Corona kann gehörig langweilen. Zumindest scheint dies im Hause Stone zuzutreffen. Die ackern gerade wie Bolle. Angus & Julia Stone, das kongeniale Singer-Songwriter-Geschwisterpaar aus Australien, haben vergangenen Sommer nach vier Jahren Ruhepause mit “Life Is Strange” endlich das langerwartete neue Album veröffentlicht. Vier Monate vorher droppte Julia, die gute zwei Jahre älter ist als ihr kleiner Bruder Angus, bereits ihre neue Soloplatte “Sixty Summers”, die gleich neun Jahre Reifeprozess benötigte. Nun folgt gute vier Monate nach der gemeinsamen Sache der neuste Solooutput von dem 35-jährigen männlichen Part der Beiden. Dope Lemon strikes back.
Dope Lemon? Heißt der nicht Angus Stone? Doch, tut er. Allerdings tobt sich der in Sydney geborene Musiker gerne in unterschiedlichen Bereichen aus und mag es, die unterschiedlichen Facetten auch gleich mit unterschiedlichen Künstlernamen zu präsentieren. Strenggenommen kann man also von einem “richtigen” Soloalbum unter seinem bürgerlichen Namen sprechen, was allerdings 2012 schon die Runde machte. Davor gab es erstmalig als Lady of the Sunshine einige Klangexperimente, danach nun aber zum dritten Mal Dope Lemon. Um alle völlig zu verwirren: Dope Lemon ist nicht mal wirklich ein Soloprojekt. Mit dem australischen Gitarristen Rohin Brown wurden gleich mehrere Songs entwickelt, die anfangs gemeinsam unter Dope Lemon liefen. Aushängeschild ist und bleibt aber der beliebte und bekannte Stone-Bro.
Genug Gedankenkarussell. Mit Rose Pink Cadillac liegt das dritte Studioalbum und gleichzeitig schon die vierte Veröffentlichung als Dope Lemon zum Streamen und Kaufen bereit. Es benötigt nur wenige Sekunden, um das Gefühl zu erwecken, die Platte zur falschen Jahreszeit zu hören. Extrem smoothe und groovige Klänge hauchen schon beim Titeltrack, der als Opening fungiert, ein stark sommerliches Feeling in die Öhrchen der Zuhörer*innen. Sommerplatte im Januar? Durchaus. Lebt man nämlich auf der Südhalbkugel dieser Welt, stehen momentan 27 Grad an statt 4.
Mit den passenden Sonnenstrahlen im Arm und den Windböen im Haar geht Rose Pink Cadillac mit großer Sicherheit gleich viel besser. Stolze 54 Minuten lang spielen die zehn Tracks, wovon keiner es unter die 4:20 Minuten-Marke wagt. Das ist wunderbar Anti-Spotify, Anti-Schnelllebigkeit und gibt den Instrumentals – Spoiler alert: Die stehen hier sowas von im Vordergrund – eine ordentliche Portion Raum.
Freut man sich also als Deutscher schon jetzt, die LP im Mai lockerflockig im Cabrio rauf und runter zu zocken, sei gleichzeitig aber ein “Vorsicht”-Signal mitgeliefert. Denn mit “lockerflockiges Easy-Listening” und Singer-Songwriter-Manier à la Angus & Julia Stone ist schneller vorbei als zunächst gedacht. Der große Vorteil an Soloprojekten: Man kann aus den Erwartungen, die Fans an einen stellen, ausbrechen und einfach mal was ganz anderes machen. Der Nachteil: Das muss längst nicht jedem Fan gefallen.
Denn Rose Pink Cadillac mag optisch ein wenig campy, 80s und Sunny Vanilla wirken, ist jedoch inhaltlich Funk, Blues, Indie, Country, ein Hauch Prog und eine ordentliche Ladung Psychedelic Rock. Dope Lemon pfeift dermaßen auf Konventionen und Schubladen, dass besonders zu den finalen Runden von epischer Länge die Atmo ganz klar den Gesang dominiert und nicht umgekehrt. “God’s Machete” hat Potenzial für ein Tarantino-Outro, bei “Shadows In The Moonlight” fühlt man sich fast schon wie in einem Pink–Floyd–David–Bowie-Universum. Hatten wir nicht gerade irgendwas von “lockerflockig”?
Rose Pink Cadillac ist für einen Künstler, der als Singer-Songwriter-Lagerfeuer-Alternative-Popper durch die Decke ging, super gewagt und artsy. Das ist keinesfalls schlecht, nur eben unerwartet und sogar im Vergleich zu den ersten Dope Lemon-Sachen wenig melodisch. Dennoch sind zwischenzeitlich kleine Ruhepausen wie in “Sailor’s Delight” eine angenehme Auflockerung, um dem treibenden Sound eine Prise Leichtigkeit zu verpassen. “Lovesick Brain” hat durch seine Flamencogitarren fast schon Chartscharakter, der jedoch anhand von Stimmverzerrern sofort aufgehoben wird.
Musikalisch interessant, vielschichtig im Sound, aber auch nicht so leicht konsumierbar. Angus Stone alias Dope Lemon versteht sein Nebenprojekt als Spielwiese und zieht durch. Das wird die einen sehr freuen und andere erheblich langweilen und stören. Immer noch besser als kaltlassen.
Und so hört sich das an:
https://www.youtube.com/watch?time_continue=9&v=H_M8lqAbpik
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