Wincent Weiss – Vielleicht Irgendwann [Doppel-Review]

Wincent Weiss - Vielleicht irgendwann

Knapp zwei Jahre nach der Veröffentlichung seines letzten Albums ist Wincent Weiss mit neuer Musik zurück. „Vielleicht irgendwann“ heißt sein drittes Studioalbum und liefert fünfzehn brandneue Tracks. Yvonne und Alina haben sich „Vielleicht Irgendwann“ einmal genauer angehört:

Das meint Alina:

Irgendwas gegen die Stille. Irgendwie anders. Vielleicht irgendwann. Sechs Jahre ist es her, dass die DJs Gestört aber Geil ein Cover des Songs „Unter meiner Haut“ von Elif auf einem Festival spielten und dieses über Nacht viral ging. Die Stimme dahinter? Wincent Weiss. Zu diesem Zeitpunkt 22 Jahre jung und irgendwann mal bei einer von diesen Castingshows ausgeschieden. Sechs Jahre, in denen Wincent Weiss die Musikwelt gehörig auf den Kopf stellte und einen Erfolg nach dem anderen verbuchen konnte. Songs wie „Musik sein“, „Feuerwerk“, „Frische Luft“, „An Wunder“ oder „Pläne“ erklommen in den letzten Jahren die Charts und avancierten Wincent Weiss zu einem waschechten Phänomen in Deutschland. Mit „Vielleicht irgendwann“ veröffentlicht der Sänger nun sein drittes Studioalbum und setzt genau dort an, wo er aufgehört hat.

Dass die Musikwelt nicht immer nur aus Gute-Laune-Popmusik besteht, bewies Wincent Weiss bereits sehr eindrucksvoll auf seinem letzten Album „Irgendwie anders“. Dort thematisierte er sehr einfühlsam und ehrlich seine gescheiterte Beziehung und gab vielerlei Einblicke in seine Gedankenwelt. Im Gegensatz zu seinem Debütalbum ein deutlicher Entwicklungsschritt, sehr viel ernsthafter und deutlich erwachsener. Auf „Vielleicht irgendwann“ schafft er es noch einmal eine Schippe drauf zu legen – zumindest teilweise.

Als gigantisch gut entpuppte sich bereits die Vorab-Single „Was habt ihr gedacht“, in der Wincent Weiss unglaublich ehrlich und reflektiert die Kehrseiten seines Erfolges thematisiert. Der Song strotzt nur so vor guten Momenten, vor Stärke und glaubhaften Emotionen. Super genial konzipiert holt er den Hörer ab und schafft mit der Message im Grunde den Aufmacher des Albums. Die perfekte Fortsetzung zum Song liefert er mit „Wie es mal war“, indem er erstmals die Thematik Depressionen mit ins Spiel bringt und seine persönlichen Erfahrungen einbringt. „Da ist irgendwas in mir und es wird immer mehr. Wo ist der Typ von „Musik sein“ oder „Feuerwerk“?“ Ebenfalls brillant getextet entführt er in seine Gedankenwelt und führt sehr einfühlsam in ein sehr sensibles Thema ein, über das heutzutage noch immer viel zu wenig gesprochen wird. Auch beim etwas zu ruhigen „Winter“ setzt er dies fort.

In eine ganz andere, aber altbekannte Thematik – seine gescheiterte Beziehung – entführt der Sänger auf Songs, wie „Jetzt nicht mehr“. Das ohne zu Zögern als Fortsetzung seines Vorgänger-Albums „Irgendwie anders“ durchgehen könnte. Gerade hier überzeugt Wincent Weiss stimmlich sehr. Der Refrain ist unheimlich catchy und gut getextet und die Lyrics an sich klingen endlich etwas positiver als auf dem letzten Album. Sehr schön kristallisiert sich hier vor allem der Verarbeitungsprozess nach einer Trennung heraus. Die gewählten Worte klingen deutlich losgelöster und reflektierter. „Nur wegen dir“ hingegen ist abermals ein absoluter Song zum Heulen. Zeitweise würde man Wincent Weiss dort einfach nur gerne in den Arm nehmen und trösten. Auch hier stechen die Lyrics durch ihre Ehrlichkeit heraus. Man kann sich super in die Lage hineinversetzen. Die Melodie des Songs ist unglaublich melodisch und harmonisch, Wincent Weiss schafft sehr einfühlsame sowie gefühlvolle Momente und damit den perfekten Song zum Mitweinen.

Wirklich gelungen ist auch der Track „Was weißt du denn über mich“, in dem sich der Sänger an einem neuen Sound probiert. Und dieser steht ihm überraschenderweise richtig gut! Gerade der mehrstimmige Refrain sticht an dieser Stelle heraus, hebt sich damit von anderen Pop-Songs ab und schafft etwas ganz Neues. Die tiefen Stimm-Einlagen, die Wincent Weiss bereits auf seinem Vorgänger-Album für sich entdeckt hat, unterstützen dies. Das Ganze klingt etwas „frecher“ und „rotziger“. Auch „Wann“ reiht sich in die etwas experimentelleren Songs ein, ist aber ebenfalls gelungen. Hier wird das Gefühlschaos noch einmal so richtig deutlich, der Refrain ist einfach top – und Wincent Weiss rappt. Was abermals – erstaunlicherweise- richtig gut passt!

