Mit Bands verhält es sich manchmal wie mit alten Schulfreunden. Alle paar Jahre trifft man wieder aufeinander, zu Beginn beschnuppert man sich noch gegenseitig, ist sich unsicher, ob man noch miteinander kann. Nach dieser Gewöhnungsphase kommt man entweder zu dem Schluss, dass sich in den vergangenen Monaten und Jahren so einiges getan hat und man den Anderen – warum auch immer – einfach nicht mehr leiden kann und quält sich durch Essen oder Kaffee um die ganze Angelegenheit möglichst schnell hinter sich zu bringen oder man fällt gemeinsam in alte Muster zurück und erfreut sich den alten Zeiten, den vielen Geschichten.
Die Wombats gehören zu den ersten Indie-Rock-Bands, die man mir im Jahr 2011 aus dem Sumpf der Indie-Landschaft entgegen schmiss. Die drei Herren, die sich einst an Paul McCartneys „Liverpool Institute for Performing Arts“ kennenlernten, verblüfften mich mit ihrer gebündelten Energie, die sich selbst durch die sehr tanzbaren Indie-Pop-Hymnen zog, ihre volle Kraft jedoch in den vielen Schrammel-Parts entfaltete. Immer wieder wussten die drei Briten ihren Sound auch ausbrechen zu lassen, ohne dabei gezwungen rau zu wirken. Es folgte ein grandioser Konzertbesuch im Kölner Palladium, bei dem nicht nur die Band bewies, dass sie ihre Energie auch in die Konzerthallen tragen kann, sondern auch das Publikum voll am Start war – der Circle-Pit in der Riff-Erweiterung von „Let’s Dance To Joy Division“ gehört immer noch zu den größten, die ich jemals in der langgezogenen ehemaligen Industriehalle zu Augen bekam.
Danach entwickelten die Musiker und ich uns jedoch in komplett gegensätzliche Richtungen. Die Band legte den Fokus weniger auf Gitarren und mehr auf poppige Indie-Sommer-Smasher, mein Musikgeschmack wurde breiter, konzentrierte sich vor allem auf etwas vertracktere und unkonventionellere Musik. Ein eher enttäuschender Auftritt im März 2015 konnte hier ebenfalls nichts mehr reißen – die Wombats und ich kamen einfach nicht mehr miteinander aus. Im vergangenen Jahr veröffentlichte das Trio um Frontmann Matthew Murphy nun eine neue Platte, die mir wieder deutlich besser gefiel als der Vorgänger „Glitterbug“, mich aber immer noch nicht 100% begeistern konnte. Mir fehlte die Energie. Nun kam das Trio schon zum zweiten Mal mit dieser bereits ein knappes Jahr alten Album nach Köln – warum dem Spektakel also nicht mal einen Besuch abstatten und schauen, ob noch ein Fünkchen alte Liebe zwischen den Briten und mir herrscht?
Der schmissige Gitarrenindie der Circa Waves kam da als Aufwärmprogramm genau gelegen. Das Quartett orientiert sich ganz klar an den tanzbaren Grooves der „School of ’05“, mischt diesem Grundkonstrukt jedoch ein wenig Sommerfeeling und Alternative-Rock bei, sodass sich der Auftritt der jungen Musiker zwar wie ein freudiges Wiedersehen mit alten Bekannten anfühlt, gleichzeitig aber genug Spannung erhalten bleibt, sodass man das Gefühl hat, trotz der nostalgischen Stimmung nicht nur über die gemeinsame Vergangenheit zu sprechen. Den anderen Gästen scheinen die Engländer zum Teil auch schon bekannt zu sein – gelegentlich schnellen während der eingängigen Refrains bereits erste Hände in die Höhe. Schön.
Trotz des zwei Acts umfassenden Vorprogramms geht die Menge aber nicht 100 Prozent aufgewärmt in den Auftritt der Wombats, die die Sache mit „Cheetah Tongue“, dem Opener des aktuellen Langspielers, eh etwas langsamer angehen. Direkt danach soll mit der Indie-Hymne „Moving To New York“ dann bereits Schluss mit der Gelassenheit sein, so wirklich druckvoll kommt der Song jedoch noch nicht rüber – dafür fehlt es der Blumentelecaster von Frontmann Matthew Murphy an Zerre. Auch das restliche Publikum scheint das zu bemerken, erste Fans beginnen zwar bereits zu tanzen, die Stimmung ist aber noch nicht ganz da. Bleibt das Wiedersehen mit den Wombats also eher eins, das man schnell wieder vergisst?
Nein, wir haben ja immerhin Sonntag. Da darf es auch mal ein paar Minuten dauern, bis alle komplett am Start sind. Bereits beim darauffolgenden „Jump Into The Fog“ ist die vermisste Krachigkeit vollends da. Ich erwische mich dabei mich so langsam in dem Auftritt zu verlieren. Es folgen einige neuere Stücke, die allesamt live deutlich mehr Spaß machen als die aalglatten Aufnahmen auf dem Plattenteller. Ja, selbst das stumpfe „Emoticons“ geht klar. Bei „Lemon To A Knife Fight“ ist die Stimmung dann erstmals auf einem ihrer Höhepunkte angelangt – man das Ding macht ja echt Spaß!
Immer wieder streuen die drei Wombats, die wie Wirbelwinde über die Bühne fegen, auch Songs ihrer ersten zwei Platten ein, die das Publikum mit Handkuss annimmt. Vor allem bei „Techno Fan“ und dem Outro von „Kill The Director“ bebt der Moshpit. Auch ihren Humor scheinen die drei Briten im Laufe der Jahre nicht verloren zu haben – so bemerkt Sänger Murphy zwischen zwei Liedern, dass es durch die Hallendecke auf ihn hinabregnet, worauf Schlagzeuger Dan Haggis eine gezielte Attacke ihres Gitarrentechnikers vermutet. Später flitzen zum Überhit „Let’s Dance To Joy Division“ menschengroße Wombats – ja, die Tiere – über die Bühne. Hach. Daran, dass ich mich unterhalten fühle und sichtlich Spaß an dem 90-minütigen Auftritt habe, können auch die drei neuen Songs in der Zugabe nichts mehr ändern – die Band hat heute eine alte Freundschaft in mir wiederbelebt. Bis in acht Jahren.
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