus (Hoffmann, Anm. der Redaktion) knuffen, so dass man das dann zusammenspielt. Und wenn man halt über etwas Gesellschaftskritisches spricht, würde ich das mit einem gewissen Ernst vortragen und die anderen würden wahrscheinlich ein Gesicht machen, was das Ganze unterstreicht. Innerhalb der Band gibt’s da gar keine Grenzen, weil wir natürlich auch Freunde sind. Torben wäre auch durchaus einer von den Jungs, die ich anrufen würde oder mit denen ich mich auf ein Bier treffen würde, um mich auszuheulen oder zu quatschen. Wenn wir schon immer guter Bekanntenkreis gewesen sind, sind wir uns jetzt durch die Band nochmal näher gekommen.
Torben Leske: Wobei Jörkk da auch ein offenes Buch ist. Du machst da auch keinen Hehl draus aus Konsum oder wenn’s dir schlecht geht.
Jörkk Mechenbier: Da kann ich’s ja auch rauslassen!
Torben Leske: Ja, das ist ja für uns alle auch ein Ventil. Ich hab glaube ich zwei Jahre nach Herrenmagazin keine Musik gemacht, das war auch alles schön, aber irgendwann hab ich gemerkt, ich muss mal wieder in dieses Dunkle. Für mich hat das etwas, diese Clubs und der Geruch und das Dunkle, das hat dann etwas an sich, da zieht’s mich dann immer wieder hin.
minutenmusik: Also es hilft euch dann schon, über solche Themen zu singen, es ist dann nicht so ein schreckliches Gefühl, sondern eher heilend?
Jörkk Mechenbier: Ja, therapeutisch auf jeden Fall.
minutenmusik: Im Song “Autobahn” ist es dann ja hingegen wieder ein typischeres Punk-Thema, dass es da um diese 9-to-5-Jobs geht, aber auch um so etwas wie toxische Männlichkeit. Das sind ja auch Sachen, die werden eher den Leuten zugeteilt, die wirklich Bürojobs haben und nicht so viel über alles denken und eigentlich weniger den Leuten im Musikbusiness. Aber ich frage mich, ob es auch da Sachen gibt, die euch vielleicht nerven zum Beispiel im Bezug auf toxische Männlichkeit oder so immer wiederkehrende Prozesse wie zum Beispiel die immergleichen Albumzyklen? Sind das dann Sachen, die euch genau so nerven wie 9-to-5-Jobs oder denkt ihr, das ist in dem Sektor nicht so schlimm?
Jörkk Mechenbier: Also bei uns war das tatsächlich so, das war einer der ersten Songs. Wir haben ja selber 9-to-5-Jobs, also sich jetzt über die Leute abzufucken und die jetzt als grundlegend dumm und gemein hinzustellen, wär natürlich Quatsch. Aber erstmal ist das ja so eine Art, zu meckern oder sich jemanden vorzuknöpfen, wie ich das bei Love A gemacht habe. Aber das ist jetzt auch eins der ersten Lieder, da lag das nahe, das so zu machen. Und im Nachhinein fügt sich das auch gut ein, das ist dann wieder dieses bunte Potpourri, das wir abliefern. Also ich bediene ja auch gelegentlich ein KfZ und ich gehe auch arbeiten. Trotzdem bin ich nicht damit zufrieden, dass das Gros der Gesellschaft sonst nichts vor Augen hat.
Torben Leske: Wir können uns jetzt auch nicht anmaßen, über die Musikszene zu schimpfen oder wie dort gearbeitet wird. Aber im Endeffekt wird da auch alles heißer gekocht, als es gegessen wird. Die haben auch alle ihre klassischen Abläufe: “Das muss so sein und das muss so und so sein”. Also es ist anders als ich früher gedacht hab, ich dachte damals, die Leute schreiben aus eigener Initiative heraus eine Platte, das ist natürlich nicht so. Und ich versteh auch, dass das nicht ginge. Was ich aber nicht verstehe ist, warum die Branche sich nicht mal Arbeitsrechte erkämpft oder sich reformiert. Wenn man jung ist, ist noch alles cool. Da kann man noch paar spannende Partys mitnehmen. Aber wenn man sieht, unter was für prekären Verhältnissen da gearbeitet wird und wie selbstverständlich das gesehen wird, das find ich ganz schön krass. Was haben Musiker denn bitte für Verträge?