Solche Lobeshymnen beinhalten in der Regel meistens aber auch ein dickes ABER. Nach so gelungenen Songs, die alle unterschiedlicher nicht sein könnten, aber das gewisse Etwas mit sich bringen, gibt es leider auch solche, die komplett untergehen. Gerade bei so schweren Thematiken wie Depressionen, negativen Gefühlen, Herzschmerz und Zukunftsängsten ist es unglaublich schwer, den Bogen hin zu den fröhlichen Songs zu spannen. Wirklich gelingen tut Wincent Weiss dies leider nicht.  Gute-Laune-Nummern wie „Wer wenn nicht wir“ sind nett anzuhören, klingen aber irgendwie „lapal“ im Gegensatz zu anderen Nummern. Besonders das Duett mit Johannes Oerding „Die guten Zeiten“ erinnert an dieser Stelle eher an eine Kinderparty und passt nicht wirklich zu der Thematik des Albums. Gleichzeitig erscheint es bei Songs, wie „Was die Menschen nicht wissen“ oder „Winter“ teilweise so, als würde Wincent Weiss während des Singens einschlafen. Die Songs sind dahingehend leider etwas zu langweilig und entfalten nicht ihre gesamte Wirkung.

Den krönenden Abschluss schafft Wincent Weiss mit dem gleichnamigen Song zum Album „Vielleicht irgendwann“, der die Gedanken und Gefühle des Sängers noch einmal sehr schön resümiert und eine unglaublich wichtige und schöne Message übermittelt. Musikalisch sowie lyrisch große Klasse!

Irgendwas gegen die Stille. Irgendwie anders. Vielleicht irgendwann. Drei Alben hat Wincent Weiss in seiner sehr steilen und erfolgreichen Karriere bisher veröffentlicht und sich auf jedem Album immer wieder weiterentwickelt. Auf „Vielleicht irgendwann“ schafft er noch einmal mehr den Sprung hin zu ehrlichen Singer-Songwriter Tracks, die unheimlich gut getextet und gleichzeitig melodisch sowie harmonisch sind. Leider führt er diese Songwriter Qualitäten nicht stringent auf dem Album durch, was dazu führt, dass einige Songs schlicht und einfach untergehen. Nicht jeder Song kann die Schwere eines „Was habt ihr nur gedacht“ tragen, aber „Die guten Zeiten“ oder „Wer wenn nicht wir“ sind dagegen einfach zu austauschbar. Gerne mehr von diesen ausdrucksstarken Ecken und Kanten!

Und das sagt Yvonne:

Das dritte Studioalbum von Wincent Weiss ist in jeglicher Hinsicht eine Achterbahn der Gefühle.

Nach “Irgendwas gegen die Stille”, dem Debütalbum, das 2017 vollständig überzeugen konnte, folgte 2019 “Irgendwie anders“. Thematiken wie Trennungsschmerz und Zukunftsplanung hatten sich dort zu sehr wiederholt, als dass die Platte für mich würdig an den Vorgänger anknüpfen konnte. Mit den in diesem Jahr veröffentlichten Single-Auskopplungen hatte Wincent Weiss bereits durchblicken lassen, dass das neue Album “Vielleicht Irgendwann” thematisch wieder breiter aufgestellt sein würde.

Den herzzerreißenden Anfang machte “Was habt ihr gedacht” – ein Song, in dem der inzwischen 28-jährige Sänger die Schattenseiten seines immensen Erfolgs thematisiert. Ein Leben im Rampenlicht, das eine normale Beziehung unmöglich macht, und bei dem jeder Schritt genauestens von allen unter die Lupe genommen wird. Die Klavierballade traf die Fans beim Release mitten ins Herz und überzeugt durch ihre offene Ehrlichkeit. Kurz darauf veröffentlichte Wincent “Wie es mal war“ – eine Single, die thematisch an ihren Vorgänger anknüpft und zusätzlich von den für uns alle nachvollziehbaren Gefühle während der Pandemie handelt: “Ich will dass es wird, wie es mal war. Ich zähl die Minuten – bald ein ganzes Jahr.

In eine ganz andere Richtung ging schließlich die dritte Single-Auskopplung: “Wer wenn nicht wir” unterstreicht mit einem unterhaltsamen Green Screen Video die schönen Seiten des Lebens. Die poppige Gute-Laune-Hymne legt den Fokus auf die gemeinsame Zeit mit Freunden und betont die Wichtigkeit des Miteinanders auch in schwierigen Zeiten. Es folgte die vierte Single “Wo die Liebe hinfällt“ – ebenfalls ein Popsong, der jedoch zusätzlich mit einigen Rock-Elementen versehen ist. Über das etwas plumpe Wortspiel im Refrain (“Wo die Liebe hinfällt, da lass’ ich sie liegen.“) lässt sich streiten, doch die Fans sind sich einig, dass der Song gerade bei den noch kommenden Liveshows überzeugen wird.

