Interview mit Adam Angst über “Neintology” – Teil 2!

Adam Angst Neintology Interview 2018 Teil 2

Aus dem hochachtungsvollen „Jesus Christus“ wurde eine Band, die nicht nur bei ihren Live-Shows immer enger zusammenrückt: Adam Angst um Mastermind Felix Schönfuß sind schon lange kein Solo-Projekt mehr. Das zeigen auch die Interviews zum zweiten Album des Quintettes, das den Titel „Neintology“ trägt. Nicht Schönfuss allein, sondern auch Kollege Roman Hartmann (E-Gitarre) stellen sich zu Albumrelease den provokanten Fragen wütend bellender Journalisten. Auch wir durften die beiden mit nervtötenden Sprachklumpen beballern. Der zweite Teil unserer dreiteiligen Interviewreihe zu der Platte fokussiert vor allem die musikalische Dimension des Langspielers. Wie läuft der Songwriting-Prozess in der Bandformation ab, wie schnell verwirft die Gruppe Songs und was hat eigentlich New-School-Rap damit zu tun?

minutenmusik: Lasst uns ein bisschen über die Musik auf „Neintology“ quatschen! Wirkten die Texte auf mich etwas simpler, überraschte mich doch die musikalische Tiefe, die ihr auf der Platte auffahrt. Da fällt mir beispielsweise das Riff von „D.I.N.N.“ ein. War diese musikalische Komplexität ein Schritt, den ihr gehen wolltet?

Felix: Das war definitiv gewollt. Ich persönlich habe beim Schreiben der Songs darauf geachtet, unser Spektrum breiter aufzustellen. Wir wollten andere Instrumentalisierungen verwenden und uns trauen, Sachen auszuprobieren. Ich will irgendwann alles Mögliche machen dürfen. Ich will nicht darauf achten müssen, dass die vierte Platte immer noch genauso klingt wie die erste, damit ja keine Fans abspringen. Es gibt viele solche Bands, bei denen es vollkommen egal ist, welches Album oder welchen Song man sich anhört. Das finde ich immer schade und langweilig, weil man sich ja auch weiterentwickeln möchte.

Wir wollen auch keine Konzeptalben machen, weil ich möchte, dass eine Platte von Song zu Song unterschiedlich ist, damit es interessant bleibt, das Gesamtwerk zu hören. Deswegen habe ich jetzt das erste Mal eine Ballade geschrieben. Die werden uns manche natürlich um die Ohren hauen. Aber scheiß drauf! Da muss man drüberstehen. Wenn man lange genug dabei ist, ist man eben komplett frei in dem, was man tut. Das will ich mit dieser Band sein.

Zum anderen merkt man nun deutlicher, dass wir eine Band sind. Die anderen waren diesmal deutlich mehr am Songwriting-Prozess beteiligt. Das Riff und das komplette Instrumental, was du angesprochen hattest, stammt von David (Frings, E-Gitarre). Er hat auf der Platte zwei komplette Instrumental-Songs beigesteuert und den Rest haben wir auch mehr den anderen überlassen. Die Grundgerüste habe ich meistens geschrieben, an den ausgearbeiteten Parts haben wir dann gemeinsam rumgeschraubt. Das um interessanter zu bleiben und eben deutlich zu zeigen, dass wir eine Band sind. Ich finde das Album klingt auch mehr nach einer Band, als das erste.

Roman: (lacht) Ich habe auch auf der ersten gespielt!

minutenmusik: Ich hab auch häufiger mitbekommen, dass Adam Angst als Solo-Projekt aufgefasst wurde. War das denn mal als Solo-Projekt intendiert?

Felix: Ja, das war als Solo-Projekt geplant. Natürlich sollten die Songs dann live auf die Bühne kommen, woraus dann diese Band gewachsen ist. Tatsächlich hatte ich die Songs sogar geschrieben, bevor ich die anderen teilweise kannte. Insofern hat sich das dann alles so ergeben. Es hätte aber ebenfalls so kommen können, dass Adam Angst ein Solo-Ding bleibt und man sich immer bestimmte Musiker sucht, die gerade Zeit haben. Dafür verstehen wir uns dann aber doch zu gut!

