Sarah Connor, Rudolf Weber-Arena Oberhausen, 10.12.2023

sarah connor in oberhausen not so silent night tour

Weihnachten und Musik, it’s a match. Zu wohl keiner anderen Saison gibt es Songs, die thematisch so gebunden sind und dadurch ganz bestimmte Stimmungen hervorrufen. Sarah Connor mischt da schon lange mit. Bereits zu ihrer ersten sehr erfolgreichen Phase Mitte der 2000er gab es mit „Christmas In My Heart“, noch mehr aber mit „The Best Side Of Life“ Lieder, die für einige Wochen in Dauerschleife laufen, bis sie dann erstmal wieder elf Monate pausieren dürfen. Mit ihrem zweiten Weihnachtsalbum Not So Silent Night kam 16 Jahre später Nachschub – und nun die passende Tour.

Dabei gab es mit der LP, die letztes Jahr erschien, eine recht überraschende Entscheidung: Sarah Connor singt wieder auf Englisch. Hat sie zwar in der Sprache begonnen und eine Dekade lang darauf diverse Pop- und R’n’B-Titel zum Besten gegeben, war besonders zum Ende des 00er-Jahrzehnts die Luft raus und alles ein wenig trashy und auserzählt. Erst ein Imagewandel und vor allen Dingen das Bekenntnis zur Muttersprache holte die immer schon sehr gute Sängerin aus ihrer Höhle heraus und katapultierte sie erneut an die Spitze der deutschen Frauen. Sowohl ihr 2015 erschienenes Album „Muttersprache“ als auch der 2019-Nachfolger „Herz Kraft Werke“ lösten absolute Begeisterungsstürme aus und wirkten so wahnsinnig nahbar und glaubwürdig. Aber anscheinend fühlt sich Sarah zumindest bei Weihnachtsmusik wie eine Cosmopolitin und auf Englisch einfach wohler.

Ist auch fein, nur leider gleichzeitig nicht mehr so gut. War für uns die LP schon nur Mittelmaß, blieb für NRW die dazugehörige Weihnachtsshow im letzten Jahr in weiter Ferne – vier Gigs, alle in Berlin. Da die aber richtig gut funktionierten, geht die 43-jährige Berlinerin diesmal in elf deutschsprachige Städte, um ihre Fans in Stimmung zu bringen. Die Rudolf Weber-Arena in Oberhausen mit rund 7000 Besucher*innen und sogar Sitzplätzen im Innenraum ist am 10.12., dem zweiten Advent, der siebte Stopp auf dem Plan.

Wer bei den Shows in der Hauptstadt dabei war, bekommt 2023 eine nahezu identische Setlist. Lediglich ein Song wurde gestrichen („Have Youself A Merry Little Christmas“), dafür drei neue hinzugepackt, die sich alle auf der sogenannten „Cozy Edition“ des Albums befinden, die es seit einigen Wochen gibt. Insgesamt schaffen es 15 von 16 Titel von Not So Silent Night auf die Tour – aufgestockt wird der 145 Minuten lange Gig, der pünktlich um 20 Uhr beginnt, mit zwei Titeln ihres ersten Weihnachtsalbums sowie einigen Covern von Christmas-Evergreens plus deutschen Traditionals. Lieder, die nichts mit der Saison zu tun haben, gibt es keine.

Das ist ein wahnsinnig üppiges Programm und weit über dem üblichen Konzerte-Durchschnitt. Auch überdurchschnittlich: Eine gleich zehnköpfige Band, darunter ein Streichquartett, kreieren einen starken Livesound, der in vielen Momenten zwischen Jazz, Swing, Pop und Rock switcht. On top gibt’s vier Backgroundsinger*innen – und eine sehr gut gelaunte, redselige Sarah Connor, die zwar sichtlich etwas erkältet ist, aber zumindest in ihrer Gesangsleistung gar keine Abzüge präsentiert.

Ja, da braucht man wohl nicht mehr groß diskutieren, dass die Künstlerin nun seit über 20 Jahren zu den Top-Vocalists des Landes gehört. Das wird in der Show, die durch eine sehr schicke Bühne mit mehreren Podesten, vielen verträumten Weihnachtsvisuals und unzähligen Lichterketten in Szene gesetzt wird, immer deutlich. Ein wahnsinnig starker Moment ist ihre erste Weihnachtssingle „Christmas In My Heart“, die sie auch nach der langen Zeit immer noch ohne allzu große Anstrengung ins Mikrofon schmettert. Da sitzt alles. Auch der aktuelle Hit „Ring Out The Bells“, der absolut das Potenzial zu einem deutschen Weihnachts-Classic hat, kommt trotz einiger herausfordernden Tönen, Runs, Registerwechseln und großen Intervallen richtig super.

