The Prodigy – No Tourists

Prodigy No Tourists

Wie man sich wohl fühlt, wenn man ein eigenes Genre erschaffen hat? Das ist zwar bei The Prodigy schon zweieinhalb Jahrzehnte her, aber der Sound ist bis heute unverkennbar. Drum ‘n‘ Bass – eine Richtung irgendwo zwischen Techno, Electro, Hip-Hop, Funk und sogar Rock. Alles ein wenig, nichts davon wirklich dominant. Mit diesem innovativen Mix konnten Songs entstehen, die auch nach so einer langen Zeit nichts an Vitalität verloren haben. Egal ob „Smack My Bitch Up“, „Voodoo People“, „No Good“, „Breathe“ oder „Poison“ – jeder Track ist ein zeitloser Klassiker. Oft kopiert, oft gesamplet – nie erreicht.

Leider ist aber eben jeder dieser Hits mindestens 20x 365 Tage alt. The Prodigy haben zwar auch danach alle paar Jahre eine LP auf den Markt geworfen, trotzdem blieben die Chartentrys zumindest bei den Singles aus. Aus der letzten Platte „The Day Is My Enemy“ (VÖ: 2015) schaffte es lediglich der Vorbote „Nasty“ in die Verkaufsliste – und zwar genau eine Woche auf Platz 98 in UK, wo die Jungs herkommen.

So wird auch der neue Ableger „No Tourists“ keine erfolgreiche Single abwerfen, das Album wird immerhin die Top 10s entern und alles bleibt beim Alten. Soundtechnisch tut sich auf dem knapp 40 Minuten langen Ding wenig bis gar nichts. Ja, jeder einzelne Track geht klar. Nichts davon ist wirklich mies (ausgenommen vielleicht das fast schon aufdringliche „Boom Boom Tap“). Aber Auffälligkeiten sind doch viel, viel, VIEL zu spärlich gesät. So ballert die Platte gleich mit „Need Some1“ ordentlich los und haut sirenenartig voll auf die Zwölf. Eben das, was man bei The Prodigy auch gerne so hätte. Verzehrte Stimmen, die kaum mehr Effekte besitzen könnten, Bpm-Zahl ordentlich hochgeschraubt und Drumgewitter. Es fällt schwer seinen Arsch stillzuhalten. Trotzdem kommt sehr schnell das Gefühl auf, einen langen Track zu hören. Das Tempo ist fast kontinuierlich das Gleiche – und zwar bei jedem Song. Nehmen wir das letzte Album dazu und drücken auf Shuffle, kann nicht gesagt werden, was wozu gehört. So klingen „Light Up The Sky“ von „No Tourists“ und „Wild Frontier“ von „The Day Is My Enemy“ nahezu identisch. Dass das mal anders war, beweisen diverse oben aufgezählte Dauerbrenner oder auch die Masterpieces „The Fat of the Land“ oder „Music for the Jilted Generation“ in voller Länge. Bester Track Anno 2018 ist aber das mitreißende und zwischendurch auch mal durch männliche Gesangsspuren überraschende „Champions of London“ (auch wenn der zwischenzeitlich bei den Punchlines aus „Smack My Bitch Up“ abguckt). Gleiches gilt für das ein wenig entspanntere, oldschoolige „No Tourists“, das im Club einen Sog entwickeln dürfte. Dann ist aber auch schon vorbei mit Highlights. Natürlich ist dieses „Früher war alles besser“-Geplänkel nicht die Lösung für alles, aber in dem Falle leider schon, da früher der Sound überrascht hat. Jetzt kann man sich nach wenigen Sekunden den restlichen Track denken. The Prodigy covern sich selbst.

Anyway: The Prodigy sind und bleiben die Könige in ihrem Fach. Zig Künstler haben ihren Zenit bereits überschritten, sind aber durch ihren einstigen Einfluss unsterblich. So eben auch die drei Jungs. Lassen wir den neuen Longplayer einfach doch so stehen und konzentrieren uns auf das, was sie wirklich können: mit die besten Konzerte geben, die es überhaupt gibt! Tour steht ja zum Glück schon in den Startlöchern. Also lieber Ticket kaufen statt Platte!

Das Album “No Tourists” kannst du dir hier kaufen.*

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