Jörkk Mechenbier: Das ist für uns auch ein Anliegen, wir machen das zwar mit. Wir kennen das ja auch, sowohl weil wir das schonmal durchgemacht haben als Band als auch durch Arbeit beim Label, Plattenlabel, Promo-Agentur und so. Und weil wir alle Bands hatten, die das auch sich auch an diese offiziellen Sachen halten mussten, weil das halt funktioniert hat. Du willst da ja auch nicht gegen stänkern, wenn du gerade eine junge Band bist, die anfängt zu funktionieren. Und wir jetzt als Band, die keine Erwartungen hat und die keinem in den Arsch kriechen muss, wir können da auch bisschen frecher drüber lästern, während alle wissen: “Die gehören dazu, die meinen das nicht böse.” Wir haben die Möglichkeit, uns darüber lustig zu machen. Das fängt ja schon bei unserem Instagram-Channel an, wo wir absichtlich Hashtags wie #bier, #mehrbier und #nochmehrbier benutzen. Da geht’s ja nicht um Reichweite, da geht’s um Verweigerung. Das ist auch schön, mal blöde Antworten im Interview zu geben. Früher hat man sich immer so ernst genommen. Man freut sich jetzt, auch mal was Doofes zu sagen, weil es egal ist, ob man mal eine Platte weniger verkauft. Und das ist so ein Luxus, den wir haben. Wir spielen zwar mit, aber wir lassen den Herren die Peitsche spüren.
Torben Leske: Umso schöner ist es mit Glitterhouse. Wir waren gestern die einzigen, die vergessen haben, unser neues Video zu posten. Unser Labelboss schrieb dann am nächsten Tag: “Dosenbier, Trixsi, Demenz. Könnt ihr mal bitte euer Video posten?” (beide lachen)
minutenmusik: Ist natürlich echt gut, wenn man eine gewisse Größe erreicht hat, dass man nicht direkt Prügel einbezieht, wenn man mal nicht so funktioniert, wie es gewollt ist.
Jörkk Mechenbier: Ja, das ist echt ein Luxus. Ich merke das auch bei jungen befreundeten Bands, zum Beispiel bei Kilian von Karlsson. Der meint auch: “Boah, ihr könnt euch aber was leisten.” Und das geht halt nicht, wenn dich keiner kennt. Das darf man erst ab einem gewissen Rang, ab einer gewissen Kaste. Und das genießen wir jetzt.
Torben Leske: Wobei würden Leute um uns herum damit Geld verdienen, würden wir wahrscheinlich immer noch Ärger kriegen. Da muss man natürlich auch anders abliefern. Genau das wollen wir nicht mehr. Wir wollen einfach kreativ sein und Spaß damit haben.
minutenmusik: Wo ihr das auch gerade angesprochen habt, mit der ganzen Branche, die sich reformieren muss, das hängt ja auch damit zusammen, dass jetzt die ganzen Venues vor dem Aus stehen. Und auch dass jetzt so viele Musiker*innen Probleme damit haben, ihren Lebensunterhalt zu bezahlen. Das würde sich ja auch in solchen Extremsituationen auszahlen, dass es da von der gesamten Gesellschaft etwas mehr Bewusstsein dafür gibt, was die Kultur da gerade leistet.
Jörkk Mechenbier: Ja, genau. Ich glaube, rückblickend wird das auch gut sein. Klingt jetzt schlimm, aber das ist wie nach einem Krieg, da wird auch die Wirtschaft gefördert und es entsteht viel Neues. So wird das jetzt auch sein, dass da Lehren gezogen werden. Hoffentlich. Das ist wie Torben sagte mit den prekären Beschäftigungsverhältnissen, das ist natürlich so ein Problem. Wenn man irgendwann dann Eltern wird und so ein Ekel an dem Ding hast, auf das du dein ganzes Leben mit strahlenden Augen geguckt hast. Das ist ja gar nicht möglich für Menschen mittleren Alters, die Familien gründen wollen, in dieser Branche tätig zu sein. Das kann man immer nur als Praktikant, als Übergangsphase, als schlecht bezahlter Lebenskünstler. Sowas kann man eigentlich nur machen, bis man 30 ist. Da muss die Branche auch mal ein bisschen nachlegen. Aber das war ja auch früher so. Wo die Großen Millionen und Milliarden verdient haben, war das beim Indie von Anfang an nicht so. Da ist man gezwungen, schlecht zu bezahlen, um überleben zu können.
