Jahresrückblick 2020: Maximilian

Autor Maximilian blickt zurück: Neben Alben von Kvelertak und Touché Amoré haben ihn Songs von Sólstafir und Refused durch 2020 gebracht.

2020 neigt sich dem Ende zu und Corona hält die Welt in Atem. Aber erstmal alles auf Anfang: Eigentlich versprach 2020 ein Jahr reich an Konzerten und Festivals zu werden. Doch auf einmal wurden die Meldungen über ein neuartiges Virus, welches sich rasend schnell in Asien ausbreitet, immer häufiger. Schon bald lösten die Meldungen über Covid-19 Nachrichten über aggressive Tweets von Donald Trump und Julian Assanges anstehenden Prozess ab und dominierten die Medien-Welt. Es dauerte nicht lange, bis das Corona-Virus das Leben auf der ganzen Welt bestimmte, auch hier in Deutschland Zunächst wurden Konzerte verschoben oder abgesagt, aber dabei sollte es nicht bleiben. Weltweit stiegen nicht nur die Fall-, sondern auch die Todes-Zahlen. Um Menschenleben zu retten und Gesundheitssysteme nicht zu überlasten, kam dann der notwendige Lockdown.

Seit mehreren Monaten kämpfen nun schon die Veranstaltungs- und Kultur-Branche, wie viele andere auch, ums Überleben. Immer wieder fanden KünstlerInnen verschiedene Möglichkeiten, trotz Pandemie mit ihrem Publikum zu interagieren. Zahllose Streaming-Konzerte ereigneten sich im Sommer. Bands stellten alte Live-Aufnahmen im Internet bereit. Vereinzelt konnten sogar Events mit genug Abstand stattfinden. Wann es jedoch wieder Konzerte wie vor der Pandemie geben wird, ist nach wie vor unklar.

Aus dem Exil ins Internet

Trotz der Einschränkungen, oder vielleicht gerade aufgrund der Einschränkungen, haben in diesem Jahr eine Vielzahl an faszinierenden und innovativen Veröffentlichungen das Licht der Welt erblickt. Außerdem haben viele altbekannte Künstlerinnen und Künstler, um die es vorher ruhig geworden ist, in den Zeiten der Isolation von sich hören lassen. Beispielsweise haben sich AC/DC, die wahrscheinlich einflussreichste Rockband aller Zeiten, überraschender Weise mit einem neuen Album aus dem Exil gemeldet. Ebenfalls hat die kanadische Musiklegende Neil Young wieder von sich hören lassen: Der Musiker spielte in seinem Wohnzimmer Konzerte für das Internet.

Leider ereigneten sich neben der Corona-Pandemie noch mehr furchtbare Dinge in 2020: Der langjährige Rush-Drummer Neil Peart starb am siebten Januar an den Folgen seines Hirntumors. Wie kaum ein anderer Drummer prägte Peart das Schlagzeugspiel von Generationen an Musikerinnen und Musikern, in den verschiedensten Rock- und Metal-Genres. Mit Rush gelang es ihm immer wieder, sein Instrument und sich selbst neu zu erfinden. Peart konnte das Unspielbare spielen und wagte sich ständig in neue, unerforschte Klangwelten hinein.

Im August erschütterte der Tod von Riley Gale, Frontmann der besten Thrash-Metal-Band des 21. Jahrhunderts, die Metal- und Hardcore-Welt. Überraschend verstarb der charismatische Sänger am 25. August. Mit Power Trip brachte er verschiedene Subkulturen und Szenen zusammen. Außerdem machte er sich stehts für die stark, für die sich sonst niemand stark macht. Das Verstummen dieser wichtigen Stimme stellt einen großen Verlust für die Musik-Welt dar.

Provozieren und Inszenieren

An dieser Stelle seien nochmal zwei Veröffentlichungen genannt, die es aus verschiedenen Gründen nicht in die folgenden Listen geschafft haben: Mit „Grungetown Hooligans II“ haben Mantar eine hervorragende Cover-EP hervorgebracht, welche gekonnt die Gegenkultur der 1990er Jahre in Szene setzt. Deafheaven feierten ihren zehnten Geburtstag mit einem wunderbaren Live-Debüt. „10 Years Gone“ zeigt die Band aus Seattle von all ihren Seiten und provoziert Genre-Elitistinnen und -Elititisten.

