VV – Neon Noir

cover zum album neon noir von vv

Wie geil waren HIM? Jetzt mal im Ernst, gehörte die finnische Band rund um Ville Valo einfach nicht mit zu dem Besten, was wir in den späten 90s und frühen 00s hatten? Gefühlt gab es niemanden, der dem mal Quartett, mal Quintett nicht irgendwie huldigte und mindestens zwei, drei Hits nicht richtig abgefeiert hat. Ein Sound, der nach fast zehn Jahren nun wieder neuen Output findet. Aufgewacht aus dem Dornröschenschlaf, cos he’s back: VV, walte deines Amtes.

VV klingt zunächst wie ein etwas daneben gegangener Künstler*innenname. Denkt man jedoch nur einige Sekunden darüber nach, kann sich hinter dem sowieso schon seltenen Buchstaben V, der dann auch noch im Doppel auftritt, nur Ville Valo verbergen. Der ist mittlerweile 46 Jahre jung und seit 2017 von seiner Kultband, die er bereits als Teenager Anfang der 90er gründete, getrennt. Hat man ein waschechtes Jubiläum von 25 Kalenderrunden hinter sich gebracht, ist auch einfach irgendwann der Ofen aus. Da hat man sich schon dreimal um sich selbst gedreht, zweimal zu viel „Auf Wiedersehen“ gesagt und die Kreativität, vielleicht sogar den Spaß ganz weit hinten angestellt. Aber VV ist und bleibt Musik. Und Sexsymbol, dem man gerne immer wieder verfällt.

Das Vermächtnis von einer Band anzutreten, die mit acht Studioalbum fast pausenlos sehr erfolgreich war und wegweisende, unverkennbare Hits wie „Join Me“, „Pretending“, „The Funeral Of Hearts“, „Right Here In My Arms“, „Heartache Every Moment“, „In Joy And Sorrow“, „Solitary Man“ plus viele weitere geliefert hat, ist mutig und nahezu zum Scheitern verurteilt. HIM haben mit ihrem Dark Rock, den sie selbst Love Metal nannten, quasi ein Genre erschaffen. Düster, romantisch, verträumt, todessehnsüchtig, melodisch, aber doch nie zu gefällig. Kann VV mit seinem Solodebüt Neon Noir dem Ganzen überhaupt in Ansätzen gerecht werden?

Sagen wir so: Schlecht macht er’s nicht. Dass Ville Valo Gründungsmitglied der Band bleibt und auch bis zum Ende durchgezogen hat, zeigt, dass er den Sound in jeder Pore eingeatmet hat. Ihm scheint äußerst bewusst zu sein, dass diejenigen, die sich für ihn interessieren, keine allzu abgefahrenen Experimente wünschen, zumindest noch nicht. Erstmal ist das „Wir haben ihn zurück“-Gefühl wichtig und darf nostalgisch zelebriert werden, denn Neon Noir klingt in seinen zwölf Tracks nach stehengebliebener Zeit.

Über 56 Minuten lang liefert der Herr, der dunkles Makeup und schwarzen Nagellack trug, bevor es im Mainstream ankam, exakt das, was HIM ausmachte. Besonders auf Melodieebene punktet das Album, aus dem bereits vor drei Jahren erste Singles droppten, zu vollster Zufriedenheit. Eingängig, wohltuend, hookig und dennoch unaufgeregt. Dazu stark nach vorne gestellte Klaviersounds („Salute The Sanguine“), schleppende Rockballaden für den Winterblues („Saturnine Saturnalia“), TheCure-Hommages mit Tanzaufforderung („Neon Noir“) und ein Refrain, der so uplifting ist, wie er sein muss („Baby Lacrimarium“). „Run Away From The Sun“ klingt nach Hit, wenn wir denn jetzt 2003 hätten und nicht zwei Dekaden später. Aber VV möchte wohl sowieso nicht auf TikTok gehyped werden. „In Trenodia“ ist im Zusammenspiel aus Stimme, Düsterkeit und Synthie sogar ein echter Höhepunkt. So klingt es also, wenn New Wave und Dark-Pop 2023 knutschen.

VV fliegt von seinen tiefen Tönen hoch in den Kopf und wieder zurück. Das ist wahnsinnig einhüllend und einfach schön, aber auch äußerst berechenbar und wirklich zu keiner Sekunde überraschend. Hier liegt dann auch der entscheidende Knackpunkt: Wirklich viel Varianz gibt’s in dem Dutzend nicht, aber eben absolute Erwartungserfüllung. Zumindest in zwei Songs hätte man mal richtig nach vorne drücken dürfen, hätte Ville Valo mal losschreien können, sich in elektronische oder auch komplett akustische Gefilden verfangen können. Ist aber eben nicht drin. Alles fein, alles softig und dreamy.

Neon Noir ist eine gute LP, kuschelt das etwas zu kalte, schwarze, aber noch pumpende Herz mit purer Liebe, besprüht den Raum mit Patchouliduft und zeigt, dass ohne HIM einfach was fehlt. Ob auf der Platte nun HIM oder VV steht, ist im Endeffekt das Gleiche. Selbst das Heartagram-Artwork ist weiterhin Bestandteil. Ein kleines bisschen mehr außerhalb der Komfortzone hätte sich das Talent mit dem unverkennbaren Stil also schon bewegen können. Beim nächsten Mal dann.

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