Jubiläum! Pink wird dieses Jahr 40 und feiert 20 Jahre Musikerkarriere. Seit zwei ganzen Dekaden verkauft Alicia Moore Platten ohne Ende und schafft es auch jetzt noch allein bei uns gleich zwölfmal die dicksten Hallen und Stadien auszuverkaufen – trotz musikalischem Tiefpunkt! Das vorletzte Album „Beautiful Trauma“ verkaufte sich seit 2017 mit unter 2,1 Millionen Exemplaren bis dato am schlechtesten. Selbst das Debüt „Can’t Take Me Home“, dass im Hip-Hop-Genre anzuordnen war und somit eine andere Fanschar ansprach, schaffte mehr. Über den neusten Output „Hurts 2B Human“, der seit April zu haben ist, sollte man besser gar nicht sprechen… unter 200.000 Einheiten gleichen einem Totalflop.
Das hält aber trotzdem anscheinend kaum jemanden davon ab, Tickets für die Shows zu kaufen. Dass „Hurts 2B Human“ eher überraschend kam, ist gut daran zu erkennen, dass die Tour Beautiful Trauma World Tour 2019 lautet und bereits vor dem letzten Albumrelease startete. Um aber dennoch den einen oder anderen neusten Track in petto zu haben, wurden ca. drei Songs von der ursprünglichen Setlist ausgewechselt – und zum Glück nicht mehr, gleicht der neue Longplayer auch auf der qualitativen Seite einem kleinen Debakel.
Aber genug der Meckereien vorab! Das erste Juli-Wochenende zieht dieses Jahr nicht nur Besucher des Christopher Street Days nach Köln, sondern auch eine ganze Menge ins RheinEnergieStadion zu Pink, die gleich Freitag und Samstag die Hütte voll hat. Bevor man sie allerdings zu Gesicht bekommt, dauert es eine ganze Weile. Der Einlass startet um 17h, Pink aber erst um 20:20. Für die mehr als dreistündige Phase vorher steht jedoch buntes Entertainment an.
Um 18h startet der DJ KidCutUp, der bis zum Konzertbeginn immer mal wieder auftaucht und gute Stimmung macht. Er masht sich quasi einmal durch die Musikgeschichte und spielt nur Songs, die jeder kennt. Das macht nette Partylaune.
Viel spannender noch ist die erste der insgesamt zwei Vorbands. Bang Bang Romeo sind eigentlich zu dritt, spielen aber heute live zu fünft. Das Trio aus Doncaster (UK) macht ordentlich Alarm. Die Frontfrau Anastasia wirkt auf den ersten Blick wie eine etwas schüchterne, pummelige Studentin, dreht dann aber doch gut auf. Irgendwo zwischen Beth Ditto, Kelly Clarkson und Pink gibt es sowohl echt guten Rockgesang als auch gut fetzende Beats. Das geht nach vorne, das geht ins Ohr. 25 Minuten wird gespielt, u.a. das Cover zum 4 Non Blondes-Klassiker „What’s Up“, welches erst vor Kurzem von ihnen veröffentlicht wurde. Ihr Song „Shame Of You“ darf bereits fast 300.000 Spotify-Klicks verbuchen – wir behaupten mal, dass die Klicks noch erheblich steigen werden. Da steckt Potenzial drin. Love it!
Vorband Nr. 2 hingegen nimmt dem Ganzen äußerst viel Drive. Was mit Bang Bang Romeo genau in die richtige Richtung ging und vorzüglich zu Pink passte, läuft mit Vance Joy ein bisschen schief. Der Australier sollte vom bloßen Namen her wahrscheinlich nicht jedem ein Begriff sein – sein Song „Riptide“ hingegen lief vor genau fünf Jahren auch hierzulande heiß und knackte die Top 10. Seitdem gab es zwar mehrfache Platinauszeichnungen in seiner Heimat – aber keinen Hit mehr in Good old Germany. Mit seinem recht beliebigen, wenn auch sympathischen Singer/Songwriter-Folk wird das wahrscheinlich auch jetzt nicht gelingen. 40 volle Minuten von ihm, die sich vorzüglich als Begleitmusik eignen, aber doch eher dazu auffordern, nochmal schnell das Örtliche oder den Getränkestand aufzusuchen. Tut niemandem weh, interessiert aber auch niemanden wirklich.
Warmup überstanden. Jetzt folgt nur noch Pink. Fünf Minuten nach dem Beenden der Tagesschau betritt ihre neunköpfige Band inklusive Drums, Keys, Gitarren, Bass, Streichern und zwei Background-Ladies die riesige Bühne, die neben einem langen Laufsteg, der zunächst in die Mitte und dann noch weit nach links und rechts ins Publikum reicht, auch zwei gigantische Bildschirme mit guter Qualität beinhaltet, damit auch die hintersten Reihen Pink in Groß sehen dürfen – sehr vorbildlich. Diese sind in einem goldfarbenen Herzrahmen verankert. Bit cheesy, aber ok. Dazu die übliche Leinwand im Hintergrund der Bühne und noch viele weitere Elemente, die im Laufe der Show enthüllt werden.
Gestartet wird mit einem extra schief gespielten „20 Century Fox Theme“ auf Blockflöte, währenddessen parallel die Sängerin an einem pinkfarbenen Kronleuchter hochgezogen wird. Der schwingt über der Stage hin und her und Pink klettert auf jede Ebene, springt ab, wird wieder hochgeschleudert und überzeugt innerhalb weniger Sekunden mit einem tollen Opening zu ihrem ersten Hit „Get The Party Started“. Zwischendrin sprüht ihr abgewandeltes Trapez sogar Funken. Jawoll, hier ist man genau richtig.
