Porträt: Auf einen Kaffee mit Donkey Kid

Porträt: Donkey Kid ist der zwanzigjährige Juri. Leonie traf sich mit ihm auf einen Kaffee, um hinter seine Kunst zu blicken.

Ein grauer Samstagnachmittag in Berlin, Ende Januar. Draußen bahnt sich ein Sturm an, es nieselt, die U-Bahn braucht zu lang. Irgendwie bin ich trotzdem noch rechtzeitig in dem Café in Westberlin, in dem ich mit Donkey Kid verabredet bin. Hinter Donkey Kid versteckt sich Juri, es ist der Name von seinem Ein-Mann-Indieprojekt. Er ist zu spät. Vier Minuten ziehen sich wie mindestens zehn. Es ist mein erstes Interview, lasst mich nervös sein. Die Bedienung kommt. Nein danke, ich möchte noch nichts bestellen, ich warte auf jemanden. “Auf einen Jungen? Hier ist ein Junge, der sucht ein Mädchen, ich schick ihn zu dir”.

Wir bestellen schwarzen Tee und Kaffee, warten, wärmen uns auf. Wie geht‘s dir, was machst du, wo kommst du her. Juri heißt mit vollem Namen eigentlich Jurek Stricker, ist zwanzig und kommt aus Lankwitz, einem Stadtteil im Südwesten von Berlin.

Er erzählt mir, welche Musik früher lief. Mit sieben fand er die Ohrbooten mal cool, die haben eine Mischung aus HipHop und Reggae gemacht, er beschreibt sie mir als “ein bisschen wie Seed in unerfolgreich”. Ich verneine, als er mich fragt, ob ich sie kenne. Mit acht hatte er eine Green Day Phase – „da war ich ~rockig~ unterwegs“. In Lankwitz gab es nicht viel zu tun, es war alles ziemlich beschaulich, geprägt hat ihn das vielleicht im Sinne der Langeweile – wenn es nichts gibt, muss man selber irgendwas anfangen. Immerhin hatte die Grundschule eine Rock AG. Sich in der vierten Klasse zum ersten mal in einem Bandkontext zurechtfinden, “Boulevard Of Broken Dreams” covern – Green Day Phase! – das hat schon was. Leider vergesse ich nachzufragen, ob es wirklich so School-of-Rock mäßig war, wie sich das für mich anhört. Wahrscheinlich nicht. 

Mittlerweile hat sich sein Musikgeschmack verändert, ist gewachsen, aber die Säulen sind geblieben. Er hört immer noch in Phasen, manchmal HipHop, manchmal Rock, manchmal Indie. Diese Phasen spiegeln sich natürlich auch in seiner Musik wider: wenn er eine Zeit lang viel J Dilla und MF Doom hört, hat er Bock auf Beats bauen und Bässe schrauben, “und dann hör ich wieder viel Talking Heads und die Sachen klingen ein bisschen wie David Byrne’s Stuff”. Sich auf eine Sache festlegen ist „Schwachsinn, das kommt gar nicht in Frage”.

Er beschreibt seine Musik als einen “Flickenteppich aus Einflüssen”. Vielleicht ist es ein Generationending, vielleicht auch einfach der heutigen Zeit geschuldet, und der großen Verfügbarkeit von Musik. Am Ende bleibt Donkey Kid ja trotzdem eine Indieband, auch, wenn Juri Spaß am Samplen und Beats bauen hat. Ob er es irgendwann doch noch mit Rap versucht? Wer weiß, wer weiß. “Es kommt, was kommen muss.”

Der Kaffee ist noch zu heiß, um ihn zu trinken, ich habe ein bisschen Angst, mir die Zunge zu verbrennen. Kurzer Zwischencheck, ob die Aufnahme läuft. Take 2. Wir reden über Bildsprache und Gefühle.

Die Kunst des Songwriting fand er schon immer faszinierend, erzählt Juri mir, Texte, die einfach blank und unkompliziert heraussagen, was Sache ist, irgendwie eher langweilig. Lieber ein künstlerisches Bild erschaffen. Vielleicht auch ganz unabsichtlich. “Birdhouse” zum Beispiel, da singt er über seinen Kater und ein leeres Vogelhaus, und am Ende kann jede*r für sich selbst entscheiden, was er oder sie jetzt aus dem Song macht und daraus für sich zieht. Ich hab den Song als ein Stück über Einsamkeit interpretiert, vielleicht stimmt das auch so, es gibt keine endgültige Antwort darauf. Musik ist auch das, was man daraus macht. 