Alben

Trotz Isolation und einer Musikbranche, die komplett auf dem Kopf steht, veröffentlichten zahllose Künstlerinnen und Künstler aufregende Werke. Oftmals haben Bands zurück zu ihren Wurzeln gefunden. Ebenso haben viele Gruppen neue Seiten an sich entdeckt. Zweifelsohne weißen unzählige Alben, welche 2020 erschienen sind, eine enorme Qualität auf, sodass es sich als schwierig erwiesen hat, zehn Favoriten heraus zu picken. Die folgenden zehn Alben haben dem Autoren dieses Textes dabei geholfen, Einsamkeit und Ungewissheit zu überstehen und fanden allem wegen ihrem emotionalen Zugang in diese Liste.

10. The Good The Bad And The Zugly – Algorithm & Blues

GBZ Algorythm And Blues

Mit „Algorithm & Blues“ haben The Good The Bad And The Zugly ein humorvolles Hardcore-Punk-Album der alten Schule hervorgebracht, das nahtlos an seinen Vorgänger anknüpft. Gekonnt verknüpft die norwegische Gruppe Hardcore, Rock‘N’Roll und eine rotzige Punk-Attitüde. Die Texte auf diesem Album bewahren sich die Selbstironie der Band, fallen oftmals aber auch ernster aus, als die der vorangegangenen Alben.

9. X Raiders – Weltschmerz ’89

X Raiders Weltschmerz 89

Die X Raiders aus den Niederlanden vermischen auf „Weltschmerz ’89“ alles was Spaß macht: Guns’N’Roses, AC/Dc und Turbonegro verschmelzen mit derben Black-Metal-Kanten und Stadion-Atmosphäre. Lyrisch behandelt das Quintett auf ihrem Ende Januar erschienenen Album den Horror des Erwachsenwerdens. Letztendlich kommen die charismatischen Herren jedoch zu der Einsicht, dass sich das Ende Adoleszenz mit Selbstironie und Spielfreude ertragen lässt. manchmal ist weniger Party eben mehr Party.

8. Karg – Traktat

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„Traktat“ ist das bereits siebte Werk des österreichischen Projekts Karg und vereint Post Black Metal mit Post Rock auf eine elegante Weise, wie es bisher nur selten gelang. Neben dem Einsatz von Streichern und Texte in österreichischer Mundart verarbeitet Kargs aktuelles Werk auch Hardcore-Elemente und erklärt Genre-Zugehörigkeiten für unnötig. Insgesamt definiert sich „Traktat“ vor allem über die Vorsilbe Post und weniger über Genre-Erwartungen.

7. All Them Witches – Nothing As The Ideal

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All Them Witches haben mit „Nothing As The Ideal“ endgültig zu sich selbst gefunden. Das aktuelle Werk der Band aus Nashville, Tennessee, stellt einen verträumten Hybriden aus Bluesrock, Retroromantik und Stoner-Attitüde dar. Immer wieder pendelt das Album dabei zwischen süßen Tagträumereien und wahnhaften Fieberträumen.

6. Hyems – Anatomie des Scheiterns

Hyems - Anatomie des Scheiterns

Black Metal aus Deutschaland kann auch im Jahr 2020 immer noch innovativ und frisch klingen, ohne dabei etwas von seiner nihilistischen Atmosphäre einbüßen zu müssen. Wie das funktioniert, zeigen Hyems mit ihrem jüngsten Werk, „Anatomie des Scheiterns“. Knappe 50 Minuten kämpft sich die hessische Band rund um Blutkehle A.E.J. durch menschliche Abgründe.

5. Phoebe Briders – Punisher

Cover von Phoebe Bridgers Zweitwerk "Punisher".

2019 fand sich in vielen Jahresendlisten Phoebe Bridgers und Conor Obersts gemeinsames Werk, welches sie unter dem Namen Better Oblivion Community Center veröffentlichten, wieder. Ein gutes Jahr später knüpft Bridgers mit ihrem zweiten Soloalbum an den Erfolg des vorangegangenen Albums mit Obersts an und weiß erneut zu begeistern. Auf 40 Minuten Albumlänge bringt „Punisher“ poppige Melodien, einfühlsame Indie-Elemente und intensive Gefühle zusammen.

