Wenn zurück, dann aber auch 100 Prozent: Peter Fox hat es nach fast 15 Jahren Abstinenz geschafft, sich innerhalb weniger Monate wieder auf die Bühnen, auf die Playlists und in die Ohren der deutschen Musiknation zu zocken. Als hätte man wirklich sehnlichst auf ihn gewartet. Und zugegeben, haben wir ja auch tatsächlich ein bisschen.
Selten laufen Ankündigungen dermaßen knapp ab. Unabsichtlich droppen große Festivals, dass im kommenden Sommer der Seeed-Frontmann als Headliner mit dabei sein wird, da rasten alle schon aus. Im Oktober dann die Comebacksingle, die erstmalig auch die 1 schafft. Von einem Album oder einer Tour – keine Spur. Im April gibt es dann plötzlich Tickets parallel mit der Ankündigung zur LP – und alles ist ausverkauft, ohne überhaupt das Album gehört zu haben und obwohl die Gigs dann schon in wenigen Wochen stattfinden werden. Das alles klappt nur, wenn man sich verdammt sicher ist, dass es läuft. Aber bei Peter Fox läuft’s. Ohne Einschränkung.
Dabei hat zumindest uns “Love Songs” jetzt gar nicht so geflasht, eher nur zufriedengestellt. Doch wenn Peter für eine Show ruft, dann ist es quasi egal, ob die neue Platte nun nur gut oder doch wieder phänomenal klingt, man will so oder so hin. Das dachten sich auch 3000 Fans aus Köln und Umgebung. Strenggenommen sogar noch mehr, denn selten kann man vor dem Eingang so viele “Suche Ticket”-Plakate lesen wie am 2.6. – dem Freitag, an dem “Love Songs” gerade die 1 geholt hat – an der neuen Open-Air-Location Südbrücke in Köln-Poll. Und wenn man das Treiben beobachtet, scheint kein spontaner Deal zustande zu kommen. Nachfrage mindestens doppelt so groß wie das Angebot – er hätte ohne Anstrengung auch die Lanxess vollgemacht.
17 Mal eigene Show, 12 Mal Festivals – Möglichkeiten, Peter Fox live zu sehen, gibt es zwischen Ende Mai und Anfang September viele. Darunter verdammt kleine Locations – der Kickoff war einen Tag nach der LP-Veröffentlichung im Huxleys in Berlin, da passen keine 2000 Leute rein – und riesige Anlagen – zum Beispiel die Waldbühne, ebenfalls in Berlin, allerdings mit fast 23.000 Leuten. Zweimal. Für beide Konzerte sind keinerlei Tickets mehr verfügbar. Somit dürfen sich die Kölner*innen bei der dritten Show überhaupt ziemlich exklusiv fühlen, ist es einerseits eine mit wenigen Besucher*innen, andererseits eine der ersten und on top auch noch in einer traumhaften Location.
Die Südbrücke streut trotz urbaner Umgebung wahnsinnig viel Urlaubsflair. Ein Schotterplatz, der dennoch etwas beachig daherkommt, dazu alte Container wie vom Hamburger Hafen, Kompostklos wie auf Festivals und ganz viel Sonne am Himmel. Bei perfektem Open-Air-Wetter und lauschigen 20 Grad scheint für Peter Fox und seine Fans alles zusammen zu kommen. Allerdings merkt man dem Orga-Team an, dass es sich noch um eine Art Probe handelt, hier geht nämlich doch gewaltig viel schief. Viel zu wenig Parkplatzmöglichkeiten; Probleme mit den Gästelisten; Klokabinen, in denen man durch Schlitze die Person nebenan beobachten kann; 30 Minuten Warten (!) an den Getränkeständen und schlechte bis gar keine Ausschilderung, was es denn nun wo eigentlich gibt. Das trübt ein wenig die Stimmung.
Aber wirklich nur ein wenig. Auch wenn man vom Voract Willy Will nicht ganz so viel bewusst mitbekommt, weil eben so vieles noch drunter und drüber geht, macht der mit viel guter Laune und smoothen Reggaeton-Hip-Hop-Beats den passenden Start in den Abend. So fängt man automatisch an zu tanzen, egal, wo man gerade steht oder auch auf den rangähnlichen großen Steinen an den Seiten alternativ sitzt. Denn auch hier bietet die Location echt alles, was es braucht: Von jedem Platz aus gibt es einen guten Blick. Die Bühne ist zwar nicht so riesig und auch eher sehr basic gehalten, aber genau diese nicht so übertriebene Produktion macht das Feeling aus.
Gibt es also ab 19:30 Uhr für eine halbe Stunde die ersten Beats, geht es dann um 20:30 Uhr bei vollstem Sonnenschein mit dem Typen weiter, der das dritterfolgreichste deutschsprachige Album der 2000er gemacht hat. Es braucht offensichtlich gar nicht viel Aufwand, damit Peter Fox glänzt. Mit sieben Menschen in der Band ist die zwar eher etwas größer, aber noch schöner: Sie ist divers! 2 Background-Ladies, die mal mit zwei Becken in den Händen Krach machen oder alternativ viel tanzen. Auf der anderen Seite gibt es Instrumentalist*innen unterschiedlicher Ethnien. Passt eben auch super zum Sound. Doch neben der Band erwartet einen nur noch eine ganz nette, aber nicht so auffallende Lichtshow. Ok, und zwei, drei Banner im Hintergrund. Das war’s dann aber auch schon.