Juri ist sich selbst nicht ganz sicher, er setzt sich nicht hin und überlegt: ok, mir geht es so und so, das und das wäre ein gutes Bild, um das darzustellen. Die Realisation kommt oft erst nach dem Texten. Wahrscheinlich ist es auch leichter, nicht alles so konkret zu formulieren, meint er. Versteckt er sich hinter den Bildern? Hat das vielleicht auch etwas damit zu tun, dass er ein Mann ist? Bei weiblichen Künstler*innen findet man öfter direkte Gefühle in der Diskografie. 

Der Kaffee ist immer noch zu heiß. Vielleicht sind es zu große Fragen, um die mal eben bei Kaffee und Tee zu beantworten. Juri überlegt. Irgendwie ist es schon noch ein Problem, Gefühle als Dude zu zeigen, oder? Schade, es sollte eigentlich keines sein. Vielleicht schreibt er deshalb auch auf Englisch. Es ist leichter, die Wörter sind weicher, gefühlt gibt es mehr von ihnen, man kann alles ein bisschen besser verschleiern. Auf Deutsch ist es immer sofort so direkt und offensichtlich. Als er angefangen hat zu schreiben, war sein Modus: “das soll doch keiner wissen, wie ich mich fühle”. Mittlerweile hat sich das geändert, im Dezember hat er “Cold Trains” auf Soundcloud hochgeladen, der Song ist ziemlich traurig, ziemlich “Karten auf den Tisch”. An dem saß er aber auch lang. 

Normalerweise, wenn er Lieder macht, geht das eigentlich alles ganz schnell. Er produziert das meiste selber, setzt sich einfach in sein Zimmer, an den Laptop, sucht sich paar Drums, spielt alles ein, schreibt einen Text runter und zack – teilweise ist er nach ein paar Stunden fertig. Nix mit romantisch stundenlang an der Gitarre rumzupfen bis irgendwas entsteht, sondern direkt Drums, direkt Synthesizer, “mein Songwritingprozess ist ein bisschen wie Beat-Making”. Deshalb macht er auch alles solo. Ist der Einfachheit geschuldet. 

Erst vor Kurzem hat er sich zum ersten Mal so richtig in ein Studio gesetzt, um etwas aufzunehmen. In Wien, mit Marco Kleebauer, für die kommende EP. Er hat ihn über eine Bilderbuch-Doku entdeckt, vor ein paar Monaten dann seine Drum-Library verwendet und irgendwie kam dann der Kontakt zustande. Juri hat das Schlafzimmer verlassen – aber nicht für immer. Dafür ist ihm das Selbst-Produzieren zu wichtig, es macht ihm zu viel Spaß, um es jemals ganz abzugeben.

Donkey Kid lebt gerade den Traum von seinem dreizehnjährigen Ich. Musik macht er ja schon ewig. Als er gerade mal achtzehn war, hat ihn Euphorie, das Management von unter anderem Ilgen-Nur und den Leoniden, angerufen. Mit denen war er dann im Sommer 2021 auch live unterwegs. Im Frühling 2021 hat außerdem “Linger On” das Licht der Welt erblickt, seine erste Single, der Song liegt schon bei ihm rum, seit er sechzehn ist. Am liebsten würde er sofort ein Album machen, ganz viel auf einmal, “aber heutzutage, alle mit ihrer winzigen Aufmerksamkeitsspanne, keine*r würde sich das mehr anhören”. 

Deshalb also erstmal eine EP, und die nüchterne Erkenntnis: all diese Erfolge, die er über das letzte Jahr hatte, sind cool und man freut sich, aber am Ende des Tages ist das auch nicht der Schlüssel zum Glück.

Als wir das Cafe wieder verlassen, hat es aufgehört zu regnen. Jetzt ist es nur noch windig.

„Distant Shouts“, die Debüt-EP von Donkey Kid, erscheint am 20.05.2022.

Und so hört sich das an:

Instagram

Donkey Kid live 2022:

Paris, FR, Supersonic, 09.05.2022
London, UK, The Victoria Dalston, 20.05.2022
Berlin, DE, Schokoladen, 26.05.2022 (SOLD OUT)
Berlin, DE, Schokoladen, 30.05.2022 (SOLD OUT)

Fotorechte: Zeitfang.

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