Gott sei Dank – die 23 Songs starke Setlist konzentriert sich nicht auf die zwei letzten Alben. Neun Titel wurden aus „Beautiful Trauma“ und „Hurts 2B Human“ ausgewählt. Außerdem spielt Pink wie bei jeder Tour ein paar ihrer Lieblingssongs von anderen Künstlern – diesmal handelt es sich dabei um das sehr rockige und mit tollem Flackerlicht ausgestattete „River“ von Bishop Briggs und offensichtlich einem wirklichen Favoriten von ihr, „Time After Time“ von Cyndi Lauper, den es auch auf der „Truth About Love“-Tour zu hören gab. Passt aber auch gut zu ihr.
Die restlichen zwölf Titel sind ein absolutes Hitfeuerwerk, bringen das Stadion zum Mitsingen und zünden auch nach Jahren immer noch. „Just Like A Pill“ bringt Emotionen und die Künstlerin weit vorne auf den Steg, die sich sichtlich darüber freut, zurück zu sein. Bei dem Duett „Just Give Me A Reason“ laufen ihre neun Tänzer in Kostümen mit Tiermasken über die Bühne und verzaubern die Stage in einen kleinen Märchenwald. Eine ihrer größten Up-Tempo-Balladen „Try“ zeigt wunderbaren Contemporary und berührt wie eh und je. Bei „Just Like Fire“ ist der Titel Programm, sodass aus der Bühne sowohl unter- als auch oberhalb mehrmals dicke Feuerwolken abgeschossen werden. Das Finale mit den Stimmungsmachern „Blow Me (One Last Kiss)“ und „Raise Your Glass“ lässt auch die letzten Zuschauer aufstehen. Das Publikum liegt schätzungsweise bei Mitte bis Ende 30 und verhält sich oftmals ein bisschen zurückhaltend, applaudiert aber immer anerkennend – zum Ende hin wird jedoch auch endlich auf den Rängen richtig getanzt. Trotzdem bleiben bei einem so großen Repertoire einige große Hits auf der Strecke. Nicht dabei: „U + Ur Hand“, „Trouble“, „Don’t Let Me Get Me“, „Sober“, „Dear Mr. President“.
Showtechnisch hat Pink sich ein wenig von ihrem Allseitsbekannten verabschiedet und stattdessen um neue Elemente aufgestockt. War man doch gerade bei früheren Touren besonders von den artistischen Nummern angetan, sind die Songs, die in schwindelerregender Höhe dargeboten werden, doch deutlich weniger geworden. Absolute Highlights sind hier neben dem bereits erwähnten Opening das atemberaubende „Secrets“, das aus einem mittelprächtigen Lied eine fesselnde Facette hervorlockt, bei der Pink und einer ihrer Tänze an Seilen hochgezogen werden und Luftakrobatik präsentieren, die bei falschen Griffen auch mal tödlich enden könnte. Hier wird voll aufs Ganze gegangen, sodass der Zuschauer keine Sekunde wegschauen mag. Gleiches gilt für die erste Zugabe „So What“ bei der die Amerikanerin in einem Ring und an Seilen durch das gesamte Stadion geschleudert wird und so plötzlich auch den sitzenden Besuchern nah kommt, auf kleinen Podesten landet und witzige Sporteinlagen wie Handstände macht. Das ist aber bereits bekannt. Neu hingegen sind die in der Zahl gestiegenen Choreographien, die Pink früher eher verabscheut hat, ihr aber eigentlich ganz gut stehen. Eine Kombination aus Hip-Hop-Streetstyle, Jazz-Dance und viel Contemporary. Obendrein explodieren mehrmals kleine Feuerwerkskörper, die für bunte Höhepunkte sorgen – und ein Konfettiregen in Rot ist selbstverständlich auch dabei. Langeweile gibt es hier wirklich nicht.
Gesanglich ist sie wie eh und je gut dabei, sorgt in den Akustikblöcken für auffallende Momente. Positiv, dass sie zwischendrin des Tanzens wegen aufhört zu singen und man dann auch wirklich nur den Background hört – es ist also live. Sehr fein. Die Band macht einen guten, aber eher nebensächlichen Job. Dafür ist viel zu viel los. Der Sound ist in Ordnung, allerdings könnte man an vielen Stellen ihr Mikrofon doch ausbessern. Bei „Just Like A Pill“ scheint sie außerdem mehr das Echo als die Band zu hören, sodass ihr Gesang gerne um eine Zählzeit verzögert kommt. Aber das hält sich alles noch voll in akzeptablen Grenzen. Zwischen den Songs gibt es einige authentische Einspieler, die sich für Menschenrechte, Akzeptanz und Toleranz einsetzen. Auch das sollte Erwähnung finden.
Insgesamt beweist Pink zum wiederholten Male, dass sie auch aus qualitativ niedrigem Songmaterial sehr viel zaubern kann und live einfach abliefert. Zwei volle Stunden Spaß, Unterhaltung, Augenblicke zum Mitsingen, Tanzen und Feiern auf fast 160 geplanten Konzerten dieser Welttour. Eine Sympathieträgerin, die es sich auch dieses Mal nicht nimmt, einige Fans persönlich zu begrüßen, sich für Geschenke zu bedanken und sogar Selfies zu machen. Glücklicherweise wird sie erst 40. Da sind ja noch einige Touren drin, die man mitnehmen sollte.
Hier bekommst du Tickets für die restlichen Gigs (unter anderem in Gelsenkirchen).*
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Bild von Christopher.
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