Roman: Ja, wir waren am Anfang auch eigentlich ganz zufrieden damit, dass Felix das alles übernommen hat. Das merkt man zum Beispiel auch jetzt an dieser Promo-Phase, wo einem klar wird, was Felix da alles übernommen hat.

minutenmusik: Ja, so schreckliche Interviews zu geben und so!

Roman: Ne, alles gut! Das macht ja Spaß, selber was dazu zu sagen, weil man selber auch eine eigene Meinung hat. Unter uns sind auch nicht immer alle Meinungen gleich. Zu der Platte kann ich sagen, dass wir – wie Felix das schon sagte – uns weiterentwickeln und auch mal mehr als drei Akkorde spielen wollten. Klar macht das Spaß, wenn man auf der Bühne rumhampeln kann und sich nicht so konzentrieren muss, aber es macht eben auch Spaß, wenn man das, was man sich als Gitarrist draufgeschafft hat, präsentieren oder mit Pedalen arbeiten kann und experimentieren darf. Genau da finden wir dann auch als Band zusammen, weil jeder von uns Bock auf sowas hat hat. Da meckert eben keiner, wenn Felix mal eine Ballade schreibt, sondern alle freuen sich, etwas ausprobieren und basteln zu können. Gerade deshalb gefällt uns allen fünfen diese Platte auch so gut. Hier konnte sich jeder einfach ein bisschen ausleben. 

minutenmusik: Im letzten Jahr hatte man nur relativ wenige Möglichkeiten euch zu sehen. Auf den Shows habt ihr jedoch bereits zwei neue Songs gespielt. Zum einen „Wir Werden Alle Sterben“, der ja bereits auf der Donots-Split erschienen ist, zum anderen „Vicerussland“. Beide Lieder sind nun nicht auf „Neintology“. Warum?

Felix: Bei „Wir Werden Alle Sterben“ fanden wir es alle blödsinnig den jetzt noch auf die Platte draufzupacken, weil der bereits physisch und digital erschienen war. Das ist altes Filmmaterial und für uns abgeschlossen. Der klingt ja auch wieder etwas anders.

„Vicerussland“ haben wir für das Album sogar aufgenommen. Wir haben aber nie den richtigen Platz in der Tracklist für den Song gefunden. Wir wollen nie Songs draufpacken, die wir auch hätten weglassen können. Irgendwie hat uns der dann auch nicht mehr so gut gefallen und hat thematisch auch nicht so gepasst, weil der bisschen schwammig war. Den habe ich in einer Zeit geschrieben, in der ich selber auch nicht so richtig wusste, wohin wir wollen. So klingt der auch. Ich mochte immer den Vibe des Songs, aber wenn wir nicht hundert Prozent hinter einem Song steht, wird der bei mir immer weggeworfen. Du glaubst gar nicht, wie viele Songs ich schon weggeworfen habe. Ich habe bestimmt schon zwei, dreihundert Songs geschrieben. Manche halb-, manche fast fertig. Die haben aber alle nie das Licht der Welt erblickt.

minutenmusik: Landet das bei dir dann direkt im Papierkorb oder bleibt das eventuell halbfertig liegen und wird später nochmal wiederverwendet?

Felix: Es gibt bei mir gar keinen richtigen Papierkorb. Dafür müsste ich meinen Rechner mal aufräumen. Weg ist das also nie, ich gucke mir sowas dann aber auch nie wieder an.

minutenmusik: Theoretisch könnte man, wenn einen eine Idee sehr frustriert, die aber ja einfach komplett löschen.

Felix: Stimmt, ich sehe die dann ja aber nicht wieder, was mir reicht. Worauf ich keinen Bock hab, ist einen Song, der vielleicht 30 Prozent fertig ist, nochmal anzufangen und zu versuchen darauf aufzubauen. Dann schreibe ich lieber einen kompletten neuen Song und lasse mich von etwas Neuem inspirieren.

minutenmusik: Merkst du das schnell, dass dir eine Idee nicht mehr gefällt oder fällt dir das immer erst mit etwas Abstand auf?

