22 Konzerte an 28 Tagen. Straffes Programm. Im Frühjahr und Sommer bereits zwei andere Touren. Angelo Kelly hat sich dieses Jahr keine Verschnaufpause gegönnt. Gut so. Immerhin ist der Jüngste der Kelly Family auch ein tüchtiger Geschäftsmann und weiß genau, dass grade Arbeiten angesagt ist. So viel Erfolg und Aufregung um ihn gab es zuletzt vor über 20 Jahren. In den 90ern einer der beliebtesten Teenager, dann lange Zeit eher unbeachteter Musiker. Dazwischen fünf eigene Kinder bekommen, durch diverse Länder reisen und irgendwann auf die Idee kommen, ein Kelly Family-Comeback zu starten – womöglich die beste Idee seiner Karriere. Seit zwei Jahren reißt die erneute Manie um die musikalische Großfamilie mit irischen Wurzeln nicht ab – und wie es der Zufall so will, sind die Albumkäufe bei Angelos Soloprojekten so gut wie nie zuvor.
Dabei ist Soloprojekt nicht ganz treffend. Mit „Irish Heart“ steht seit Mai das bereits siebte Album ohne die Geschwister in den Plattenläden (lest HIER nochmal unsere Kritik). Stattdessen neben ihm an den Mikros: seine Frau Kira und seine Kinder Gabriel (17), Helen (16), Emma (12), Joseph (8) und William (3). Nach dem „Irish Summer“ folgt „Irish Christmas“. Die Show, die weihnachtliche Stimmung verbreiten soll, hält auch in der Dortmunder Westfalenhalle, dem „Wohnzimmer“ der Kellys, wie sie es selbst nennen. Doch diesmal mit einigen Extras: es ist die finale Show der Tour, es gibt gleich acht Special Guests und es ist Angelos 37ster Geburtstag. Grund genug zum Feiern.
Außergewöhnlich früh geht es am 4. Advent, knapp 24 Stunden vor dem großen Festmahl los. Um 18:01 wird im mit knapp 7500 Menschen gefüllten Saal das Licht gedämpft. Hinter einem Vorhang erstrahlt das erste Mikro und wir hören… eine Frau! Tatsächlich ist Angelo selbst nicht der Erste, der heute Abend singen darf. Stattdessen beginnt die Mutter seiner Kinder Kira und sorgt mit intimen Tönen zu „O Come All Ye Faithful“ direkt für das richtige Feeling. Zur Mitte setzt dann auch Angelo ein. Der Vorhang fällt, eine siebenköpfige Band kommt zum Vorschein und zum Ende des Openings betreten auch seine Sprösslinge die Stage.
So wie auf der Bühne verhält es sich auch vor der Bühne: Viele Familien sitzen im Publikum und genießen das Beisammensein der Generationen. Wobei „Sitzen“? Gesessen wird vielleicht zu 30%. Die restliche Zeit wird getanzt, mitgeklatscht und zum Ende auch gesprungen. Im Parkett vor der Bühne befindet sich zwischen den Reihen ein langer Gang, der von den kleinen Gästen genutzt wird, um Angelo auch mal von nah zu sehen. So tummeln sich viele Kinder direkt vor der Bühne, halten Luftballons und Fahnen nach oben. Nervig wird es, wenn auch die Erwachsenen sich vorne mit ihren Smartphones platzieren und viel zu oft die Sicht versperren. Das hat sichtlich einige verärgert. Generell ist das Publikum aber in Feierstimmung, lässt sich von den irischen Klängen mitnehmen und ist teilweise sogar aus benachbarten Ländern angereist.
