Circa Waves – Sad Happy

Cover von Circa Waves viertem Studioalbum "Sad Happy".

Im Indie fallen Konzeptalbum nicht gerade unter das etablierte Standard-Repertoire. Gerade deshalb stechen Werke, die sich für solche Stilmittel öffnen, ganz abgesehen von ihrer Musik bereits aus der Masse der Mittelmäßigkeit heraus. Die britische Band Circa Waves wagt sich mit ihrem vierten Album „Sad Happy“ – erscheint nichtmal ein Jahr nach dem Vorgänger – an diesen ambitionierten Ansatz: Die vierzehn Songs des Langspielers verteilen sich auf zwei Album-Teile, die sich im Bezug auf Stimmung und Text-Inhalt klar voneinander abgrenzen. Dabei entsteht eine bunte Reise durch sämtliche Indie-Subgenres.

Dass Circa Waves zu den ganz großen Rock-Heroen gehören möchten, stellt die Band in Interviews immer selbstbewusst heraus. Im United Kingdom gehört das Quartett schon längst zu den angesagten Indie-Sternchen. Im Sommer spielen die Briten aller Voraussicht nach – bei der Corona-Panik weiß man ja nie – bereits das zweite Mal in der knapp sieben-jährigen Bandgeschichte in der Londoner Brixton Academy. Da finden immerhin knapp 5000 Menschen Platz. Hierzulande treibt es Band und Fans konträr dazu zumeist noch in schnuckelige Clubs. Das Ziel ist dabei aber immer klar: Aus den Clubs sollen auch hierzulande Hallen werden. Der gewollte Hang zur großen Geste schlägt sich auf „Sad Happy“ deshalb auch fernab des strebsamen Konzeptes nieder.

Happy

Die ersten sieben Stücke legen den Fokus ganz getreu des durch den Obertitel vergebenen Mottos klar auf die guten Seiten des Lebens und rufen dabei zumeist nach riesigen Festivalcrowds. Schon „Jaqueline“ und „Be Your Drug“ offenbaren, welche Stimmung die erste Hälfte der Platte durchzieht: Während erstgenannter nach Strand-Party ruft und dabei unverschämt schmissig daherkommt, gibt sich letztgenannter als lässiger Indie-Rocker, der für die Live-Shows der Band gar Platz für eine kleine Wall-Of-Love lässt. Die anschließenden „Move To San Francisco“ und „Wasted On You“ tragen dahingegen ganz selbstsicher die eigenen Vorbilder auf der Brust, mit denen man in den letzten Jahren auch bereits touren durfte: Die knarzenden Gitarren lösen hier nun in Synthies getränkte Indie-Pop-Sounds ab, die mal an Two Door Cinema Club, mal an das jüngere The Wombats-Material erinnern. Ähnlich euphorisch tänzelt auch „Call Your Name“ in Richtung Dancefloor, wohingegen „The Things We Knew Last Night“ und „Love You More“ als mehr oder weniger fett ausproduzierte Akustik-Balladen kleine Tanzpausen darstellen.

Sad

So wirklich düster wird es auf der zweiten Albumhälfte dann nicht. Statt mit stark emotional aufgeladenen Instrumentals arbeiten die Circa Waves hier vermehrt mit Vibes, die Assoziationen von lichterstarken Großstädten bei Nacht und stimmungsvollem Nachtleben hervorrufen. Der Titeltrack oder „Battered & Bruised“ beispielsweise sind zwei leicht düster angehauchte, verträumte Indie-Popper, die musikalisch auf ähnliche Vorbilder setzen wie schon viele Stücke des ersten Album-Teils. „Hope There’s a Heaven“ dahingegen experimentiert später mit New-Wave Synth-Bass und 80s-Sounds und ruft damit ebenfalls eher nach Sad-Disco als Lonely-Bedroom-Chillerei. Etwas melancholischer wird es erst mit dem rein instrumentalen „Train to Lime Street“ und dem trägen Closer „Birthday Cake“. Für die restlichen Songs durchzieht der Kummer, den das zweigliedrige Konzept verspricht, vorrangig die Texte, die Sänger Kieran Shudall für die Songs der Band schreibt.

Wie tief Circa Waves ihr Konzept denken, zeigt auch das Clown-Motiv, das sich auf das Cover der Platte und in die Videos der „Sad“-Hälfte geschlichen hat. Gerade Clowns stehen als immer fröhliche Entertainer für die unbeschwerte Seite des Lebens. Dass der Schein oft trügt und hinter der Fassade oftmals auch ein niedergeschlagenes Gemüt lauert, gerät dabei häufig in Vergessenheit. Ein ähnlich fadenscheiniges Bild malt vielerlei Pop-Kultur, die zumeist einseitig von den unbeschwerten Seiten des Lebens berichtet – man lasse Ausnahmetalente wie Billie Eilish außen vor. „Sad Happy“ ist deshalb nicht nur eine durchweg unterhaltsame Platte mit einem spannenden Ansatz, sondern gleichsam ein unterschwelliges politisches Statement. Dass es dem Gesamtprodukt seiner Vielseitigkeit wegen beizeiten an Charakterstärke fehlt und die zweite Albumhälfte durchaus in ein noch deftigeres Soundbild hätte gesteckt werden können, stört deswegen nur kurz. Viel zu schnell wischen die Briten jegliche Kritik wieder bei Seite, weil ihre Songs die Zuhörer*innen nach ausgelassenem Tanz vor riesigen Festivalbühnen im heißen Sommer (Tracks 1-7) oder in verzechten Nächten (Tracks 8-14) gieren lassen. Die Ambitionen sind bei den Circa Waves schonmal vorhanden. Jetzt fehlt nur noch die Reaktion der hiesigen Indie-Szene.

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