Alt-J – The Dream

Review: Radikal anders machen Alt-J auf ihrem vierten Album "The Dream" nicht. Ein gutes und vor allem erdendes Album ist es dennoch.

Das vierte Alt-J Album „The Dream“ passt nicht in die Flimmer-Bild-Welt von Instagram und Co. Vielmehr entschleunigt es als Gegenentwurf zu dem akuten „Höher, Schneller, Weiter“ – ein wenig wie eine ausgedehnte Yoga-Sitzung.

Neu erfindet sich die britische Band auf ihrem vierten Streich nicht. Sie adjustiert sich eher selbst: Die Electronica-Anleihen, die sich im Bandsound zuletzt immer weiter ausbreiteten, reduziert, die Folk-Anleihen und organischen Instrumentationen wiederum hochgefahren. Alltäglicher Indie-Folk ist das im Endeffekt trotzdem nicht. Dafür lieben Alt-J das Experiment mit dem Sound zu sehr. Der Song „Chicago“ etwa bringt hallige Gitarren mit technoiden Synth-Bass-Läufen zusammen, während die geviertelte Kick-Drum das theatralik-geleitete Geschehen dirigiert. An die ganz Großen des Art-Rock lässt derweil auch der Einstieg in das Album denken. Was in „Bane“ mit einem epochalen Choral und dem Öffnen eines blubbernden Dosensoftdrinks – auch das, ein geeignetes Bild – beginnt, mutiert fix zu Radiohead-igen Gesangsentfremdungen und souligen Laut-Leise-Grooves.

Einen Moment intimer Folkigkeit gibt es dennoch. „Get Better“ – exakt in der Mitte der Platte – wird von einer einzelnen Akustikgitarre angeführt und blickt auf eine fiktive Beziehung mit unglücklichem Ende zurück. Denn: Eine von zwei Personen – das wird deutlich – bleibt zum Schluss alleine im Leben zurück, während die andere verstirbt. Joe Newmans – so heißt der Sänger und Gitarrist des Trios – nuschelige Stimme ist dabei so nah am Ohr, man kann ihm beinahe dabei lauschen, wie er literweise Luft tief in seine Lungen zieht als würde diese ihm die nötige Kraft geben. Fast sechs Minuten dauert dieses Schauspiel, das mehr Ode an das Leben ist denn Trauerbewältigungs-Ballade.

Beseelend ist auch die eine Minute „Delta“, eine Stapelung von Gesängen. Stimme auf Stimme auf Stimme – mehr nicht. Obwohl vieles an „The Dream“ nicht derart „stripped back“ ist, so teilen sich viele der anderen Stücke mit diesen Momenten eine gewisse Unaufgeregtheit. Selbst wenn zur großen Geste ausgeholt wird – wie etwa im Bond-Soundtrack-würdigen „Philadelphia“ oder im Alt-J-typischen Indie-Smasher „Hard Drive Gold“ –, hektisch blinkende Werbeflächen, Terminstress und Playlist-Konsum als archetypische Elemente des spätkapitalistischen Lebens könnten ferner nicht liegen. Wenn man also aus dieser Welt kommt – gestresst, von geringer Aufmerksamkeitsspanne geplagt, mit tausend Dingen im Hinterkopf –, dann lässt „The Dream“ all das in den Hintergrund rücken und auch erstmal dort bleiben. Die Wogen sind geglättet – wie nach dem Yoga.

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Und so hört sich das an:

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Alt-J live 2022:

07.11. – Hamburg, Sporthalle
09.11. – Ludwigsburg, MHP Arena
10.11. – München, Zenith
23.11. – Köln, Palladium

Die Rechte für das Cover liegen bei BMG.

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