Allerdings ist zumindest, wenn man Sarah in ihrer deutschen Hochphase der letzten Jahre erlebt hat, ein ganz schöner Qualitätsunterschied zur gegenwärtigen Tour bemerkbar. Nicht in ihren Fähigkeiten, auch nicht in der Produktion – aber in den Songs. Zwar stechen der Coca-Cola-Track „The Best Side Of Life“ oder auch der AvrilLavigne-artige Titelsong „Not So Silent Night“ sowie das nachdenkliche „I Wonder“ als Pianoballade hervor, aber die Highlights bleiben doch in der Unterzahl. Gab es auf den Touren mit deutschsprachigem Fokus eigentlich eine starke Komposition nach der nächsten, so muss man hier wirklich zugeben, dass mindestens fünf, sechs Songs der Weihnachtsplatte einfach maximal das Gütesiegel „Ok“ bekommen und auch live streckenweise ganz schön hinter den hohen Erwartungen zurückbleiben.

Mit „Blame It On The Mistletoe“, „Christmas 2066“, „Quiet White“, „(1 2 3 4) Shots of Patron“ und „Come Home“ gibt es eben zu viele Songs, die berührungslos an einem vorbeihuschen und so gar nicht abholen. Das ist alles nett, aber wenn man weiß, was Sarah ansonsten abliefert, zu wenig. Zum Glück ist das Programm trotzdem in seinen Facetten abwechslungsreich gestaltet, sodass Alleskönner wie „All I Want For Christmas Is You“ als Cover natürlich ziehen, bei „Let It Snow“ oder „Rudolph The Red-Nosed Reindeer“ springen alle frenetisch auf und tanzen, aber das ist auch keine allzu große Kunst, immerhin sind das Songs, die auf jedem Konzert funktionieren, Interpret*in egal. Richtig gut hingegen sind die leicht improvisierten Parts im Publikum: Sarah läuft durch den Innenraum und lässt ihre Besucher*innen ins Mikrofon singen. Mal zu „Jingle Bells“, dann wiederum zu „Leise rieselt der Schnee“. Außerdem macht sie den Test, wer von „O Tannenbaum“ mehr als nur die erste Strophe kennt – gefühlt nämlich niemand. „Aber ich bekomme Ärger, wenn ich die Hymne vergeige“, witzelt sie.

Sowieso sind ihre Ansprachen und ihre Art der Kommunikation sehr warm. Sie erzählt Geschichten über ihre verstorbene Oma, über den ersten fallenden Schnee und die darauffolgende Reaktion ihrer Kinder, über Chaos, das am 24. vorprogrammiert ist und dass für sie Weihnachten zwar schön, aber oft weder still noch besinnlich ist. Somit gibt es gleich mehrfach Augenblicke zwischen den Songs, die besser unterhalten. Ist sie bekanntlich selbst mehrfache Mutter, ruft sie in einem Block die Jüngsten zu sich, um mit ihnen „In der Weihnachtsbäckerei“, „Kling Glöckchen“ und „Stille Nacht“ zu singen. Dabei gerät sie sogar in den Mama-Modus und bittet einen 12-jährigen Fan mehrmals darum, das Handy wegzupacken und einfach mal im Hier und Jetzt zu sein. Das bekommt großen Beifall. So ganz kann man es dem Mädel aber natürlich nicht verübeln, wenn sie schon so nah mal ein Foto machen kann.

Spricht die Sängerin am Anfang der Show noch davon, dass es in den zweieinhalb Stunden sämtliche Facetten von Weihnachten geben wird und alles eben „Not so silent“ abläuft, ist besonders die erste Hälfte manchmal ganz schön lahm und kitschig. Gen Ende rettet sie aber so einiges, liefert gesanglich die stärksten Performances ab und versprüht mit mehreren Titeln richtig gute Laune. Natürlich ist das alles ein wenig penibel analysiert, aber Sarah Connor gehört zu den wirklichen Top-Acts des Landes – es ist einfach nur nicht ihre beste Tour und keine, die im Vergleich zu unzähligen anderen Touren mit Weihnachtsthematik stark hervorsticht. Allzu viel verpasst man also nicht, wenn man nicht hingeht. Eher was für Hardcorefans. Für kommenden Sommer ist jedoch eine andere Show mit dem Namen „My Favorite Songs“ angekündigt – man darf gespannt sein und sich also wieder auf etwas anderes freuen.

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Foto von Christopher

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