Phänomen, Hype, Idol. Für Yungblud gelten viele Begriffe, die ansonsten gerade im Pop und noch spezieller bei Girl- und Boybands zuhause sind. Genau so groß ist auch die Skepsis von allen außerhalb des Fankreises. Dürfte Yungblud aber egal sein – der Erfolg gibt ihm schließlich recht. Auch wenn sonst noch nicht alles 100%ig sitzt.
“Wenn Yungblud es sich nicht plötzlich anders überlegt, sollte dem Briten nicht mehr viel im Wege stehen, bis sich die Hallengrößen mindestens verdoppeln.” Das prognostizierten wir vor knapp vier Jahren, als Yungblud noch in der Kölner Kantine auf der Bühne stand. Eine Pandemie und zwei Alben später waren es dann sogar knapp sechs Mal so viele Leute, die aus ganz Europa anreisten. Was sich nicht geändert hat: Die jungen Fans sind bis heute all in, tragen jeden erdenklichen Merch und bringen den Emo-Punk-Style des Sängers selbst mit. Wer den rücksichtsvollen und enthusiastischen Gesprächen im Publikum lauscht, wird nichts anderes sagen können als: Viel mehr Fanliebe geht kaum.
Energielevel einmal vorgetanzt
Und die haben natürlich nicht weniger als eine riesige Show verdient. Bevor der Held des Abends dran ist, dürfen ARXX ihre bis dato größte Show spielen. Das britische Duo bringt Ende März das Debütalbum “Ride Or Die” raus und hier muss ich eine ganz deutliche Kaufempfehlung geben. Clara und Hanni sind nicht nur ultimativ sympathisch und bringen trotz anfänglicher spürbarer Nervosität super witzige Ansagen, sondern begeistern mit ihrem queeren Garage-Rock-meets-HAIM-Sound auch noch die ganze Halle. Großartig und voller Hits.
Aber damit nicht genug: Die beiden witzeln auch noch darüber, wie groß die Armmuskeln der Yungblud-Fans sein müssten, wo sie doch so oft ihre Hände heben würden. Eine treffsichere Prognose des Abends, auf die wir noch zurückkommen. Kurz nach dem Support ist es – wer hätte das gedacht – um Punkt 21 Uhr Zeit für gedimmte Lichter und den Startschuss für Yungblud. Dazu wird ein großer Vorhang zugezogen, auf dem die Silhouette des Musikers zu sehen ist. Der wachsen zuerst Teufelshörner, dann Engelsflügel. Gut, ein wenig viel Pathos muss man heute schon aushalten können. Dann ist mit “21st Century Liability” aber auch direkt Energielevel auf der Bühne angesagt. Und das bleibt auch so bis zum Ende. Super. Oder?
Endgegner Abwechslungsreichtum
Yungblud ist ein Wirbelwind, das wird jeder Konzertbericht über ihn fraglos bestätigen. Es gibt schlicht keine Pausen – aber eben auch keine Klimax. Ob alte Hits wie “Die for the Hype” und “Anarchist” oder neue Lieblinge wie “The Funeral” und “Tissues”, die Songs funktionieren live, machen Spaß und bringen das Publikum zur Begeisterung. Hier gibt es rein gar nichts zu meckern, aber eben auch keine Überraschungen. 90 Minuten lang gibt es die volle Yungblud-Show, inklusive Songs aus allen Alben und einem MGK-Cover, gutem Sound und überwiegend gutem bis sehr gutem Gesang.
Aber: Auch ein paar Wachstumsschmerzen und Kritikpunkte sind nicht von der Hand zu weisen. Die da wären:
- Bei jedem. einzelnen. der. 17. Lieder. sagt Yungblud mindestens einmal “Put your hands in the Air”. Ich habe mitgezählt. Danke fürs Vorwarnen, ARXX. Das hätte gerne auch 13 Mal weniger sein können.
- Die Show hat bis auf den anfänglichen Teufels-Engel nur noch eine kleine, sehr atmosphärische Zwischen-Episode mit einer Dämonengeschichte und spärliches Bühnen-Equipment auf Lager. Gerade die Lichtshow ist für diese Hallengröße schlicht unterdurchschnittlich.
- Auch in Punkto Varianz geht hier einfach mehr. Die ruhigeren Stücke wie “mars” deuten den Weg schonmal an, ansonsten ist hier aber zu viel Wiederholung in Sound, Licht, Ansage. Bei 90 Minuten Spielzeit wäre hier Raum für mehr.
Und den Punkt mit den knapp 328420 Handybildschirmen, die permanent jede Sicht versperren, lassen wir mal außen vor. Da kann Yungblud nun wirklich nichts für. Dank der vielen Hits und wichtigen Ansagen rund um Queerness, Außenseiter*innentum und dem wundervollen Publikum bleibt der Eindruck trotzdem positiv. Für die nächste Tour ist aber noch Luft nach oben. Wir sehen uns wieder. Denn diese queeren Räume im Alternative-Bereich sind wichtiger als jeder objektive Kritikpunkt.
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Bild von Julia.
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