Bei der Liste der Gäste auch gar nicht so verwunderlich: neben Angelos Crew sind in der ersten Hälfte Iggy Kelly (Sohn von Schwester Patricia), Gil Ofarim (90er-Teeniestar, Gewinner Let’s Dance 2017) und Marie Wegener (aktuelle DSDS-Gewinnerin) zu hören, in der zweiten gibt es Saja-Christin (Harfen-Sängerin, Undercover Boss), Joey Kelly (Ironman, Bruder von Angelo), Luke & Lilian Kelly (Kinder von Joey) und Michael Schulte (The Voice of Germany, Eurovision Song Contest 2018). Ein nettes Aufgebot. Dementsprechend bunt ist auch der Stil – ob „Whiskey In The Jar“ mit Gil, „Amazing Grace“ mit Marie oder „Süßer die Glocken nie klingen“ mit Joeys Kindern, die Show gleicht einem Überraschungsei.
Aber irgendwie erinnert vieles an das große Weihnachtskonzert der eigenen Schule. Frei nach dem Motto „Jeder darf mal & jeder gibt sein Bestes“ ist die insgesamt 140 Minuten lange Show, die durch eine 25-minütige Pause unterbrochen wird, ein bisschen zu stark Potpourri. Der 3-jährige Sohn William soll nach Aufforderung vom Papa „Kling Glöckchen“ singen, hat aber verständlicherweise auf Kommando nicht so Bock drauf. Immerhin hat das Kind durchweg Kopfhörer auf den Ohren und fehlt in der zweiten Hälfte komplett – angeblich liegt es schon schlafen. Tochter Emma scheinen die 22 Konzerte auch nicht so gut getan zu haben, nur selten schafft sie es authentisch zu lächeln. Helen und Gabriel sind mittlerweile Profi genug, um das zu überspielen. Was wenig überspielt werden kann, ist, dass nicht jeder hier auf der Bühne wirklich für die Bühne gemacht ist. Das ging bei der ursprünglichen Kelly Family noch gut – hier hingegen ist es mehr ein mitfühlendes und gerührtes „Och, guck mal, ist das niedlich“, was den Zuschauern über die Lippen geht. Natürlich hat das äußerst viel Charme, wenn die siebenköpfige Familie einen irischen Linedance aufführt oder die Mädels steppen – wirklich gut ist das aber leider nicht, muss man fairerweise sagen. Dass Sohn Gabriel auch nicht der beste Sänger ist, scheint er selbst zu wissen, sodass er nicht mal eine Hand voll Soloeinlagen erhält. Eine Kelly Family-Show ersetzt das nicht mal zu 50%.
Aber genug Genörgel! Spaß macht das Konzert trotzdem. Auf der bühnenlangen Leinwand werden irische Landschaften gezeigt und weihnachtliche Bilder projiziert, zwischendrin fällt künstlicher Schnee von der Decke und Luftschlangen werden in die Luft gefeuert. Die Gäste haben alle Lust und stimmen zum Finale „Auld Lang Syne“ gemeinsam mit ein. Die Setlist orientiert sich größtenteils an der „Irish Christmas“-Platte, wird aber durch deutsche Classics wie „Leise rieselt der Schnee“ und ein paar Highlights der aktuellen „Irish Heart“ ergänzt. Gerade die Band im Hintergrund macht einen fabelhaften Job und spielt sich die Finger wund. Mit teilweise eher selten auf deutschen Bühnen zu sehenden Instrumenten wirkt der Sound tatsächlich irisch und glaubwürdig. Ein wahrer Höhepunkt ist ein Drumbattle zwischen dem Schlagzeuger, einem Herrn an der Bodhrán und Angelo selbst. Atemberaubend schnell und präzise. Knallt richtig.
Insgesamt haben Angelo Kelly & Family in Dortmund das geschafft, was sie wollten, nämlich passend zum Fest weihnachtliche Stimmung zu verbreiten. Trotz des in Teilen zu chaotischen Publikums und dem häufig improvisiert wirkenden Programm ist die Show für Fans oder als Familienausflug sehenswert. Und nun: „Nollag Sona“ oder auf Deutsch „Fröhliche Weihnachten“!
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Foto von Christopher.
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