So war das DCKS Festival 2022

Pride-Month. Der Monat, in dem sich alles um Diversität, Transparenz und Sichtbarkeit dreht – und das in allen Facetten. Das DCKS Festival, ins Leben gerufen von keiner geringeren Person als der erfolgreichsten deutschen Comedienne, Carolin Kebekus, trägt ebenfalls einen Teil dazu bei. Doch im Vergleich zu vielen anderen Events geht es hier nicht um LGBTIQ*-Rechte, sondern um Frauen, bzw. weiblich gelesene Menschen. Denn die sind auf Musikfestivals kaum vorhanden.

Ein bittersüßer Anlass

„Wenn das Bier mehr Prozent hat, als der Frauenanteil auf Festivals, läuft was schief“ scherzt die Organisatorin. Allerdings steckt hinter dem Scherz erschreckender Ernst: Bei fast allen Großen wie Rock am Ring oder auch das Hurricane sind die Acts, die sich als weiblich definieren, nahezu immer im einstelligen Prozentbereich, ab und an sogar gen null. Die Begründung oft dahinter: Es gäbe kaum gute Frauenacts oder die hätte man eben sowieso kaum auf dem Schirm.

Carolin Kebekus hat jene immer wieder aufkeimende Diskussion zum Thema in einer ihrer Die Carolin Kebekus Shows, kurz DCKS, gemacht. Sie stellte ein paar Fakten vor und quatschte ein wenig naiv daher, dass sie gerne mal ein All-Female-Lineup zusammenstellen würde, um zu gucken, wie das so ankommt. Die Reaktionen: Bitte, Caro, tu es!

Absurd, dass so etwas überhaupt vonnöten ist. Doch knapp ein Jahr später am Pfingstmontag, das ist der 6.6.22, wird die Schnapsidee Realität. Das erste DCKS Festival findet im Kölner Tanzbrunnen statt und meldet kurz vorher ausverkauft. 5000 Besucher*innen – ja, hier sollte gegendert werden, sind nämlich neben Cis-Frauen auch einige Cis-Männer und andere Gender anzutreffen – stürmen an jenem Tag für mehrere Stunden das Open-Air-Gelände, das von 14 bis 22 Uhr ein Programm bietet, bei dem nicht nur die Ohren für Musik, sondern auch für Talks aufgemacht werden sollen, um gleichzeitig dann ein paar Gedanken freizusetzen, die vielleicht nachhallen.

Keine relevanten weiblichen Acts vorhanden? Ernsthaft?

Wobei… was auffällt, und das ist bei dem Konzept des Festivals wenig verwunderlich: Der Anteil an weiblich gelesenen Gäst*innen in der Crowd ist außergewöhnlich hoch. Schätzungsweise bei über 80%, vielleicht sogar 90. Die, die den Weg hierherfanden und knapp 80€ für ein Ticket investiert haben, sind leider nicht das Problem und eindeutig die, die sowieso für Diversität und Gleichberechtigung stehen. Komplett neue Erkenntnisse nehmen wohl nur die Wenigsten mit, das ist aber egal. Letztendlich zählt das Statement, das das DCKS Festival an sich transportiert. Es ist möglich, mit nur Female Artists ein Lineup zusammenzustellen, das dazu noch genug zieht, um mehrere Tausend Leute anzuziehen. Keine*r hat gesagt, dass ab sofort nur Female Artists auf Bühnen sollen, aber ein wenig mehr Mischung schadet doch nicht, oder?

Genau diese Aussage wird immer wieder bei den Talks betont, die zwischen den Auftritten passieren. Der Tanzbrunnen ist mit zwei Bühnen bestückt. Eine etwas größere für die Musik, eine etwas kleinere für politische und kulturwissenschaftliche Gespräche. Das Tolle: Anders als bei anderen Festivals muss man lediglich den Kopf um ein paar Grad drehen und kann so auf die Stage schauen, auf der gerade etwas abgeht. Während für die nächsten Musikerinnen aufgebaut wird, wird parallel für gute 20 Minuten mit Frauen aus sehr unterschiedlichen Bereichen der Wirtschaft und Gesellschaft geschnackt. Still ist es in den acht Stunden also nie.

Aber sind wir alle ehrlich: In erster Linie ist man wegen der Mucke hier. Oder doch wegen der wichtigen Message? Unklar. Final ist zu sagen, dass jeder Beweggrund bedient wird. Musikalisch darf man Donia Touglo, Annie Chops, Luna, Ebow, Mine, den No Angels und LEA lauschen. Als Opening fungiert Carolin Kebekus herself mit ihrer kaum zu überschauenden Kombo den Beer Bitches, um mit einem richtig knallenden Female-Emporement-Medley zu starten. Ja, es wird von Sekunde 1 an richtig laut gejubelt.

