Wie in den Vorjahren waren wir auch diesmal wieder beim Juicy Beats Festival in Dortmund. An zwei Tagen Ende Juli wurde hier im Westfalenpark einiges für Fans von Beatmusik und ein bisschen für Fans von Rockmusik geboten. Andrea und Luis haben sich verschiedene Acts angeschaut und fassen ihre Eindrücke zusammen:
Noch bevor die ersten Bands die Bühnen betreten konnten, begann das Juicy Beats mit schlechten Nachrichten: Für Freitag mussten mit Yung Hurn, Gurr und Lakman gleich drei Acts krankheitsbedingt absagen. Die erste Show, die für uns auf dem Programm stand, war damit Von Wegen Lisbeth. Die Indie-Pop-Band ist längst kein Geheimtipp mehr und so war der Platz vor der Hauptbühne schon gut gefüllt. Mit eingängigen Melodien und viel Wortwitz schafften die Berliner es ohne Probleme, das Publikum trotz der warmen Nachmittagssonne zum Tanzen zu bringen. Kein Wunder, denn wenn man dabei zusah, wie sie über die Bühne wirbelten, um möglichst viele Instrumente wie den exotischen Regenbogenachttästler einzubauen, übertrug sich die gute Laune unweigerlich auf die Menge.
Nicht ganz so seicht ging es bei SXTN zu. Nura und Juju lieferten mit fetten Beats und provokanten Lines eine gute Show. Die „Prost ihr Säcke“ und „Wie heißt die Mutter von Niki Lauda“-Chöre, die die beiden wiederholt anstimmten, ließen zwar für meinen Geschmack etwas zu viel Ballermann-Atmosphäre aufkommen, aber das Konzept funktionierte: Das Publikum rastete aus. Ich wage allerdings zu behaupten, dass das auch ohne diese Anheizer funktioniert hätte, denn bei Songs wie „Die Ftzn sind wieder da“ und „Er will Sex“ bewiesen die Fans eindrucksvoll ihre Textsicherheit.
Wer den späteren Headliner-Auftritt aus nächster Nähe, sprich aus der ersten oder zweiten Welle, sehen wollte, musste Durchhaltevermögen und starke Nerven mitbringen. Die Securities an den Einlassschleusen verfolgten auch in den Umbaupausen die interessante Politik, selbst dann keine neuen Leute in die Bereiche reinzulassen, wenn andere in Strömen rausgingen und mehr als genug Platz gewesen wäre. Ein Phänomen, das am Samstagnachmittag sogar noch stärker beobachtet werden konnte. Gepaart mit den warmen Temperaturen, (zu hohem) Alkoholkonsum und dem dringenden Bedürfnis, noch in die Welle reinzukommen, sorgte das bei einigen Besuchern nicht nur für Irritation, sondern auch für Aggression. Kurz vor dem Start des Kraftklub-Auftritts drohte die Lage dann komplett zu eskalieren, als ein paar Besucher versuchten, die Einlassschleuse zu stürmen. Das hätte man besser lösen können. Der Headliner-Show tat das aber natürlich keinen Abbruch. Pünktlich mit dem Fallen des Vorhangs und dem Zünden roter Rauchbomben waren die vorderen Bereiche dann doch gut gefüllt und alle vom ersten Ton an am Start. Kraftklub feuerten einen Song nach dem anderen ab und hatten das Publikum bestens unter Kontrolle: Springen, Klatschen, Mitsingen – was Felix Brummer sagte, wurde gemacht. Untermalt wurde die Bühnenshow durch die „Gäng“, eine Gruppe von tanzfreudigen Fans in den typisch roten Uniformen, die die Band den Festivalsommer über mit wechselnden Choreographien begleitet. Wieder einmal bewiesen die Chemnitzer, dass sie mit ihrer mitreißenden Liveshow vollkommen zu Recht die Headliner-Slots der deutschen Festivalszene besetzen.
Der Samstag startete früh, aber entspannt mit Trettmann. Nicht zuletzt dank der Zusammenarbeit mit Bonez MC & RAF Camora hat er sich in den letzten Jahren vom Geheimtipp zum etablierten Rapper entwickelt und konnte dementsprechend viele Besucher schon am frühen Nachmittag vor die Hauptbühne locken. Ein solider Auftritt und perfekter Start in den Festivaltag! Weiter ging es für uns auf der zweiten Hauptbühne. Party pur, Moshpits, Konfetti und tanzende Menschen, wohin man sieht – Turn up mit den Drunken Masters! Selbst diejenigen, die sich den Auftritt vielleicht nicht ganz freiwillig angeschaut haben (nicht, dass wir irgendjemanden zu etwas zwingen würden!), mussten nach kurzer Zeit anerkennen, dass das Duo einfach weiß, wie man eine Menschenmenge zum Durchdrehen bringt. Wer danach wieder etwas runterkommen wollte, war bei den Editors auf der Mainstage bestens aufgehoben, auf der Tom Smith mit seiner pathetischen Art die Indie-Herzen zum Schmelzen brachte.
