Wanda – Ende nie

wanda ende nie cover

Wann ist das Ende? Was ist überhaupt ein Ende? Geht es nach dem Ende direkt wieder von vorne los? Oder ist etwas für immer vorbei und es ist fortan einfach nur anders? Wanda beschäftigen sich auf ihrem sechsten Album genau damit. Es geht um Verluste und zwischenmenschliche Enttäuschungen, um Erkenntnisse, die sich nicht immer gut anfühlen. Aber Ende nie.

Als man mit dem fünften Album “WANDA” begann, war soweit eigentlich alles noch ok. Als gerade die Veröffentlichung im September ’22 anstand, war gar nichts mehr ok. Keyboarder und Gründungsmitglied Christian verstarb nach langer, schwerer Krankheit genau vier Tage vor dem LP-Release. Sämtliche Termine wurden daraufhin abgesagt, allerdings nur für eine recht kurze Zeit. “WANDA” stellt damit die letzte Platte in der Diskografie dar, die in der ursprünglichen Besetzung entstand. Die Band nennt das Album eine Art Best of aus allen vorigen Arbeiten, weswegen es auch so heißt, wie die Wiener selbst.

Doch die Arbeit als Künstler*in ist eben mehr als eine Arbeit. Es ist Ausdruck des Inneren, etwas Therapeutisches, ein Zusammenkommen mit engen Freunden und schließlich auch ein Aufeinandertreffen mit denen, die das Ganze inbrünstig konsumieren. So war die Stille um Frontmann Marco und seine Jungs nur von kurzer Dauer. Es ging schnell wieder ins Studio, schnell auf die Bühnen. Manchmal um zu verdrängen, oft aber auch um zu verdauen.

Dass das für sie selbst heilsam ist, steht auf der einen Seite. Auf der anderen Seite steht aber auch das breite Interesse der Medien, ist man eben Person der Öffentlichkeit. Kurz bevor Ende nie rausgeht, beschließt die Band erneut, Interviews zum neuen Release zu canceln, weil sie emotional noch zu tief drinstecken und nicht permanent mit Fremden über ihr Innerstes sprechen wollen. Etwas, was wir Normalos wohl sehr gut nachvollziehen können, gleichzeitig stellt man aber sein Innerstes sowieso schon in den Raum und übergibt es somit der unkontrollierbaren Diskussion. Sei es drum: Mit ihrem sechsten Album wollen Wanda eine Zäsur zeigen. Sie sagen selbst, dass es fast schon wie ein Debüt ist, sie eine andere Band sind. Doch wie funktioniert das auf der Hörer*innen-Seite?

Komplett anders klingt Ende nie nicht. Das ist aber wohl etwas Gutes, schließlich liebt man Wanda dafür, was sie einst mal waren. Als es vor genau einer Dekade losging, entwickelte man eine sehr eigene Art des deutschsprachigen Indie. Rock’n’Roll mit Wiener Schmäh. Das brachte Massen zum Beben und veränderte irgendwie etwas. Dann ruhte man sich entschieden zu lang auf eben jenem Stil aus und veröffentlichte die Wiederholung von der Wiederholung. Mit “Ciao!” war 2019 eindeutig der Tiefpunkt erreicht. Doch der konnte schon mit “WANDA” überwunden werden, denn endlich klang man wieder frisch und vor allen Dingen weiterentwickelt. Ende nie ist fürs Außen wahrscheinlich nicht so anders, wie es für das mittlerweile Trio selbst ist, denn im Kern hält man sich an den Kompositionen von 2022 fest.

Lediglich thematisch hat man den Umständen entsprechend doch etwas anderes zu sagen. Besonders anfangs spielten die Österreicher viel mit toxischen Beziehungen, Sex und Alkoholexzessen. Jetzt ist eher die Zeit nach Alledem. Die Zeit, in der man ausgelaugt am Boden liegt und merkt, dass sich vieles von dem im Moment ganz geil anfühlte, aber eben wie McDonalds-Fraß nur für eine Stunde sattmacht. Doch trotz einiger Schicksalsschläge ist man auch auf dem neusten Longplayer nicht so negativ. Man nimmt eher negative Ausgangssituationen und schaut direkt nach der nächsten Möglichkeit, wie es besser wird. Deswegen ist – das ist jetzt eine etwas anmaßende Äußerung – zumindest für die Zuhörer*innen die Haltung der Band, darüber nicht mehr sprechen zu können, nicht ganz nachvollziehbar. Aber muss es ja auch nicht sein.

Denn Wanda bleiben auf Ende nie ihrer verspielten, rotzigen Metaphorik treu, die nie zu konkret wird, aber dennoch auch nicht auf alles projiziert werden kann. Mit unglaublich viel Zärtlichkeit wirft einen der Opener “Bei niemand anders” direkt in Wärme schenkende Arme. Eine wunderbare Ballade mit ganz viel Liebe, die Wanda einfach entschieden zu selten komponieren, dabei können sie es richtig gut. Die auffälligste Veränderung ist meist in der Stimme von dem sehr charakterstarken Marco erkennbar, der auf Ende nie mit so viel Schmalz und Fragilität singt wie noch nicht zuvor. Das wird die Rock-Chicks eher stören, weil eine ganze Portion Rotz flöten geht, gleichzeitig gibt das der Band jedoch mehr Facettenreichtum. So wird beispielsweise in “Ich hör dir zu” mit Flehen gebeltet.

In “Fuck Youtube” geht es um Songs, die man nicht mehr hören kann, weil sie in einem schwierige Erinnerungen triggern. “Therapie” beschreibt eine Affäre, bei der eine Seite plötzlich doch mehr möchte als nur raue Körperlichkeit, die andere aber auf Verbindlichkeit so gar nicht kann. “Sie steht nicht auf dich” ist die klare Ansage eines guten Freundes, der unverblümt beschreibt, dass man sich gerade in eine Liebe verrennt, die einseitig ist. Das sind zweifelsfrei alles Themen, die man im Coming-of-Age-Alter durchhat. Auf jeden Fall relatable. Aufhören ist aber nie eine Option, so wie es auch im Titeltrack “Kein Ende nie” nochmal deutlich gesagt wird. Sackgasse? Nur in deinem Kopf.

Musikalisch sucht man Moshpit-Classics wie “Luzia” vergebens. Man legt den Fokus auf Worte und Melodien. Das funktioniert mal sehr gut, besonders in der starken Hook von “Woher soll ich wissen”, die in den Synthies liegt und sich sofort festsetzt. Auch das INXS-“Need You Tonight”-Tribute in “Sie steht nicht auf dich” definiert die Band erneut auch als Instrumentalisten, die mehr sind als Stadion-Hymne. Auf der anderen Seite dudelt man sich aber in “Wachgeküsst” an einer sich immer wiederholenden Line ab. Da fehlt es doch an zwei, drei Ideen.

Ende nie ist dennoch eine schöne Message an diejenigen, die sie hören. Sowohl, um daraus etwas persönlich mitzunehmen, aber auch, um Gewissheit zu haben, dass Wanda nicht aufhören. Erneut hat sich die Kult-Gruppe aus Österreich eine Spur weiterentwickelt, legt das dreckige Randale-Image ab, öffnet sich mehr dem Pop und gehobenerem Liedermacher-Genre und behält damit auch nach zehn Jahren an Daseinsberechtigung. Mögen therapeutische Maßnahmen euch weiterhin guttun.

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