Heisskalt – Idylle

Heisskalt - Idylle

Oft können kleine Fehler, Schwierigkeiten oder Änderungen unglaublich viel bewirken. Bei der mittlerweile quer durch Deutschland verteilt lebenden Post-Hardcore-Band Heisskalt löste der Austritt von Bassist Lucas Meyer im Jahr 2016 ein großes Umdenken aus. Eine Zeit lang tourte man mit Unterstützung von The Intersphere-Bassist Daniel Weber gemeinsam durch die Lande, entschied sich nun aber den Schritt zu wagen, nur noch als Trio Musik zu schreiben und spielen. „Idylle“ heißt das Ergebnis dieses Experiments, von denen es im Heisskalt-Kosmus momentan einige gibt, und stellt das erste Album der Gruppe zu dritt dar. Die Wiedergeburt einer Band.

Es wäre so einfach gewesen. Noch mehr Soundflächen, noch vertracktere Songstrukturen, noch mehr Melancholie und schon hätte man alle Erwartungen an einen Nachfolger des Post-Hardcore-Ungetüms „Vom Wissen und Wollen“ erfüllt. Heisskalt sind aber nicht einfach. Das war die Band noch nie und wird sie auch nie sein. Deshalb bricht man komplett mit den an sich gestellten Erwartungen, denkt einige Schritte zurück und setzt sich im Songwriting vor allem die Aufgabe, Stücke zu schreiben, zu denen man tanzen kann – egal wie. So hält „Idylle“ für den Hörer neun neue Songs bereit, die oft mantraeske Züge aufweisen, von Wiederholungen instrumentaler Parts leben und sich eben nicht, wie der Großteil des „Vom Wissen und Wollen“-Materials, minutenlang aufbauen um dann zum Schluss hin auszubrechen.

Genau aus diesen Elementen entstehen Stücke, wie der von gleich zwei Bässen dominierte Titeltrack, in dem man gänzlichst auf E-Gitarren verzichtet und somit komplett die neue Trio-Besetzung auslebt. Manchmal muss nach dem großen Knall eben auch mal minimalistisch gedacht werden. Auch der melancholisch, ruhige Closer „Herbstlied“ setzt hier an, besteht vor allem aus einigen wenigen sich immer wiederholenden Akkordfolgen, über die nach einigen Minuten zwei kurze Strophen gelegt werden. Musste man auf dem Vorgänger schon ab und an an Brand New denken, so sind es genau solche sehr einfach, aber effizient gehaltenen Momente, die an die amerikanische Band erinnern.

Greift man im Bezug auf die Instrumente diesmal vor allem auf wenige, simple Akkordfolgen zurück, so verzichtet der Gesang ebenfalls auf eingängige Parts. Klar, einige wenige Mitsing-Refrains gibt es noch immer, diese werden jedoch, wie im hymnischen „Wie Sterne“, oft nur ein einziges Mal komplett dargeboten. Wer sich auf Melodiesuche begibt, wird auf „Idylle“ dennoch viele tolle Zeilen finden, die zwar einige Durchgänge brauchen, dann aber gar nicht mehr aus den Gehörgängen verschwinden wollen.

War „Von Wissen Und Wollen“ das „[I]mplodieren im Rausch“ („Absorber“), so ist „Idylle“ nun das „Lachen durch die trockenen Tränen“ („Wie Sterne“). Die Traurigkeit, die Sänger Mathias Bloech durch sein Leben geleitet, findet man natürlich noch immer. Diese liegt diesmal nur vor allem zwischen den Zeilen. Wagten Heisskalt in der Vergangenheit häufig den Blick nach innen, so richtet sich dieser nun eher auf unsere Gesellschaft. Ein Paradebeispiel hierfür ist das sich bis zum Höhepunkt immer weiter steigernde „Wiederhaben“.

Als genauso unkonventionell, wie die Platte letzten Endes auch klingt, stellt sich auch deren Veröffentlichungsstrategie heraus. Ganz in Eigenregie bot die Band ihr drittes Album Mitte der letzten Woche zum kostenlosen Download auf ihrer Website an. Kein Vertrieb, kein Label nahm man sich zur Unterstützung. Auch hier zeigt sich das Trio experimentierfreudig. Viel hat sich in den letzten zwei Jahren für Heisskalt gewandelt. Das spiegelt sich auch in der neuen Musik der Band wieder. Man arrangiert sich musikalisch simpler, setzt sich textlich einen anderen Fokus und versucht aus seiner Komfortzone herauszutreten, indem man sich bewusst neuen Situationen aussetzt. Das, was aus diesem Prozess entsteht, nennt sich „Idylle“, braucht Zeit und Ruhe um sich in seiner Gänze zu entfalten und mag überraschen, verwirren, begeistern. Hoch lebe der Wandel.

Das Album kannst du dir hier kostenlos downloaden.

Und so hört sich das an:

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Heisskalt live 2018:

31.05. – Bochum, Zeche
01.06. – Reutlingen, Franz K
02.06. – Rock Am Ring
03.06. – Rock Im Park
08.-09.06. – Ab Geht Die Lutzi Festival
06.-07.07. – Happiness Festival
19.-22.07. – Deichbrand Festival
27.-29.07. – Eier Mit Speck Festival
27.-29.07. – Trebur Open Air
18.10. – Solothurn, Kofmehl (CH)
19.10. – St. Gallen, Grabenhalle (CH)
20.10. – Zürich, Bogen (CH)
30.11. – Bremen, Schlachthof
01.12. – Münster, Sputnikhalle
02.12. – Erlangen, E-Werk
05.12. – Essen, Weststadthalle
06.12. – Kiel, Die Pumpe
07.12. – Jena, Kassablanca Gleis 1
08.12. – Marburg, KFZ
09.12. – Dresden, Beatpol
11.12. – München, Backstag
12.12. – Bielefeld, Forum
13.12. – Hannover, Musikzentrum
14.12. – Freiburg, Jazzhaus
21.12. – Stuttgart, LKA Longhorn

Heisskalt live 2019:

14.02. – Leipzig, Werk2 (Tickets)
15.02. – Frankfurt, Sankt Peter (Tickets)
16.02. – Köln, Live Music Hall (Tickets)

Die Rechte für das Albumcover liegen bei Heisskalt.

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