Torben Leske: Wobei der Rautenkranz (Carol von Rautenkranz, Produzent der Hamburger Schule Anm. der Redaktion) mal erzählt hat, dass es auch Zeiten gab, da wurde er mit dem Hubschrauber irgendwo hingeflogen, wenn er etwas mastern sollte. Also da war dann diese Wegwerf-Mentalität, das Geld war halt dann da und dann raus damit. Die Labels haben sich verhalten wie Götter. Was für ein Schwachsinn, für so eine kleine Indie-Produktion irgendjemanden irgendwohin zu fliegen. Da muss man sich auch nicht wundern, dass die irgendwann kein Geld mehr hatten. Das lag auch nicht nur an online, da wurde auch missgewirtschaftet. Ich weiß, es gab auch mal eine Indie-Band, ich weiß nicht mehr wie die hießen, aber die haben auch in den 90ern eine Shoegaze-Platte rausgebracht, die haben 500.000 Pfund Vorschuss gekriegt fürs Debütalbum. Das hat aber keinen interessiert, hat am Ende so 30.000 Stück verkauft, wenn überhaupt. Das Geld durften sie behalten – ist natürlich geil, hätte ich auch gern! Aber ist auch nicht verhältnismäßig.
Jörkk Mechenbier: Wobei das ist auch gerade mein Lieblingsbeispiel, ich habe letztens die Mike-Krüger-Biographie und die Udo-Lindenberg-Biographie gehört. Und Udo Lindenberg hatte vom Album vor seinem Comeback-Album nur 7.000 Platten verkauft, das ist so Love-A-Liga. Das war halt lächerlich für ihn. Wohingegen Mike Krüger von seinem Debütalbum mit dem sagenhaften Titel „Mein Gott Walter“ 21 Millionen Platten verkauft hat. Da hat der damals bei „Wetten, dass…?“ gespielt und das haben 42 Millionen Menschen gesehen und die Hälfte hat sich am nächsten Tag die Schallplatte gekauft, weil es keine andere Möglichkeit gab, die Musik zu besitzen. Und die Zeit, wo sich Tonträger so verkauft haben, war die Zeit, wo wir uns alle dachten, „Geil, ich werde Rockstar.“ Und als es dann so weit war, waren wir leider beim Status Quo, wie er heute ist.
minutenmusik: Also denkt ihr, dass es für euch als Band eher nicht so gut ist, dass Social Media so viel darüber entscheidet, wer gehört wird und wer eben nicht?
Jörkk Mechenbier: Doch, ich glaub schon, dass das wichtig ist. Da kann man Spaß dran haben oder eben auch nicht. Captain Planet sind da zum Beispiel so eine Band, die da eine klare Verweigerungshaltung an den Tag legt, die haben da einfach nicht so viel Spaß dran an dieser Selbstdarstellerei bei Facebook und co. Wohingegen wenn bei Love A auch mal ein Jahr nichts passiert, sieht man da ein Video, wie Dominik Bier aus der Hand fällt oder ich Pommes vom Boden esse, weil man einfach Spaß hat, als Idiotentruppe zu funktionieren und die Leute zu unterhalten. Das kann man so und so sehen. So ein guter Instagram-Channel ist mittlerweile wichtiger als eine gute Platte, das find ich auch befremdlich. Aber generell kann man da auch einfach Spaß haben und den Leuten auf einer anderen Plattform Unterhaltung bieten.
Torben Leske: Da würde ich auch gar nicht groß dran rummeckern. Aber wenn wir schon das Fass aufmachen: Es muss natürlich auch geklärt sein, dass Spotify, wenn die da Milliarden scheffeln, mehr den Künstlern geben. Aber das sind ganz andere Themen. Ansonsten sehe ich das auch immer als Möglichkeit.
Jörkk Mechenbier: Im Alter sieht man ja eher die Chancen als die Gefahren!
Torben Leske: Ich find’s mit Instagram schon befremdlich, aber da bin ich auch langsam raus. Also mit TikTok kann ich gar nichts anfangen, so fängt das dann an. Aber das ist okay, dass die das nutzen. So hat jede Generation so ihre Tools, die die so nutzen. Ich find halt, wenn man als alt werdender Mensch anfängt zu motzen, was die jüngere Generation macht, dann ist man auch raus.