Am Abend fiel die Entscheidung dann ziemlich schwer: Feine Sahne Fischfilet auf der zweiten Hauptbühne oder Abschlussparty mit den 257ers? Wir entschieden uns erstmal für die Punkrocker. Wir sind uns ziemlich sicher, dass sie einen super Auftritt abgeliefert haben, zumindest ließ das wilde Geschehen vor der Bühne keinen anderen Rückschluss zu. Etwas seitlicher war die Akustik aber leider so schlecht, dass von den Songs – und ganz zu schweigen von Monchis Ansagen – so gut wie gar nichts ankam. Sehr schade, wir hätten uns das gerne länger angeschaut und vor allem angehört. So führte uns der Weg dann doch wieder zur Hauptbühne. Die 257ers, für die das Juicy Beats ja fast schon ein Heimspiel ist, rissen das Festival noch ein letztes Mal ab und gönnten ihren Fans mal ein ordentliches Schaumbad. So muss ein Festival beendet werden!
Wer danach allerdings immer noch nicht genug hatte, konnte noch ein paar Stunden auf den Parties oder beim sehr empfehlenswerten Silent Disco Clash auf der Festwiese weiterfeiern. Ausgestattet mit bunt leuchtenden Kopfhörern konnte hier jeder selbst entscheiden, ob er nun zum Mix von Larissa Rieß, Tilmann Köllner oder Christian Vorbau tanzen wollte. Ob Trap, House oder Indie-Party-Klassiker – hier fand jeder für sich das Richtige und das Festival einen schönen Abschluss. Insgesamt konnte das Juicy Beats bei bestem (vielleicht etwas zu warmem) Festivalwetter mit seinem riesigen Gelände und der großen Auswahl an Bühnen und Floors absolut überzeugen. Das war schon fast zu viel, um alles an zwei Tagen erkunden zu können. Aber dafür kommen wir gerne nächstes Jahr wieder! (Andrea)
Parallel zum großen Programm, das die Massen begeistern konnte, gab es auf dem Juicy Beats-Gelände verteilt so einige kleinere Bühnen, um auch Nischengenres abzudecken. Besonders viel Energie herrschte hier vorallem am Freitag vor dem Baunz Trap Floor, der sich ausschließlich Newschool-Hip-Hop widmete. Mit Acts wie KONZ und der Noldi Gang wurden hier die Locals supportet, die bereits kleinere Fanbases vor der Bühne brachten und eine Plattform bekamen, ihren ungeschliffenen Sound zu präsentieren. Der Turn Up nahm noch mehr Fahrt auf, als Juicy Gay die Bühne betrat und mit Gästen wie der erwähnten Noldi Gang, MC Smook oder seiner Ex-Freundin Sally seinem Publikum ein Maximum an Spaß lieferte – genau das, wofür der Künstler und die junge Trap-Generation steht. Den Abend beendete Caramelo, der sich als mehr oder weniger fester Voract von Yung Hurn einen Namen machte und mit seinem Auftritt den traurigen Hurn-Fans, die trotz der Absage des Wieners angereist waren, sicher eine amtliche Alternative zum Ausrasten bot. Der gut 25-minütige Auftritt von Caramelo wurde dann jedoch, wie sich bereits während der Show abzeichnete, abrupt beendet, da der Veranstalter um Punkt 22 Uhr den Strom abstellen wollte. Der Stimmung tat dies jedoch kein Abbruch: Der Rapper rappte Acapella weiter, die Menge sprang weiter dazu – im Dunkeln. Hier zeigte sich erneut, was für eine Lebensfreude mit der Szene um die Trapkünstler zusammenhängt und wie spontan und punkig ihre Liveshows funktionieren können.
Am Samstag machte der Baunz Trap Floor für andere Programmpunkte Platz, jedoch gab es auf der Hauptbühne den Auftritt von RIN zu sehen, dem wohl bekanntesten Vertreter des Genres. Auch hier gab es kaum noch eine Chance, direkt vor die Bühne zu kommen, zu groß und angesagt sind seine Songs derzeit. Im kommenden Jahr gibt es hoffentlich wieder ähnlich viel oder sogar mehr von den kleineren Genres zu sehen, wenn diese bis dahin nicht schon von selbst erneut gewachsen und unumgänglich sind. (Luis)
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