Berlins Nachtszene. Endlose Weiten und endlose Möglichkeiten. Generelle Endlosigkeit. Bekannterweise wird hier vor chemischen Substanzen selten Halt gemacht und damit gerne mal die animalische Seite hervorgeholt. Ein paar dieser Geschöpfe hat Nobodys Face auf seinem zweiten Longplayer Chemical Animals eingefangen und in Beats verpackt.
Nach seinem vier Jahre alten und gelobten Debüt „Niemandsland“ liefert der Berliner Henrik Miko – so Nobodys Face bürgerlich – ein Dutzend Songs, die heterogene Genres zu einem gleichzeitig doch recht homogenen Gemisch kombinieren. Mit Sicherheit ist der DJ eh mehr Leuten bekannt, als es auf den ersten Blick scheint. Einerseits hatte der Herr nämlich bei der Gründung des alternativen Labels Green Berlin seine Finger mit im Spiel, andererseits aber besonders bei vielen Sounds von Marteria bzw. Marsimoto seine Finger am Computer und bei Auftritten auch an den Turntables. Spätestens jetzt sollte die Aufmerksamkeit erregt worden sein, oder?
Connections schaden bekanntlich nie und werden in den 36 Minuten Musik gekonnt ausgespielt. Mit purer Selbstverständlichkeit schüttelt Nobodys Face bei neun Tracks Features aus dem Ärmel, die sich definitiv nicht verstecken brauchen. Neben Materia himself steuern Szenegrößen wie Chefket oder MAJAN ebenso wie Sway Clarke, BENDMA, Enda Gallery, Pete Boateng oder 7apes ihre Zeilen hinzu. Ein wahrer Multikulti-Mix (u.a. Irland, Kanada und Türkei), wie ihn wohl nur Berlin zustande bringt. Auch in den Lyrics wird stets zwischen Deutsch und Englisch gewechselt.
Chemical Animals klingt wie die Begleitmusik an einem mondänen Samstagabend in der Hauptstadt. Fängt irgendwo in einer schicken, urbanen Beachbar an und endet im verrauchten Club. Nobodys Face schreckt gefühlt vor nichts zurück und balanciert frei zwischen Sommer-Groovern mit 90er-Vibe („That’s Right“, feat. Enda Gallery), ein wenig Dreampop („Pacific“, feat. Enda Gallery) Dubstep-House-Kreuzungen („Mariegold“, feat. Sway Clarke), derb-aggressiven Trap-Nummern à la Deichkind („Chemicals“, feat. Chefket), chartsfähigen deepen und elektrisierenden Hip-Hop-Tracks („Treiben“, feat. Marteria) und dem Chillout zum Einpennen am folgenden Morgen, während die letzten Stunden noch ordentlich nachwirken („Cricket Game“, feat. Pete Boateng), hin und her. Ein Album, das laut gehört werden will.
Der zweite Longplayer von dem Berliner macht nahezu durchweg eine gute Figur. Viel Spielweise, viele unerwartete Breaks, die nötigen eingängigen Melodien, um im Ohr zu bleiben und dennoch genug Herausforderung, um wiedergehört werden zu wollen. Geheimtipp für open-minded Electro-Fans im Sommer ’20!
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