Hervorragende Stimmung

Alle haben Bock. Die Leute vor der Bühne, auf der Bühne, hinter der Bühne. Die im letzten Jahr mit dem popNRW-Preis 2021 in der Kategorie „Newcomer“ ausgezeichnete Performerin Donia Touglo kann die sofort aufgeheizte Stimmung effektiv für sich nutzen. Sie wohnt in Köln, kommt ursprünglich aus Togo und hat mit ihrer sehr präsenten, übersprudelnden und äußerst liebenswerten Art sofort das Publikum auf ihrer Seite. Auch in ihren spärlich gesäten 15 Minuten Stagetime schafft sie es mit ihrem abwechslungsreichen, exotischen, tanzbaren wie hypnotischen Sound zu fesseln. Donia Touglo ist eine tolle Kombination aus Kunst, Pop und World Music, für die es sich schon gelohnt hat, rechtzeitig am Start zu sein, auch wenn auf technischer Seite noch ausgebessert werden muss. Die Musik ist anfangs nämlich doch etwas zu leise.

Weitere sehens- wie hörenswerte Highlights an jenem Tag sind die viel zu gute Mine, die sich in den neun Jahren ihrer Karriere zu einem der spannendsten Deutsch-Indie-Pop-Acts entwickelt hat. Texte mit Hirn, Melodien mit hervorragendem Ohrwurmpotential, eine atemberaubend gut abgestimmte Band und Dancemoves seitens der Künstlerin, die einfach so saucool kommen. Das hat uns schon vor einigen Wochen in Münster gekriegt, klappt aber auch im verkürzten Set gut. Großer Applaus auch hier.

Eine Premiere

Doch das DCKS Festival hat ein Ass im Ärmel. Niemand geringeres als die erfolgreichste Girlband Deutschlands feiert ihr Bühnencomeback vor der eigentlich geplanten ersten Show, die erst zwölf Tage später in Berlin ansteht. Ok, es gab schon TV-Auftritte. Aber die No Angels sind hier erstmalig für Fans wieder live am Start. Wir wiederholen: Die No Angels. Zu viert ohne Vany, aber die ist ja seit Album 3 nicht mehr dabei. Die No Angels. Diese Tatsache scheint jede*n zu beeindrucken. Derartig lautes Gekreische gibt es heutzutage nur noch bei ganz wenigen Acts. Von den Ansprachen der vier Mädels ist nahezu nichts zu verstehen. Alle rasten einfach maßlos aus. Lucy, Nadja, Jessica und Sandy wissen mit der Euphorie kaum umzugehen, kommen aber so gut eingespielt und gut gelaunt rüber, als wäre gerade The Dome. Wer nicht weiß, was das ist, ist für die Band eh zu jung. Die Rückkehr auf die Stage macht äußerst viel Vorfreude auf die im Oktober anstehende Tour.

Kleine Überraschung für den Mainstream ist der Auftritt von Ebow. Die in München geborene Rapperin hat zwar bereits ihr viertes Album draußen, richtig durchstarten konnte sie aber noch nicht. Man fragt sich im Nachhinein, wieso. Der sehr old schoolige Hip-Hop mit gesellschaftskritischen und gut durchdachten Texten wird von ihr gekonnt präsentiert, obwohl ihre DJane nur eine Vertretung ist. Dazwischen witzelt sie spontan rum und hat schnell auch die auf ihrer Seite, die sonst mit Rap nur bedingt was anfangen können. Aber Können muss eben belohnt und anerkannt werden.

Annie Chops ging vor einigen Jahren mit einem Video von sich und einer Freundin bei YouTube viral. Nun präsentiert sie teils etwas eintönigen Singer/Songwriter, teils aber auch ziemlich guten Pop an der Gitarre mit elektronischen Färbungen. Das braucht ein wenig bis zum Anlauf, klappt dann aber durch Publikumsinteraktion recht gut.

Umso verwunderlicher, dass neben den vier sehr unterschiedlichen, aber durchweg hervorragenden Acts auch zwei auftreten, die durch ihre Beliebigkeit und Radiotauglichkeit ganz schön aus dem Raster fallen. Luna und LEA sind mit Sicherheit erfolgreich, aber auch mit so wenig Progressivität oder Auffälligkeit gekennzeichnet, dass sie eigentlich nur bedingt zum DCKS Festival passen. Klar, female und auch musikalisch eine weitere Facette, allerdings ist LEA als Headliner und somit der letzte Act am Abend wirklich deplatziert, da ihre Hauptzielgruppe nur in der Minderheit am Start ist. Die Stimmung ist immer noch gut, aber wäre sie wahrscheinlich bei jeder anderen Künstlerin auch. Im Vergleich zu den No Angels ist hier jedoch nur noch ein Drittel der Energie im Publikum da, auch wenn sie die aufwändigste Lichtshow und die längste Stagetime erhält.