Jörkk Mechenbier: Da merkt man das Alter wieder, ich hätte jetzt fast gesagt „Every Generation got its own Disease“, aber das wären Fury in the Slaughterhouse.
minutenmusik: Wo wir gerade schon bei Möglichkeiten sind: In „Stetig/Redlich“, aber auch in ein paar anderen Songs habe ich auch rausgehört, dass Umweltschutz ein Thema bei euch ist. Denkt ihr denn, dass ihr als recht kleine Band da etwas bewirken könnt, dass ihr euch für etwas stark macht, wie Viva Con Agua und co oder denkt ihr eher, die großen Musiklabels und Firmen müssten etwas ändern?
Jörkk Mechenbier: Ne, glaube ich nicht, will ich aber auch gar nicht. Ich will damit zum Ausdruck bringen, dass es Thema ist, dass ich mich sorge. Ich rede ja aber auch von der eigenen Unzulänglichkeit und dass man da selber schnell an seine Grenzen stößt. Ich bin jetzt auch nicht der große Öko, ich bin mir dessen aber bewusst. Ich glaube nicht, dass wir da viel dran ändern können. Den Leuten sagen, was sie machen sollen, ist da einfach nicht drin. Man kann den Leuten sagen, wie man empfindet, dann gibt es die Leute, die nicken das ab und Leute, die winken das ab. Da mache ich mir gar keine Hoffnungen. Das ist bei mir auch großes Thema, da ich so viele Menschen um mich herum habe, die das sehr viel bewusster machen als ich. Denen ich dann dabei zugucke und denke, an denen kann ich wachsen und an denen sollte ich mir ein Beispiel dran nehmen. Ob das jetzt Lasse ist von Schreng Schreng & Lala, für den ist Plastik ein ganz großes Thema oder auf dem Markt einkaufen, während ich schon froh bin, wenn ich dran denke, den Jutebeutel mitzunehmen, wenn ich zum Discounter gehe. Das ist dann auch ein zweischneidiges Schwert, diesen Zeigefinger will ich nicht, das ist eher wie so ein Rechtfertigungsmechanismus. Dass man sagt, ich bin mir dessen bewusst, aber am Ende des Tages bin ich genau so ein Schweine-Konsument wie alle anderen auch.
minutenmusik: Ich fand, das war eigentlich ein ganz erfrischender Sichtwinkel auf diese ganzen Thematiken, weil oft wird es ja auch von Leuten so von oben herab abgehandelt, so von wegen „Ihr seid die Schuldigen“.
Jörkk Mechenbier: Das ist ja wie mit dem Veganismus oder Straight Edge-Bands früher. Das ist ja wie links und rechts, wie Nazis gegen Punks, wenn man sagt, das sind die Bösen, die Fleisch essen und wir sind die Guten, die es nicht machen. Und ich denke, da ein Bewusstsein zu entwickeln, geht nie über ausschließen.
Torben Leske: Ja ich denke, was Umwelt angeht, dass jeder für sich eine Nische finden muss. Aber dass es nicht für die Massen funktioniert.
Jörkk Mechenbier: Den richtigen Weg gibt es einfach nicht, deswegen sollte man nie aufgeben, nach dem eigenen Ermessen zu versuchen, so viel es geht, richtig zu machen. Aber man darf sich selbst nicht die Hoffnung geben, den Königsweg gefunden zu haben.
Torben Leske: Trotzdem voll gut, dass die Jugend da so idealistisch dran geht. Das find ich echt beachtlich, oft sind’s ja echt die Alten, die Scheiße bauen. Wenn ich mich in der Corona-Zeit im Supermarkt umschaue, sind’s nur die alten Leute, die sich nicht an die Sachen gehalten haben.
minutenmusik: Wo wir schon über Alter sprechen: „7 oder 9“ ist ja so ein bisschen euer Peter-Pan-Song. Findet ihr denn, dass eine Band auch wie ein Jungbrunnen funktioniert? Und was sind so die Situationen und Dinge, die euch beim Musikmachen die Unbeschwertheit des Kindseins spüren lassen?
