“The more I taste, the thirstier I get” singt Torres im Titeltrack des nun mehr fünften Langspielers ihrer Karriere. Das kann man durchaus als Absage an den Mythos verstehen, dass Künstler*innen nach einem so fulminanten Release, wie es das Debütalbum “Torres” der US-Amerikanerin war, ohehin nichts mehr reißen können. So gut wird es in der Regel nicht noch einmal. Aufmerksame Fans wissen: Bei Mackenzie Ruth Scott sieht das anders aus. Es folgten bislang noch drei weitere großartige Alben, mit “Thirstier” geht es nun mal anders zur Sache. Ja, der Sound ist mittlerweile etwas etablierter und unverkennbar Torres. Aber dass hier als grober Inspirationsrahmen die Fantasie und die schönen und kräftigen Themen des Alltags dienten, sorgt für neue Farbschattierungen in einer ohnehin sehr bunten Diskografie.
Torres’ Tanz der Moleküle
Wer jetzt ein unbeschwertes, kunterbuntes Album erwartet, ist auf dem Holzweg. Das Navi führt die Hörer*innen hingegen – Torres’ unvergleichlichem Timbre sei Dank – durch ein ganzes Minenfeld an überwältigenden Emotionen. Sätze wie “All I can do is cry” (“Big Leap”) oder “Everybody wants to go to heaven but nobody wants to die to get there” (“Keep the Devils Out”) sind lyrisch simpel, entfalten dank ihres musikalisch großartig gerahmten Kerngefühls aber eine fast schon brutale Wirkung. Nicht selten hat deswegen die Gänsehaut auf “Thirstier” einen Auftritt im Rampenlicht. Aber eben nicht ausschließlich im bedrückenden Sinne – man höre nur den lebensbejahenden Banger “Hug from a Dinosaur”, in dem Scott eine ganze LKW-Ladung an Hand Claps ablädt.
Vier Kugeln Exzentrik bitte
Die eingangs erwähnte Fantasie fügt zur alchemistischen Formel dieses Werks wiederum andere Sounds hinzu. Der Opener “Are You Sleepwalking” etwa stört den Folk-Vibe der Strophe mit abgedrehten Refrains – eine bizarre Traumwelt, die sich den Hörer*innen hier eröffnet. Anders in “Kiss the Corners”, dessen finster-grosteskes Elektro-Pluckern den Weg für einen absolut irrsinnigen Beat eröffnet. Im besten Sinne des Wortes, versteht sich. Etwas klassischer wird es dafür in der PJ Harvey-Verbeugung “Constant Tomorrowland” (diese Chorale!) und der Torres-Blaupause “Drive Me”, in dem mal wieder der Alanis Morissette-Altar geschmückt wird. Zu diesem großen Rundumschlag geht es mit “Don’t go puttin Wishes in my Head” noch einmal gegen Fremdbestimmung auf die Straße, ein Topos, der im sehr reiberischen Gestus Torres’ hervorragend platziert ist.
“Thirstier” ist – dem Text des Titeltracks entsprechend – ein sehr intensives Album. Eins, bei dem jede einzelne Emotion mit voller Wucht hereinprasselt. Und davon kann man doch niemals genug bekommen.
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