Und trotzdem wird es in den darauffolgenden 88 Minuten wirklich zu keiner Sekunde langweilig. Stattdessen sorgen Atmosphäre und das sehr entspannte, respektvolle Publikum, das sich durchschnittlich wohl in seinen Mittdreißigern befindet, für mitreißendes Konzertfeeling, bei dem man einfach locker die Hüfte schwingt, manchmal die Arme nach oben wirft und bei markanten Stellen mitsingt. Ganz easy, ohne nur einmal unangenehm und unbequem zu werden. Peter Fox ist in seiner lässigen Streetwear genauso entspannt, liefert aber mit nahezu keinem Aussetzer richtig ab.
Nicht nur die Stimme, auch die Instrumentals klingen wie von Platte, werden aber fast alle auf der Bühne live reproduziert. Zwar gibt es ein paar Beats, die von einem DJ kommen, aber der ist auch sichtlich erkennbar permanent beschäftigt. Der Sound ist seitens der Technik für ein Open-Air-Gelände solide. Besonders geil sind immer die Momente, in denen für einige Takte kleine Choreographien eingestreut werden, bei denen mal vereinzelt, dann plötzlich alle Musiker*innen mitmachen. Das setzt genau die richtigen Akzente.
Musikalisch orientiert man sich erwartungsgemäß stark an “Love Songs”. Bis auf “Celebration” und dem Interlude “Dawn of the Dawn” gibt es die gesamte LP. Darunter einige Tracks, die sich schon jetzt hervorragend ins Bild integrieren. “Tuff Cookie” ist wenig überraschend einer der Highlights, der um gleich mehrere Minuten verlängert wird, weil alle grade so schön grooven. Mehrere davon gar auf der Bühne: Nach einigen Songs holt Peter einige Fans auf die Bühne, die für locker eine halbe Stunde an den Seiten mittanzen dürfen, gleichzeitig gibt es eine ganze Crew an Streetdancer*innen aus Berlin, die er oben auf einem Podest auf der Bühne mit am Start hat, die für mehrere Songs richtig gute Breaks vorbereitet haben und bei “Tuff Cookie” auch mal solo im Fokus stehen. Hat die Musik eben jenen internationalen Streetstyle, kann man sich nun beim Konzert auch vor Augen führen, wie solche Rhythmen in einigen afrikanischen Ländern die Leute in Bewegung bringen.
Doch genauso gut ist auch das eher berührend schöne “Vergessen wie” als Opener und die Optimist*innen-Hymne “Zukunft Pink”, die das reguläre Set abschließt. Aber gleichzeitig hat das “Love Songs”-Album auch ein paar Titel, die sich live als Filler herausstellen. “Kein Regen in Dubai”, “Disney” oder auch “Gegengift” sind ok, passieren aber mehr nebenbei ohne Nachwirkung. Das, was aber Köln eskalieren lässt, sind die Classics. Die von dem Mammuterfolg “Stadtaffe”. Gleich sieben Songs haben es auf die Tour geschafft, also immerhin mehr als die Hälfte des gesamten Albums. Manche davon im neuen Gewand – “Stadtaffe” und “Haus am See” würde man bis zum Einsätzen der Lyrics nicht erkennen -, eins nur in stark verkürzter Form (“Zucker”), andere so, wie man sie eben tausende Male gehört hat. “Schwarz zu Blau”, “Alles neu” und “Schüttel deinen Speck” sind die drei Nummern, bei denen das Publikum am lautesten wird und die meisten Handys in den Aufnahmemodus geschaltet werden. Bei “Haus am See”, das als letzte Zugabe dient, erzählt Fox übrigens, dass er es eigentlich nicht mehr spielen wollte, das neue Jazz-Arrangement aber so mag. Das ist so angelegt, dass die Nummer fast nur noch auf Gesang reduziert wird. Eine nette Idee, aber die vorweggegangenen fast anderthalb Stunden Powern haben den Leuten auf der Bühne hörbar etwas zu viel Energie gekostet, sodass es nicht ganz so rund und tonal richtig klingt. Ist aber verschmerzbar.
Ganz viel Positives. Peter Fox ist einfach ein super Liveact. Da muss man viel Positives zu sagen. Aber trotzdem gibt es zumindest ein paar Punkte, an denen man noch ausbessern könnte. Neben den Songs von “Stadtaffe” und “Love Songs” wird die Setlist durch drei Seeed-Songs abgerundet. Die sind aber mit “Lass sie gehn”, “Ticket” und “Hale-Bopp” ein wenig seltsam ausgewählt. Keine schlechten Lieder, aber mit Sicherheit hätten “Dickes B”, “Ding”, “Music Monks”, “Aufstehn” oder “Augenbling” noch für den ganz besonderen Kick gesorgt. Wenn schon Seeed, dann doch volle Pulle, oder? Aber ok. Zusätzlich würden zwei Livebläser*innen dem Sound den finalen Feinschliff verpassen. Hätte richtig geknallt. Nicht zuletzt ist die Spielzeit von 88 Minuten nur gerade so ok. Das liegt aber nicht an der Quantität, die mit 19 Songs absolut stimmt. Allerdings wird ein wenig gehetzt. Gönnt euch doch noch zehn Minuten Pause, die ihr mit etwas mehr Interaktion füllen könnt!
Trotzdem hat man beim dritten Peter Fox-Konzert, von dem viele wohl noch bis vor Kurzem nicht gedacht hätten, dass es das überhaupt nochmal gibt – ihn eingeschlossen – eine verdammt gute Zeit, richtig nice Vibes und tolle Musikalität auf den Ohren. Schauen wir mal, wie lange es dem 51-jährigen diesmal allein gefällt, oder ob ihm auch jetzt schon wieder das Interesse an seinem Soloprojekt zu groß wird. Denn groß ist das hier alles ohne Zweifel.
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Foto von Christopher
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