Seit zwei Monaten lernt Marie Ulven deutsch. Dafür sind Aussprache und Vokabular respektabel. Auch Mut kann man ihr nicht absprechen. Immerhin lauschen ihren Deutschfetzen gebannt mehrere tausend Paar Ohren. Ruhig zu kriegen ist sie trotzdem nicht. Ulven nämlich ist eine geborene Entertainerin, scheint sich nirgendwo wohler zu fühlen als hier gerade, vor 4000 Fans in der rechtsrheinischen Konzerthalle Palladium. Girl In Red nennt Ulven sich, wenn sie zu Gitarre, Klavier und Mikrofon greift. Ihre Musik ist (vor allem bei queeren Frauen) derart beliebt, dass sie morgen erneut in der zweitgrößten Halle der Domstadt spielen muss, um die Nachfrage zu bedienen.
Besonders an Ulven beziehungsweise Girl In Red ist nicht, dass sie selbst lesbisch ist. Besonders ist, dass sie ihre queere Identität eng in ihre oft leicht greifbaren, auf den ersten Blick manchmal amateurhaft aufgenommenen Songs strickt. Queere Codes entdeckt man entsprechend viele, wenn der Blick über die Menge fährt. Der Community-Gedanke verbindet. In den Pausen laufen Songs anderer queerer Musiker*innen. Man geht rücksichtsvoll und freundlich miteinander um. Sind die Regenbogensymbole vor der Bühne zahlreich, so finden diese auf der Bühne vorweg in den Songs Platz. Ulven jedenfalls scheint heute eher die Rolle der Stand Up-Unterhalterin zu fühlen.
Der wiederkehrende Gag: Ihre Deutschkenntnisse. Am Vorabend habe es zwei Getränke gebraucht, schon hätte sie gar nicht mehr aufgehört, ihre Deutschkenntnisse auf die Probe zu stellen, gar Fremde nach dem Weg gefragt. Heute sei sie nun etwas verkatert, aber habe noch nichts getrunken. Ulven spricht trotzdem unaufhörlich deutsch. Etwa wenn sie aufgeregt Songs ansagt. Oder wenn sie am Klavier sitzend das Stück “I’m Back” prompt zu “Ich bin Bach” umtauft und damit einen Running Gag ins Rollen bringt. Immer wieder wird Ulven nun behaupten sie sei der allbekannte Komponist des Barock. Fehlt ihr dafür eine Vokabel, fragt sie ihre knapp 4000 Lehrer*innen vor der Bühne.
85 Minuten dauert das Stand Up. Musik, zu der Ulven in ihrem Tweed-Anzug pausenlos über die Bühne fegt, gibt es natürlich ebenfalls. “Girls” ist eine queere Party, “dead girl in the pool” ein kollektives Spring-Workout, einige der neuen Songs leichte Stimmungs-Killer und “I wanna be your girlfriend” der energetische Abschluss samt Wall Of Death. Ein finales Resümee – das ist klar – aber, darf nicht fehlen: “Ich bin Bach, nein actually, ich bin Girl In Red”. Verwechslungsgefahr gerade noch minimiert.
Mehr Girl In Red gibt es hier.
Und so hört sich das an:
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girl in red live 2024:
18.09. – Zenith München
27.09. – Uber Eats Music Hall Berlin (ausverkauft!)
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