Jörkk Mechenbier: Total, ich glaube schon, dass das so ist in der Branche. Ich hatte auch ein Gespräch mit Joachim (Hiller, Anm. der Redaktion) vom Ox, der meinte „Kinder sind überhaupt kein Thema, ich hatte 70 Kinder in den letzten 20 Jahren.“ Ob das jetzt die Praktikanten als Kinderersatz sind oder dass ein Thema deiner Jugend auch jetzt noch deinen Alltag bestimmt, das hält natürlich jung. Bei uns ist das jetzt auch so, dass die Konsumenten jünger sind als die Akteure. Mein Lieblingsbeispiel ist wie wir mal mit Love A mit OK Kid gespielt haben und da standen zwei Fünfzehnjährige mit ihren Brustbeuteln vorne und haben sich bei unserer Show festgehalten, weil die halt bei OK Kid vorne sein wollten. Und die haben mich da ganze Zeit nur angeguckt und man sah es denen im Gesicht an, dass die sich dachten „Mama, was macht der alte Mann da?“ und das sind auch so Momente, wo wir uns denken „Was machen wir eigentlich hier?“ Wir gehen ja auch schon seltener oder mit einem anderen Gefühl auf Aftershowpartys, weil man da merkt, da wird man schon komisch angeguckt. Aber ich glaube schon, dass das jung hält. Man läuft nicht Gefahr, dass man in diese Alterszeitlupe verfällt. Wir dürfen das ja machen. Da gilt: Tourbus zu, Gehirn aus. Da verliert man 20 Jahre und 70 IQ-Punkte, das ist einfach erfrischend. Wir dürfen uns dann ja wieder jung fühlen und ganz viele Dinge machen, die man woanders in unserem Alter nicht mehr machen dürfte. Also: Ja ist die Antwort.
Torben Leske: Und man lernt auch immer total faszinierende junge Leute kennen. Da wo wir proben gibt es auch zwei junge Rapperinnen, die machen gerade ein Projekt mit einem Mädchen mit Down-Syndrom und die haben so eine krasse Energie.
Jörkk Mechenbier: Ja, die machen halt Musik und wir machen Musik. Die können bestenfalls etwas von unserer Erfahrung mitnehmen, aber wir können ganz viel von denen lernen. Das ist auch eine Möglichkeit, am Zahn der Zeit zu bleiben, dadurch dass man sich auf Augenhöhe austauscht. Während im Pensionärswanderverein ja keine zwei Generationen aufeinandertreffen.
minutenmusik: Denkt ihr denn, dass Bands ab einem gewissen Alter, die die Jugend so abschreiben, dann auch gleich an Relevanz verlieren und dann so ewig gestrig sind?
Jörkk Mechenbier: Ja, da darf man selbst auch nicht auf Offenheit hoffen, wenn man selbst nicht offen ist. Abgeschrieben sind die dann vielleicht nicht, die haben ja ihre Fans. Früher war das aber immer so, dass man auf die Großen hochgeguckt hat und heute ist das Gegenteil der Fall: Ich gucke da nie von oben runter, sondern bin da total dankbar. Das ist ja eine große Chance!
Torben Leske: Aber ich glaube auch, dass viele daran scheitern, so bewusst jugendlich zu bleiben. Aber dann auch so stehen bleiben. Wenn diese alten Rocker noch genauso rumlaufen wie damals.
Jörkk Mechenbier: Ja, in Würde altern ist ein Thema für uns.
Torben Leske: Man kann ja sagen, dass man das nicht fühlt, aber die Energie bewundert. Das ist auch besser als zu sagen „Woohoo, voll cool, macht doch mal einen Rap-Part für uns!“
minutenmusik: Das ist bei euch also nicht drin, da auch mal einen Rap zuzulassen?
Jörkk Mechenbier: Also wenn jemand so ein schlechtes Melodieverständnis hat wie ich, dann klingt das ja fast, als würde ich versuchen zu rappen. (lacht)
Torben Leske: Vieles, das versucht, irgendwie Rock oder Indie mit Rap zu mischen, ist gescheitert.
Jörkk Mechenbier: Genau, diese ganze Crossing-All-Over-Scheiße.
Torben Leske: Die einzigen, die das hinbekommen haben, waren Why?, ansonsten finde ich diese ganzen Kollaborationen total Panne.
Jörkk Mechenbier: Gibt aber ja auch so alte Sachen wie Gil Scott-Heron oder die Sleaford Mods, das ist zwar anders, aber ist ja auch Sprechgesang. Wir haben ja auch diesen gesprochenen Song („Menschen“, Anm. der Redaktion) und ich find die Idee total schön. Ein Text muss ja nicht immer eine Melodie haben. Wenn man die Worte ohne Melodie auf die Musik packt, ist das ja näher am Rap.
