Herbert Grönemeyer – Das ist los

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„Ach, den mag ich ganz gern. Nur hören möchte ich ihn nicht“. Diesen Kommentar hörte ich erst neulich wieder über Herbert Grönemeyer. Und er sagt so wahnsinnig viel aus. Fast 67 Jahre lang tingelt der markante Künstler bereits auf diesem Planeten herum, mehr als Zweidrittel davon macht er mit Musik auf sich aufmerksam. Zu der hat man immer eine Meinung. Die fällt nicht immer, aber oftmals positiv aus – die Meinung zu seinem öffentlichen Auftreten ist hingegen wohl durchweg auf der Plusseite.

Er ist einfach Grönemeyer. Politisch engagiert, belesen, unverkennbar, unverwechselbar, immer in Bewegung, immer von Relevanz. Niemand sonst füllt Arenen mit so viel Leichtigkeit und Präsenz, niemand sonst landet mit so einer Selbstverständlichkeit vier Dekaden lang mit jeder großen Albumveröffentlichung an der Chartspitze. Rund viereinhalb Jahre nach seinem etwas sehr verstrickten und wenig innovativen letzten Werk „Tumult“ liefert der Sänger seine neuste LP. Album Nr. 17 schimpft sich Das ist los, hält also die Gegenwart, den Status Quo fest – und klingt gleichzeitig nach einem Rundumschlag des gesamten Schaffens.

Grönemeyer schafft es trotz seines vergleichsweise hohem Alters nie altbacken, zu altklug oder gar peinlich zu wirken. Eigentlich hat jede Veröffentlichung stets etwas Zeitloses, weil er sich zwar auch mal an etwas ungewöhnliche Klänge wagt – diesmal zählt dazu wohl der Titelsong „Das ist los“ – gleichzeitig aber im Kern eindeutig Storyteller bleibt. Und tatsächlich zählt Das ist los mit seinen 13 Tracks zu dem besten Output seit mindestens 10, vielleicht sogar 20 Jahren. Es ist nämlich NDW, Deutsch-Pop, ein Hauch EDM, viel Piano und Zwischenmenschlichkeit. Ein Match.

Wahnsinnig treffend ist das mittig platzierte Herzstück „Der Schlüssel“, das sich in die absolute Top-Riege großer Grönemeyer-Hits platzieren darf. Hat etwas von „Land unter“, hat etwas von „Demo“ und ist dank seinen wahnsinnig schön gemalten Bildern wie „Solang der Kopf auf den Schultern thront, sich für jedes Kind jeder Funke Hoffnung lohnt“ ein Pfeil direkt ins Mark. Direkt im Anschluss zieht der 80s-New-Wave-Stomper „Angstfrei“ ganz andere, aber keinen Hauch schlechtere Register. Ist das eine B-Seite aus der „Bochum“-Ära? Völlig egal, es ist ein wahrer Diamant, den man lang in seinem Schaffen der letzten Jahre suchen musste.

Natürlich wirkt es immer ein wenig sehr dramatisch und sehr groß, wenn zu einem Dance-Beat merkwürdige Erscheinungen der Neuzeit aufgezählt werden („Das ist los“), aber wenn das einer darf, dann Grönemeyer. Mit „Deine Hand“ hat es übrigens einer der schwächeren Titel der LP als erstes an die Oberfläche geschafft. Eben einer dieser Nummern, die es viel zu oft von ihm gab. Nett und auch in manchen Sekunden berührend, aber ohne neuen Nährwert.

Da lobt man sich doch den „Halt mich“-Flashback, der sich „Tau“ schimpft. „Manchmal klingen Worte leer, wir gelingen uns viel zu sehr, schreib‘ alles fest, was uns dann erinnern lässt“ singt Herbert im typischen Sprechgesang mit viel Lebenserfahrung zu einem unaufdringlichen Klavierlauf, der von sanften Streichern umhüllt wurde. Andere Facette: „Eine Tonne Blei“ kreiert ebenfalls mit Klavier und Geigen, aber mit ganz viel Mystik eine raue, fast schon trauernd-kühle Atmosphäre, geht aber im Refrain immer wieder auf. Musik, zu der man beim Autofahren nach der Hand der Mitfahrer*innen greift, um sie zu halten. Zum Abschluss wählt der Künstler übrigens eine Samba mit Electro-Einflüssen – „Turmhoch“ lockert es mit hookigem Choros für diejenigen auf, denen es vorher doch eine Spur zu gefühlsduselig wurde.

Das ist los ist keine Revolution und soll es auch nicht sein. Es ist wie eine Retrospektive Grönemeyers Schaffen, klingt total nach Jetzt und gleichzeitig nach Damals. Mehr kann man nicht erwarten, denn das ist schon mehr als genug und einer der Höhepunkte des bisherigen Musikjahres.

Und so hört sich das an:

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