Vergangenen Freitag veröffentlichte Wincent Weiss schließlich seine letzte Vorab-Single zum neuen Album: “Winter”. Ein Song, der ihm laut Social Media sehr am Herzen liegt, von dem er jedoch weiß, dass er nicht jedem gefallen wird. Bereits zu Beginn der Albumpromo hatte der Sänger thematisiert, dass er im vergangenen Jahr aufgrund von Depressionen eine Therapie begonnen hatte. Ein Thema, das gerade von männlichen Künstlern noch immer viel zu selten in der Musikwelt aufgegriffen wird. Im Text zu „Winter“ stellt Wincent Weiss erneut unter Beweis, dass er ein großartiger Songwriter ist. Musikalisch wirkt das Lied jedoch leider äußerst eintönig und erinnert mit seinem seichten Beat stark an eine monotone Fahrstuhlmelodie.

Man sollte meinen, dass die vielfältigen Singles dennoch auf ein facettenreiches Album hindeuten. Leider ist „Vielleicht Irgendwann“ dann doch nicht so breit gefächert, wie erhofft. Viele der restlichen Songs behandeln fast ausschließlich die gleichen Themen wie die Vorgängerplatte: Trennungsschmerz und Liebeskummer. Zu oft wiederholen sich Schilderungen und sogar Textpassagen des Vermissens, der schlaflosen Nächte und des gebrochenen Herzens.

Auch musikalisch weiß “Vielleicht Irgendwann” nicht so richtig, wohin mit sich. Neben klassischen Pophits wagt Wincent Weiss auch erstmals einen Genrespagat. Während „Die guten Zeiten“ als Feature mit Johannes Oerding wie ein austauschbarer Radiohit klingt, so überrascht „Was weißt denn du schon über mich“ mit einer etwas rockigeren Atmosphäre. Der Opener „Weit Weg“ begeistert mit einer stimmungsvollen Gitarrenmelodie, in „Wann“ präsentiert Wincent Weiss (erfolgreich) seinen ersten Rap-Part und mit „Vergiss mich“ liefert er das perfekte Lied zum Mitsingen und -fühlen.

Was bei den insgesamt fünfzehn Song besonders auffällt, ist die bereits erwähnt Achterbahn der Gefühle. Das neue Album liefert dem Hörer das reinste Chaos an Emotionen, wie es Wincent Weiss wohl auch selbst zu fühlen scheint. Ebenso chaotischen wirken dabei die unterschiedlichen musikalischen Experimente. Würden sich einige Thematiken und Zeilen nicht so oft wiederholen (oder hätte man Songs wie „Wie gemalt“ oder „Was die Menschen nicht wissen„) einfach weggelassen, so wäre „Vielleicht Irgendwann“ ein rundum gelungenes Album geworden.

Im gleichnamigen Titeltrack “Vielleicht Irgendwann” findet das Emotionschaos aber schließlich seinen Höhepunkt. In dem mit Streichern unterlegten Song werden alle Fäden, die die vorherigen Lieder aufgegriffen haben, auf eine äußerst gefühlvolle Art und Weise zusammengefügt. Es mag nicht alles rund laufen im Leben von Wincent Weiss oder in der Pandemie – doch irgendwann wird es wieder besser werden. Und mit genau dieser Message entlässt der Sänger, dessen stimmliche Weiterentwicklung auf dem neuen Album deutlich zu hören ist, seine Fans mit „Vielleicht Irgendwann“ auf ihre eigene emotionale Achterbahnfahrt.

Das Album „Vielleicht irgendwann“ kannst du hier (CD) und hier (digital) kaufen.*

So hört sich das an:

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VIELLEICHT IRGENDWANN TOUR 2022

20.05.2022 Hannover, ZAG Arena
23.05.2022 Leipzig, Quarterback Immobilien Arena
24.05.2022 Nürnberg, Arena Nürnberger Versicherung
25.05.2022 München, Olympiahalle
27.05.2022 Dortmund, Westfalenhalle
28.05.2022 Frankfurt, Festhalle
29.05.2022 Stuttgart, Schleyerhalle
31.05.2022 Köln, Lanxess Arena
01.06.2022 Hamburg, Bayclaycard Arena
02.06.2022 Bremen, ÖVB Arena
04.06.2022 Berlin, Mercedes Benz Arena
05.06.2022 Erfurt, Messe
10.06.2022 Zwickau, Freilichtbühne
11.06.2022 Kamenz, Hutbergbühne
24.06.2022 Künzelsau, Würth Open Air

Die Bildrechte liegen bei Vertigo Berlin (Universal Music).

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