Wo sind eigentlich die ganzen Girlbands hin? Irgendwie scheint es ziemlich out zu sein, als ausschließlich weibliche Formation aufzutreten. Weltweit fallen einem nur ein paar ein – in Deutschland noch wesentlich weniger. Allein damit haben Laing eine Sonderstellung, obwohl ihnen der Begriff „Girlband“ wahrscheinlich so gar nicht zusagt. Trotzdem besteht das Quartett nur aus Frauen, die einige erfolgreiche Elemente der guten alten Girlband beibehalten und stets mit erfrischenden Ideen modernisieren. Ihr selbst betitelter „Electric Ladysound“ bekommt neben der groovenden Klanglandschaft auch optisch eine äußerst detailverliebte Komponente – davon durfte sich minutenmusik im Helios37 in Köln nach gut zwei Jahren Abstinenz der Band überzeugen.
Das Helios37 ist gut gefüllt, was bei der Größe geschätzt 200 Leute heißen sollte. Die Bühne verspricht Einiges, so sind neben einem Drumset und einem erhobenen Podest auch drei Mikrofonständer mit Schreibtischlampen ausgestattet – wie man es von Laing-Auftritten gewohnt ist. Die Vorband fällt heute aus. Stattdessen wird etwas verspätet um 20:20 das Licht gedimmt. Drummer Alex, der nicht zur festen Band gehört, sondern Tourmitglied und einziger Mann in der Runde ist, darf als Erster auf die Bühne, beginnt zu spielen und liefert mit catchy Beats die Grundlage für „Camera“, der letzten Single des aktuellen Albums „Fotogena“. „Fotogena“ hängt auch in grüner Nylonfarbe als Schriftzug über der Stage und stellt eins der vielen Lichtelemente dar. Nach dem Intro gibt es Johanna und Neuzugang Josefine an den äußeren Mikros, dann kommt Frontfrau Nicola singend auf die Bühne.
Es dauert nur wenige Minuten bis Laing beim zweiten Auftritt nach dem Albumrelease wieder in ihrem Element ankommen, wo sie hingehören: vor ein Publikum. Die Mädels haben sich äußerst in Schale geworfen – auch wenn es nur eine Schale ist. Ursprünglich war geplant, mehrere Male die Outfits zu wechseln, was leider nicht klappt, da genau zwei Wege zur Bühne führen: der durchs Publikum und der von draußen. Publikum suboptimal, weil viele Leute – Draußen suboptimal, weil 3 Grad. So bleiben stattdessen die weißen Jumpsuits mit langen weißen Kordeln am Körper. Auch ok, da die restlichen Showelemente genügen, um Abwechslung zu bescheren. Für jeden Song wurde sich eine Choreo ausgedacht, die größtenteils synchron funktioniert und nur selten mit kleinen Fehlern versehen ist – oftmals lacht die Band dabei aber selbst, was herrlich unperfekt wirkt. Gleiches gilt für den stets dreistimmigen Gesang, der tonal fast immer sitzt und zeigt, dass die Stimmen keinesfalls zur Nebensache verpuffen. Sopran Josefine, die gerade erst zur Albumentstehung eintrat, macht mit ihrer klaren, süßen Stimmfarbe genauso eine gute Figur wie Altstimme Johanna es tut und Nicola sorgt für gewohnt smoothe Momente. Die Bürolampen fungieren natürlich nicht nur als Gesichtsbeleuchtung der Damen, sondern auch um in passenden Momenten an- und ausgeknipst zu werden – oder wie bei „Wechselt die Beleuchtung“ das Publikum zu blenden. Obendrauf gibt es Stroboskoplicht, Regenmäntel bei „Nieselregen“ und mehrere Male coole, sportliche und sexy Tanzsolos von Marisa, die seit Anfang an statt zu singen eben tanzt, sich die Choreos ausdenkt und auch damit der Band einen besonderen Touch gibt.
Der Sound hat sich beim aktuellen Album „Fotogena“ doch ein wenig verändert. Wo vorher einige Electrotracks stark nach vorne gingen und auch mal ordentlich knallten, wird es nun wesentlich souliger und funkiger. Das hat zwar auf Platte nicht jedem gefallen (lest HIER nochmal unsere Kritik zum Album), funktioniert aber live doch besser. Das 18 Lieder umfassende Set dauert 100 Minuten, bietet fast das komplette neue Album und einige Highlights der beiden Vorgänger „Paradies Naiv“ und „Wechselt die Beleuchtung“. Besonders gut funktionieren die neuen Songs „Du bist dir nicht mehr sicher“, „Camera“ und das bereits erwähnte, aufwendig gestaltete „Nieselregen“. Ansonsten bringen „Nacht für Nacht“, „Safari“ und „Zeig deine Muskeln“ die Crowd zum Feiern und Mitsingen. Ein wenig schockierend und ärgerlich: „Morgens immer müde“, der einzige bekannte Hit fehlt! Was ist das denn? Ein wirklich komisches Gefühl zu einem Konzert einer eher unbekannteren Band zu gehen und den Song nicht zu hören, den jeder kennt – womöglich möchten sich aber Nicola und ihre Ladies eben nicht auf den einen Song reduzieren lassen und haben sich ganz bewusst dagegen entschieden.
Zwischen den Liedern gibt es ausführliche Ansagen, mehrmalige Publikumsinteraktion, zwei nur von Nicola gespielte Klaviersongs („Puzzle“, „Uhr“), als Rausschmeißer einen A-Capella-Song mit Drummer Alex als vierter Stimme und nach dem Auftritt Autogramme plus Fotos am Merch. Ein kurzweiliger und spaßmachender Abend. Ab Mitte Januar sind die Vier+Eins dann auf ausführlicher Tour quer durch Deutschland – die beiden Auftaktkonzerte in Berlin und Köln scheinen für Laing als Feuerprobe gut hergehalten zu haben.
Und so hört sich das an:
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