Am 21.7.1987 preschte ein Klanggewitter auf die Menschheit ein: Die zwei Jahre zuvor in L.A. gegründete Band Guns n‘ Roses veröffentlichte ihr Debütalbum „Appetite For Destruction“ und veränderte bis heute nachhaltig die Musikgeschichte. Mit ihrem eigenwilligen Hard Rock schuf die Gruppe, die bereits über 20 Mitglieder vorzuweisen hat, einen eigenen Sound und brachte die Jugendlichen der USA und kurz danach auch der restlichen Welt zu rebellieren. Aber auch die Band selbst ließ sich nur ungern was vorschreiben und nahm jeden Skandal mit, der irgendwie möglich war. Sämtliche Starallüren sorgten dafür, dass Eltern besorgt reagierten, Konzerte auch mal ordentlich gegen die Wand fuhren – aber die Plattenverkäufe nicht hätten besser laufen können. Mit 30 Millionen Einheiten gehört der Longplayer in die Top 30 der am häufigsten verkauften Alben aller Zeiten. Das sind Zahlen, die nur ein Album erreicht, das einen hohen Wiedererkennungswert bietet und gleichzeitig so viele Hits liefert, dass auch der mainstreamige Musikhörer Gefallen daran findet.
Mit einer Verspätung von fast einem Jahr wird nun dieses Meisterwerk der späten 80er noch einmal hart gefeiert. Zum 30+1 Geburtstag gibt es eine Wiederveröffentlichung von „Appetite For Destruction“, die voll auf die Schnauze haut. Neuauflagen stehen häufig im Fokus böser Kritiken, da meist zu wenig Unbekanntes geboten wird. Ähnlich wie bei Greatest Hits-Scheiben muss probiert werden, einem großen Publikum gerecht zu werden, sodass sowohl Fans als auch Neuentdecker zum Kauf bereit sind. Ist das gelungen? Oh ja.
Wenn die Gunners was machen, dann machen sie es ja richtig. So läuft bereits seit 2016 die Comebacktour, die zum ersten Mal Axl Rose, Duff McKagan und Slash nach 20 Jahren wieder gemeinsam auf einer Bühne präsentiert und mit 157 Konzerten auf dem guten Weg ist, sämtliche Rekorde zu sprengen. Und siehe da: Selbst nach über 30 Jahren besteht eine Setlist aus bis zu acht allseits bekannten Songs von eben jenem Debüt. Kein anderes Album wird mit mehr Tracks beachtet, nicht mal das Doppelalbum „Use Your Illusion“, das 1991 ähnliche Verkaufszahlen schaffte, aber auch 30 Lieder bereithielt. Wenn also Zweidrittel eines Longplayers auch noch nach drei Jahrzehnten genug Energie besitzt, um auf jedem Konzert geballert zu werden, darf eine Wiederveröffentlichung durchaus her und zwar im größten Stil überhaupt: gleich vier unterschiedliche Varianten werden dem Publikum geboten! Wer einen Tausender übrig hat (in Zahlen: 1000€), greift zu DEM Fanpaket überhaupt und erhält mit „Locked n‘ Loaded“ neben 4 CDs, einer Audio-Blu Ray, einem 96-seitigen Buch und 12 (!) Vinyl noch unzähligen Fan-Schnickschnack, verpackt in einer auf 10.000 Stück limitierten und durchnummerierten Lederbox. Für etwas weniger betuchte Zuhörer enthält die Super Deluxe Edition immerhin die 4 CDs, die Audio Blu-Ray und das eine oder andere Gimmick für knapp 150€. Außerdem steht für kleines Geld die 2CD-Ausgabe zur Verfügung, die das Album in remasterter Version vorlegt und auf dem zweiten Tonträger 18 ausgewählte Tracks aus allen drei Bonus-CDs bietet. Und ja, eine einzelne CD nur mit dem neugemischten Album gibt’s natürlich auch noch.
So viel zu den Hard Facts. Was ist denn jetzt inhaltlich am Start? Es kann ohne Zweifel und mit gutem Gewissen behauptet werden, dass ein jeder Musikfan das „Appetite For Destruction“ im Regal haben MUSS. Die Hitdichte ist einfach unbeschreiblich. Neben wirklich guten Songs wie „Out Ta Get Me“ und „Nightrain“, dem Ohrwurm „My Michelle“ und erotischen Lyrics in Rockbombastform bei „Rocket Queen“ sind die Meilensteine „Paradise City“, „Welcome To The Jungle“ und „Sweet Child O’Mine“ eben solche Stücke, die auch die nächsten drei Dekaden überleben werden. Die Neuabmischung klingt rund, lässt besonders die Bassgitarren mal gut klirren und gibt auch den kleinen Zwischenparts von Axl, die vorher gern überhört wurden, mal richtig Raum. Hier kann die Anlage aufgedreht werden, bis die Fenster klirren und es macht immer noch Spaß, einige Details zum ersten Mal bewusst wahrzunehmen.
Das restliche Material fährt mit unzähligen Dingen auf, die in die Resteschublade geschoben wurden, macht aber bei der Auswahl alles richtig. Der Sound ist ganz klar der „Appetite“-Ära zuzuweisen, man hört viele Parallelen zu anderen Songs des Albums. Obendrauf hat die Veröffentlichung gelungene Demos und Liveaufnahmen von quasi jedem Track des Albums mit Axl in Höchstform in petto, einige Coverversionen, die zum festen Konzertbestandteil wurden („Whole Lotta Rosie“, „Knockin‘ On Heavens Door“), ein paar Überraschungen („Mama Kin“, im Original von Aerosmith; „Heartbreak Hotel“, Elvis Presley; „Jumpin‘ Jack Flash“, Rolling Stones) und fast zwei Hand voll Akustikversionen von großen Hits, die sogar erst später auf Alben erschienen („November Rain“). Selbstverständlich gibt es das ein oder andere wirklich nur in der Bonzen-Ausgabe. Aber selbst die 2CD-Ausführung kann mit dem Best Of aus dem Bonuszeug eine nette Auswahl anbieten, auch wenn tolle, überraschende Songs wie „Used To Love Her“ fehlen, das schon eine Singleveröffentlichung wert wäre und die Kreativität der Band unter Beweis stellt. Nur von der Einzel-CD sollte eher abgeraten werden, da diese allein ein Neukauf nicht wert ist. Wir behaupten aber, dass Fans eh nur zu den anderen Ausgaben greifen werden und kaum jemand existiert, der sein Interesse an den Gunners nicht bereits vorher entdeckt hat.
Fazit: Längst überfällige, sehr gelungene und ordentlich teure Veröffentlichung, wenn auch ein Jahr zu spät. Aber besser spät als nie. Jetzt bleibt nur noch die Entscheidung, welche Ausgabe man kauft. Schaut dafür noch mal genau ins Portemonnaie.
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