Nur wenig verbesserungswürdig

Und da liegt eigentlich der einzige Kritikpunkt. Das Lineup lässt noch ein wenig Luft nach oben. Das Bühnencomeback der No Angels in Deutschland – es gab lediglich einen kleinen Gig zwei Tage zuvor in der Schweiz – ist ein Brett, alles andere aber nicht so stringent. So divers wie Musik ist, ist sie auch bei den Female Artists. Möchte man jedes Genre abdecken? Dann haben Electro, Rock oder auch Schlager gefehlt. Möchte man Unbekannten eine Bühne geben? Dann war’s nicht genug Underground. Möchte man mit großen Namen werben? Davon gab es eigentlich nur zwei.

Doch für ein erstmaliges Festival hat das DCKS sehr zufriedenstellend geliefert. Bei den Talks lohnte es sich sowohl Sandy und Nadja von den No Angels zu lauschen, die etwas über Vorurteile gegenüber Künstlerinnen erzählten, als auch Auma Obama zuzuhören, die die wichtigste Message auf den Punkt bringt: Nicht jede*r startet im Leben mit den gleichen Chancen. Deswegen sollten wir davon wegkommen, Leute in Geschlechter einzuteilen oder sie nach ihrer Herkunft zu beurteilen. Am Ende ist man einfach Mensch.

Punkt 22 Uhr ist die Show zu Ende. Carolin Kebekus und ihre zwei Moderatorinnen Aminata Belli und Jeannine Michaelsen sind im emotionalen Vollrausch, bedanken sich mehrfach fürs Kommen und für die ausgelassene Stimmung. Am Ende stellt Kebekus die Frage, ob es Bedarf nach einer zweiten Ausgabe gebe. Es wird mit großem Zuruf geantwortet. Wie wäre erneut das Wochenende, an dem auch Rock am Ring stattfindet? Womöglich sind dort bei der nächsten Ausgabe dann ja sogar ein paar Acts gebucht, die ansonsten es nur auf die DCKS-Liste schaffen. Wenn nicht, geschenkt, dann wird die dahergesagte Idee eben zur sympathischen Alternative mit der vollen Östrogen-Ladung. #girlsjustwannahavegigs, and they deserve it.

Und so entstand die Idee zum Festival:

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Foto von Christopher.

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4 Kommentare zu „So war das DCKS Festival 2022“

  1. „Nicht jede*r startet im Leben mit den gleichen Chancen. Deswegen sollten wir davon wegkommen, Leute in Geschlechter einzuteilen oder sie nach ihrer Herkunft zu beurteilen. Am Ende ist man einfach Mensch.“

    -> Wir machen ein Festival auf dem nur „Frauen“ auftreten.
    Das Paradox hält man dann einfach aus?

    1. Hi,
      das mag paradox klingen, ist es aber am Ende nicht.
      Es geht darum, aufzuzeigen, wie viele Female Artists es gäbe, die aber für Festivals nie bis sehr selten gebucht werden.
      Also um den Aspekt von Diversität, größerer Vielfalt.
      Wenn sich das alles auf den großen Festivals besser mischt, ist ein reines Female-Lineup nicht mehr nötig.
      Das wurde auch auf dem DCKS-Festival genau so betont.

      LG Christopher

      1. „Es geht darum, aufzuzeigen, wie viele Female Artists es gäbe, …“

        Nein, denke ich nicht. Es ging wohl eher darum Künstlerinnen eine wettbewerbsärmere Möglichkeit zu geben aufzutreten, ohne bei der Auswahl gegen Künstler zu konkurrieren. Letztendlich macht Kebekus genau das was sie anderen vorwirft und zwar willentlich und mit Ansage: Auswahl nach (weiblichen) Geschlecht. Damit macht sie sich unglaubwürdig und handelt genauso wie die die sie kritisiert. Hätte Sie ausgewogen ausgewählt, könnte man ihr das nicht vorwerfen.

        „Also um den Aspekt von Diversität, größerer Vielfalt.“

        Und warum gab es dann keinen einzigen männlichen Act? Gehören die nicht zur Vielfalt? Es gibt auch männliche Acts, die bei den kommerziellen Festivals auch nicht zum Zuge kommen.

        „… Female Artists es gäbe, die aber für Festivals nie bis sehr selten gebucht werden.“

        Und warum ist das so? Die Frage muss man sich stellen. Organisatoren und Organisatorinnen wählen nicht nach Geschlecht aus. Es geht ums Geld und um Acts die sicher zahlendes Publikum ziehen. Festivals und die gesamte Musikindustrie ist kommerziaunbekannterelisiert. Da geht es nicht um eine Männeridiologie, wo Männer andere Männer auswählen, weil… Gründe. Hier schließt wohl Kebekus von sich auf andere.

        1. Hallo Hani,

          es wirkt gerade auf mich so, als ob du das generelle Konzept des Festivals nicht befürwortest.
          Deswegen lasse ich das jetzt einfach mal so unkommentiert stehen, weil wir da auf keinen Fall auf einen gemeinsamen Nenner kommen werden.

          VLG Christopher

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