„Ich mache ja sonst eher Death Metal“, so die sinngemäße Aussage Chris Pohls, als er 2023 mit She Hates Emotions zur Mittagszeit auf dem M’era Luna Festival auftrat. Auf der kleinen Bühne. All das hatte etwas sehr Sympathisches, denn es war so überhaupt nicht Pohl-like – bzw. nicht das, was man dafür halten würde. Der sonst für so viele das verkörperte Goth-Klischee des Fürsten der Finsternis spielt zur Mittagszeit, zeigt sich selbstironisch auf der Bühne … und dann macht er auch noch Musik, die man ihm eigentlich nach Terminal Choice, allen voran Blutengel und den vielen anderen Projekten, gar nicht zuschreiben würde. Aber doch: Der 80s-inspirierte Synthie-Pop von She Hates Emotions ist auch auf dem dritten Album wieder so gelungen, dass voreingenommene Hörer ihn bei einer „Blindverkostung“ vermutlich sehr ansprechend fänden.
Das namensgebende Intro startet zunächst einmal ohne Gesang, lässt eine gewisse Kühle mit repetitiven, analogen Synth-Sounds entstehen und eröffnet eine Art Zeitreise. Wobei „Zeitreise“ auch nur teilweise der richtige Begriff ist, denn die Inspiration der 80er nimmt einen schließlich mit in die laut Albumtitel ungewisse Zukunft (hier bezogen auf die Zukunft des Einzelnen) und klingt dabei auch im Jetzt sehr frisch. Mit dem folgenden „Strong For Me“ ist man dann auch schon direkt mittendrin im Klangkosmos von She Hates Emotions mit seinen Synthie-Läufen, flächigen Sounds und einem Gesang, der die Eingängigkeit weiter unterstreicht. All das mit Melancholie und Gefühl, wie sich auch inhaltlich zeigt: Es geht hier doch um einen depressiven Menschen, der die ganze Stärke seines Partners braucht – was gerade durch den Gegensatz zum insgesamt fröhlichen Charakter des Stücks erstaunt.
Gerade das Wechselspiel aus kühlen Klängen und warmherzigen Momenten ist immer wieder eine Stärke, wie man auch im folgenden „Dirty Little Secrets“ merkt, das insgesamt – auch laut Pohl selbst – ein recht monotones Stück darstellt, aber doch Eingängigkeit ausstrahlt. Beispiele könnte man viele nennen auf dem Album, und auch inhaltlich gibt es einige, wie in „All Good Things“, das die Pole „All good things must come to an end“ und „I hope my tears will dry someday“ vereint und somit auch die Hoffnung aufleben lässt. Sehr düster wird es zwischendurch vor allem dort, wo Marc Massive von Massive Ego in „Lowest Of The Low“ unterstützt und den Text geschrieben hat, in dem die inneren Dämonen die Kontrolle über den Protagonisten übernehmen. Obgleich sehr nachdenklich, verbreitet das folgende „Stargazer“ dann doch wieder etwas mehr Hoffnung.
Mit den insgesamt elf Stücken bieten She Hates Emotions auf „Future Unknown“ wirklich gelungenen Synthie-Pop. Eingängig-tanzbar mit melancholischen Momenten und auch thematisch breit aufgestellt, sollten Freunde der elektronischen 80er-Sounds hier eindeutig mal reinhören. Aber auch Freunde des gut gemachten Synthie-Sounds im Allgemeinen können gut ein Ohr riskieren, denn Staub hat sich hier ganz und gar nicht angesetzt. „Retro-futuristisch“ könnte man es auch nennen, wenn man unbedingt einen Claim-artigen Begriff haben möchte. Ansonsten bleibt eben nur noch die Sache mit der Voreingenommenheit. Wer Vorbehalte in Sachen Chris Pohl hat, sollte das Wissen um ihn als Projekt-Urheber einfach mal ausblenden, denn ohne diese Vorurteile rückt das Qualitätsbewusstsein im Idealfall wieder in den Vordergrund und man erkennt: Ja, „Future Unknown“ ist wirklich stark!
Und so hört sich das an:
Die Rechte am Albumcover liegen bei Out Of Line.
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