4. Sólstafir – Endless Twilight Of Codependent Love

Solstafir - Endless Twilight Of Codependent Love

Zum einen haben Sólstafir mit ihrem aktuellen Werk zurück zu ihren Wurzeln gefunden. Zum anderen richtet „Endless Twilight Of Codependent Love“ den Blick nach vorne, wie kein anderes Werk der isländischen Gruppe. Das Album vereint rohe Elemente ihrer frühen Veröffentlichungen mit aufwendigen Arrangements ihrer jüngeren Platten und klingt dabei so innovativ, wie es die Gruppe noch nie tat.

3. Touché Amoré – Lament

Cover von "Touché Amoré - Lament"

Auf „Lament“ geben sich Touché Amoré so mitreißend und einfühlsam wie eh und je. Musikalisch hat die US-Amerikanische Gruppe jedoch ihre Pforten wie nie zuvor geöffnet: In „Lament“ finden psychedelische Gitarren Platz, während „Savoring“ Blastbeats unterbringt und sich die Gruppe auf „Limelight“ von ihrer berührendsten Seite zeigt.

2. …And You Will know Us By The Trail Of Dead – X: The Godless Void And Other Stories

…And You Will know Us By The Trail Of Dead – X: The Godless Void And Other Stories

Wenn eine der größten Alternative-Rock-Gruppen aller Zeiten ein neues Album hervorbringt, sind die Erwartungen hoch. …And You Will know Us By The Trail Of Dead erfüllen mit ihrem bereits zehnten Studioalbum all diese Erwartungen. 50 Minuten lang spielt sich die US-amerikanische Gruppe durch befremdliche Klangwelten, Indie-Momente, bluesige Passagen und schafft es sogar, leichte Western-Einflüsse in ihre Musik mit aufzunehmen.

1. Kvelertak- Splid

Kvelertak - Splid

Voller Neugier wurde dem praktisch zweiten Debüt der norwegischen Band entgegengefiebert. Nachdem zunächst Sänger Erlend Hjelvik ausgestiegen ist und Ivar Nikolaisen von The Good The Bad And The Zugly seine Nachfolge antrat, gab es einen weiteren Besetzungswechsel hinter dem Schlagzeug. Als „Splid“ dann im Februar das Licht der Welt erblickte, kamen sowohl Fans wie auch Band voll auf ihre Kosten. „Splid“ zeigt Kvelertak in all ihren Facetten. Darüber hinaus schafft es die Platte Indie- und Post-Punk-Elemente mit in Kvelertaks Mix aus Hardcore, Rock‘N’Roll und Black Metal aufzunehmen. Es darf gespannt in die Zukunft geschaut werden, denn die norwegischen Überflieger befinden sich erneut im Studio.

Songs

Immer wieder schafften es einzelne Songs, aus diesen tollen Alben hervorzustechen. Aber auch verschiedene Singles und EPs haben es 2020 geschafft, den Zeitgeist einzufangen. Es folgen die liebsten Stücke des Autors aus dem Jahr, welches die Welt nachhaltig verändert.

10. Refused – Organic Organic Organic (Go Fuck Yourself)

9. Michael Stipe – No Time For Love Like Now

8. Pearl Jam – Superblood Wolfmoon

7. Phoebe Bridgers – Kyotot

6. Sólstafir – Dionysus

5. Touché Amoré – Reminders

4. All Them Witches – The Children Of Coyote Women

3. …And You Will Know Us By The Trail Of Dead – Don’t Look Down

2. Angel Du$t – Turn Off The Guitar

1. Kvelertak – Crack Of Doom

Die Rechte für die Albencover liegen bei Fysisk Format, Suburban/Membran, AOP/Edel, New West/Pias/Rough Trade, Black Sunset, Dead Oceans/Cargo, Season Of Mist/Soulfood, Epitaph/Indigo, Inside Out/Sony und Rise/BMG. Die Rechte der Beitragsbildcover liegen bei Frisbee Records (Kytes), Beton Klunker Tonträger (Blond), Jkp (Antilopen Gang), Universal Music (Dua Lipa), Eklat Tonträger (K.I.Z), Bmg Rights Management (Dance Gavin Dance, Kvelertak), SO Recordings (Enter Shikari), Warner Music (Provinz, Hayley Williams), Smi Col (Bury Tomorrow), The Orchard (Hurts), No Sleep Records (Hot Mulligan), Epitaph (Touche Amore), Sony Music (Little Mix, Zugezogen Maskulin).

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