Den Alltag mal wieder gegen die Countrystiefel tauschen – so lautete unser Plan für den 03.07.2024. Bei einer weiteren Show der beliebten Sound of Nashville Konzertreihe erwarteten uns neben zwei großartigen Country-Künstlern dann aber ausnahmsweise bloß Vans statt der Genre-typischen Cowboystiefel. Wieso die Wahl des Schuhwerks unseren Abend ganz gut zusammenfasst, versuchen wir in diesem Bericht zu erklären.
Der Star der heutigen Sound of Nashville Ausgabe in der Kölner Kantine war Dylan Gossett. Zu ihm und seinen Schuhen kommen wir später – zunächst gebührt aber Support Act Corey Harper der Applaus. Der aus St. Louis stammende Musiker begeisterte nicht nur mit seiner samtig rauen Stimme, sondern auch mit unerwarteten, bruchstückhaften Deutschkenntnissen, die er in putzigen Ansagen zum Besten gab. Im Internet als genre-fluider Alternative-Folk-Pop-Singer-Songwriter beschrieben, präsentierte Corey Harper eine Hand voll eigener Songs, darunter auch seine aktuelle Single „Honey“, sowie einige unveröffentlichte Tracks („I guess it wasn’t the wine“ und „Now I’m clean“). Zu guter Letzt streute der 29-Jährige noch einen Song des allseits beliebten Noah Kahan in die Setlist und hatte spätestens mit diesem Cover das Publikum ausreichend für den weiteren Abend aufgeheizt.
Mit einem euphorischen Yeehaw begrüßte das Kölner Publikum gegen 21 Uhr den eigentlichen Star des Abends: Dylan Gossett. Gerade einmal 25 Jahre alt und erst seit 2023 so richtig aktiv in der Country-Szene unterwegs, spielte der junge Sänger aus Texas an diesem Abend sein einziges Deutschlandkonzert – und gleichzeitig auch das große Finale seiner The Summer Between Tour. Mit einer gut gelaunten, vierköpfigen Band und eigener Akustikgitarre trat Dylan Gossett auf die Bühne. Gleich zu Beginn gab es einen seiner beliebtesten Songs („If I Had A Lover“), der von den Was-Wäre-Wenn’s der Liebe handelt. Den Spaß an der Musik merkte man dem jungen Sänger mit der Basecap direkt an, doch auch seine Liveband war von Anfang an präsent. Allen voran Multi-Instrumentalist Gray, der neben dem Banjo auch die Mundharmonika und das Keyboard bediente wirkte überaus enthusiastisch und fiel durch seine positive und ansteckende Ausstrahlung auf. Ebenfalls Teil der Band: Dylans großer Bruder Blake Gossett an der Gitarre.
Gemeinsam lieferten Dylan und seine Band rund 90 Minuten beste Unterhaltung und ein rund 16 Songs starkes Set. Musikalische Highlights des Abends bildeten hierbei gleich mehrere Songs. Die kraftvolle Mid-Tempo Ballade „Beneath The Oak Trees“ hatte Dylan Gossett nach seiner Hochzeit im vergangenen Jahr geschrieben, bei der er und seine Frau sich unter gigantischen Eichen (Oak Trees) hatten trauen lassen. Den Song „No Better Times“ widmete der Sänger seinen Eltern, die an diesem besonderen Tourabschluss sogar mit im Kölner Publikum standen. Den lautesten Moment des Abends schaffte Dylan Gossett mit einem fullminanten Cover des Country-Klassikers „The House Of The Rising Sun“, bei dem die gesamte Kantine lautstark mitsang. Egal ob weiblich, männlich oder divers, egal ob jüngere oder ältere Generation – an diesem Abend war jede Menschengruppe im Publikum vertreten. Schließlich folgte dann das große Finale und Dylan Gossett spielte seine im letzten Jahr erschienene Debütsingle „Coal“ mit den tiefsinnigen Lyrics und der wehmütigen Frage: „They say pressure makes diamonds so how the hell am I still coal?“ („Man sagt, dass unter Druck Diamanten entstehen, also wie zum Teufel kann ich noch Kohle sein?“)
Obwohl die Show als einziges Deutschlandkonzert schon seit Monaten ausverkauft war, wirkte das Publikum teilweise etwas uneuphorisch und verbrachte zumindest im vorderen Hallenbereich viel Zeit mit dem Erstellen verwackelter Handyaufnahmen. Während der Songs und vor allem während der Ansagen kam es immer mal wieder zu recht lauten Gesprächen in der Menge, was insgesamt leider einen eher unhöflichen Eindruck machte. Doch auch Dylan Gossett merkte man teilweise an, dass er erst seit 2023 aktiv im Musikbusiness unterwegs ist, denn nicht jeder Song seiner Setlist war ein bahnbrechender Hit. Durch den recht hohen Anteil an unveröffentlichten Liedern plätscherten einige Songs ohne großen Wiedererkennungswert vor sich hin und auch an seinen Ansagen könnte der junge Sänger noch ein wenig feilen und mehr zu den Hintergründen einzelner Lyrics erzählen. Aber ganz ehrlich: das alles ist Meckern auf höchstem Niveau, denn der 25-Jährige präsentierte insgesamt einen absolut runden und gut gelungenen Konzertabend.
Wie auch bei den anderen Sound of Nashville Veranstaltungen, die wir bislang besuchen durften, zeigte sich auch diesmal wieder, dass Countrymusik alle Generationen zu einem gemeinsamen Publikum vereint und ein Genre ist, das es immer wieder schafft, Menschen musikalisch zusammenzubringen – egal wie viele Songs man kennt oder wie berühmt der Künstler oder die Künstlerin ist: Countrymusik schafft eine besondere Konzertatmosphäre, die kein anderes Genre genau so hinbekommt – und dafür bedarf es nicht einmal den altbewehrten Cowboystiefeln! Dylan Gossett zeigt, dass man auch ohne Klischee mit lockerem Schuhwerk einen modernen Twist ins Genre und die Menge begeistern kann.
Und so hört sich das an:
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