Torben Leske: Also wenn ich da zum Beispiel dieses Rap-Projekt höre, ich glaube die heißen irgendwie die Girlitas, das ist für mich wie Tic Tac Toe. Da bin ich dann doch auch eingefahren. Ich will, dass etwas schön klingt, da brauche ich keinen Rap-Part. Da bin ich dann meinem Genre verhaftet.
Jörkk Mechenbier: Wir sind da nicht so, dass wir sagen, das sollte es nicht geben. Aber wenn wir jetzt versuchen, das jetzt auch zu machen, das wäre dann wieder so ein Versuch, sich anzubiedern. Ich denke, ich spreche da auch bei Trixsi für alle, wenn ich sage: Wir sind auch eher Punks mit Instrumenten als Musiker und dementsprechend ist das alles auch im Rock verwurzelt, klar auch im Punk und Indie, aber dass wir jetzt da anfangen mit Trap und Rap oder solchen Dingen zu experimentieren, das wäre vermessen. Dafür reicht unser Überblick nicht aus. Da kann man mal einen kleinen Ausflug machen, wo wir direkt denken, dass das total progressiv ist, dabei ist das dann nur ein lächerlicher Ausflug aus unseren engen Grenzen raus. Wir wissen schon, dass wir musikalisch keinen Meilenstein setzen. Wir machen halt das, was wir kennen und mögen.
minutenmusik: So erzwungene Experimente wirken auch schnell unauthentisch, das kann auch schnell peinlich werden. Beim Video zu „Wannabe“ habe ich mich gefragt, ob es bei euch irgendein Trash-Merch-Produkt gibt, was euer Traum für Trixsi wäre?
Jörkk Mechenbier: So ein Topflappen vielleicht, so ein Küchenutensil. Der gravierte Flachmann ist ja für Love A reserviert, aber so einen Weißwein fänd ich schön. Fortuna Ehrenfeld haben ja auch immer ihren Rotwein dabei.
Torben Leske: T-Shirt!
Jörkk Mechenbier: Oder irgendwas Altherren mäßiges. So ein Schaukelstuhl wäre vielleicht etwas aufwendig…
Torben Leske: So richtig schön teure Möbel, die keiner kauft, das ist super! (beide lachen)
Jörkk Mechenbier: Oder so Körnerkissen, so Rheuma-Kissen.
minutenmusik: Als ich das Album gehört habe, habe ich das Gefühl bekommen, dass die Angst das Leitmotiv ist. Was sind denn eure Ängste als Supergroup? Ist das ähnlich oder anders als mit euren sonstigen Projekten?
Jörkk Mechenbier: Das hängt so ein bisschen zusammen. Ich spiele jetzt in einer Band mit Leuten von Findus und Herrenmagazin, das wäre sehr unrealistisch zu sagen, dass das niemanden interessiert. Deswegen wäre es leicht da zu sagen: „Ist mir scheißegal, dass das niemanden interessiert, wir machen das mehr für uns.“ Spontan würde ich sagen, wir machen das für Spaß und das Bier, aber ich glaube, wenn wir immer nur vor sieben Leuten spielen würden, dann würde sich das auch bald erledigen, dass man uns das Bier kauft. Also das eine bedingt das andere. Aber ich glaube die Angst war auch bei unseren anderen Projekten noch nie so groß wie bei super ambitionierten anderen Bands. Es wäre gelogen, zu sagen, dass einem das egal ist, ob es jemandem gefällt. Aber es war nie der Grund, damit anzufangen. Man hat das nicht zur Voraussetzung gemacht. Es gibt glaube ich Menschen, die direkt aufhören würden, wenn es nicht funktioniert und wir wären da nicht so.
Torben Leske: Ängste entstehen aber auch, wie ich vorhin sagte. Du bist unbefangen und schreibst Songs und fragst dich schnell: „Kann ich nochmal solche Songs schreiben?“ Dann freust du dich, dass Leute das mögen. Ich habe jetzt auch wieder total Lust auf Interviews, das hatte ich bei Herrenmagazin nicht mehr. Man ist da permanent im Zwiespalt.
Jörkk Mechenbier: Die Ängste sind die gleichen, aber sie sind nicht mehr so beängstigend.
minutenmusik: Wenn ihr schon sagt, dass ihr, wenn ihr einmal Bock habt, euch nicht so schnell klein machen wollt: Wie seht ihr das denn in den nächsten Jahren? Möchtet ihr, dass Trixsi genau so ein wichtiger Bestandteil ist wie eure anderen Projekte? Oder denkt ihr, ihr macht das so lange wie es eben geht?
Jörkk Mechenbier: Das hat ja jetzt schon den gleichen Stellenwert. Das ist wie wenn du drei Kinder hast, dann gibt es keins, dem du den Tod mehr wünschst. Sind natürlich andere Voraussetzungen, aber die Frage welche Band man am liebsten auflösen würde, die kann man einer Mutter nicht stellen.
Torben Leske: Schön, dass du dich als Mutter der Bands bezeichnest. (lacht) Ich fühle mich bei dir auch sehr gut aufgehoben. Ich hatte neulich ein Interview mit einem großen Herrenmagazin-Fan und die war nach dem Interview total traurig, weil sie das Gefühl hatte, ich sei mehr diese Band als Herrenmagazin. Da hab ich auch gesagt: „Nein, um Gottes Willen! Es ist nur etwas total anderes.“ Natürlich ist das frisch und jung und inspirierend, weil es keine Kompromisse gibt, jeder darf machen, was er will, wir haben kein großes Management.
Jörkk Mechenbier: Ich finde, das ist wie mit ehemaligen Bands. Am Ende wird das alles wichtig gewesen sein. Trixsi ist die logische Konsequenz aus Herrenmagazin, Findus oder Love A. Sich mit Leuten auf der gleichen Ebene zusammenzutun funktioniert ja auch nur, weil wir die vorherigen Sachen gemacht haben. Das ist alles sehr schlüssig. Ich glaube, wenn Trixsi unsere erste Band wäre, würden wir auch vieles anders machen und andere Schwerpunkte setzen.
minutenmusik: Das klingt doch so, als würde da noch einiges kommen, vielleicht ja auch eine Tour, wenn das wieder geht.
Jörkk Mechenbier: Bei uns kommt glaube ich eher ein neues Album als eine Tour. (lacht)
Torben Leske: Wir bringen einfach nur Musik raus und gehen ganz selten auf Tour. Wir wollen auch nicht so zwei Wochen auf Tour gehen, das soll schon so eine große Party bleiben. Das ist nicht möglich, wenn man drei Wochen am Stück tourt. Deswegen haben wir gesagt: Wenn dann verlängertes Wochenende, Donnerstag bis Samstag und dann fahren wir wieder nach Hause. Dann können wir authentisch bleiben.
Jörkk Mechenbier: Dann können wir wirken, als würden wir immer Party machen. (lacht)
Torben Leske: Wir machen’s ja schon gerne, aber nicht jeden Tag.
minutenmusik: Das sind ja alles Einsichten, die ihr ja auch erst gewinnen musstet.
Torben Leske: Leider ja, das kann ich mir bei Herrenmagazin einfach nicht erlauben. Wenn du da einen Saal hast mit 500 Leuten ausverkauft, dann kannst du nicht dastehen und drei Tage vorher Party gemacht haben. Das merken die Leute auch.
Jörkk Mechenbier: Man kann schon mal besoffen von der Bühne fallen, damit die Leute reden. Aber das kannst du nicht dreimal machen, dann kommt keiner mehr. Die danken dir ja auch mit ihrem Erscheinen für deinen künstlerischen Output, da will man ja auch was zurückgeben.
Torben Leske: Wenn ich das Business mäßig mache und wochenlang auf Tour bin, kann ich das nicht mehr. Dann bin ich eher ein Schausteller und liefere ab, was erwartet wird. Dann trinkt man mal einen Schnaps auf der Bühne, aber nicht, weil ich gerade ernsthaft zehn Schnäpse reinpfeifen will, sondern weil man das halt so macht. Ich will auch nicht jedes Mal von der Bühne fallen, das meine ich nicht. Aber ich suche halt das Echte. Ich merk da relativ schnell, wenn mich da jemand verarscht. „Das war das beste Konzert, das wir jemals gespielt haben.“ Ja genau, Alter.
Jörkk Mechenbier: Früher war das auch immer so, wenn man gefühlt einen schlechten Abend hatte, weil man schon zwei Tage gesoffen hatte. Irgendwann hat man aber diese Dynamik auf der Bühne und man hat Spaß zusammen. Man hat Textaussetzer, aber die Leute singen mit. Dann hat man so ein schlechtes Gewissen, kommt aber von der Bühne und merkt, wie dankbar die Leute trotzdem sind, dass man so ehrlich war. Das ist dann einfach ein schönes Gefühl.
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