Felix: Meistens merke ich relativ schnell, dass ich etwas gut finde – sei das ein Intro-Riff oder ein Refrain. Dann hab ich oft auch schon einen Text im Kopf und setze da an. Ich denke mir dann schon manchmal, dass ich die Idee zu cheesy finde oder es die Bridge oder es den Refrain schon tausend mal gibt. Oder ich möchte den Refrain noch geiler machen als die Strophe, weil ich das sonst langweilig finde. Da denke ich dann ein paar Stunden drüber nach und dann schmeiß ich das weg! (lacht)

minutenmusik: Es gibt aber ja auch Bands, die nach einiger Zeit merken, dass sie einen Refrain nicht so super finden und dann einfach einen neuen Refrain in einen Song packen.

Felix: Jaja, das hört man Songs oft aber auch an, wie der Songwriting-Prozess war. Bei vielen Songs im Radio weiß man immer sofort, warum beispielsweise noch ein C-Part drin ist. Nämlich, damit sich das alles nicht zu sehr wiederholt. Dass der Part dann aber nur mit Streichern und irgendwelchem Kram vollgepackt ist und dem Song eigentlich nichts bringt, hört man auch. Da weiß man ganz genau, dass es vermutlich monatelange Diskussionen gab, wie man das am besten umstellen könnte.

Roman: Man kann so Sachen natürlich auch kaputtarbeiten. Es gibt sicherlich auch Beispiele, bei denen aus sowas dann ein Wahnsinns-Song entstanden ist, aber auch viele Beispiele, wo man alles am besten einfach so gelassen hätte. Wahrscheinlich ist die Roh-Version tausend mal geiler, als die fertige mit dem zweihundert-Mann Orchester und teuersten Sängern der Welt.

minutenmusik: Ich finde es ja echt interessant, was so momentan im Rap abgeht, wo ja ganz viel nach Gefühl gemacht wird. Oft wird da eben nicht lang gefackelt, sondern nach Lust und Laune neue Musik rausgehauen.

Felix: Klar, der Arbeitsprozess im Hip-Hop ist eben auch ein anderer. Ich finde das selber auch geil so zu arbeiten! Das würde mir ebenfalls total Spaß bringen, weil man sich auf das Wesentliche konzentrieren kann und sich von dem Vibe, den man hat, leiten lassen. Bei einer Band muss man aber ganz klar sagen, dass man technisch viel mehr Dinge beachten muss und alles eben viel länger dauert. Man muss gucken, was für Instrumente man bringt, muss sich über die Live-Shows Gedanken machen, muss alles aufnehmen. Wenn man einen Beat baut, dann ist der da. Da musst du nicht nochmal ins Studio oder so. Das muss nur gemastert werden und gut ist. Das kann man alles von Zuhause aus machen. Das ist cool, aber läuft bei einer Band eben nicht so.

Roman: Den Song muss man ja auch nicht üben. Der Künstler muss den Song ja nicht spielen können. Das scheiß Macbook muss den Song nur abspielen können. Das reicht ja schon.

minutenmusik: Oh, da kommt Hass hoch!

Roman: Ja, mein Name ist Roman Hartmann und ich hasse Autotune! (lacht)

Felix: Da habt ihr eure Headline!

Na, das Angebot nehmen wir doch liebend gerne an! Danke dafür Roman. In Teil drei unseres riesigen Interviews (kommt morgen) geht es dann um Punk, Punk, Punk. Yeah!

Hier geht es zu Teil 3 des Interviews!

Hier zu Teil 1 des Interviews!

Das Album “Neintology” (erscheint am 28.09.) kannst du dir hier kaufen.*

Eine ausführliche Doppel-Rezension der Platte gibt es hier.

Und so hört sich das an:

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Adam Angst live 2018:

15.11. – Wiesbaden, Schlachthof (ausverkauft!)
16.11. – Wien, Arena (Hochverlegt!)
17.11. – München, Backstage Halle (hochverlegt!)
18.11. – Zürich, Dynamo
20.11. – Köln, Kantine (verlegt!)
21.11. – Hannover, Musikzentrum
22.11. – Münster, Sputnikhalle (hochverlegt!)
23.11. – Bremen, Kulturzentrum Schlachthof (hochverlegt!)
24.11. – Hamburg, Übel & Gefährlich (hochverlegt!)
25.11. – Berlin, Festsaal Kreuzberg (hochverlegt!)

Adam Angst live 2019:

22.02. – Dresden, beatpol
23.02. – Leipzig, Conne Island
24.02. – Frankfurt am Main, Das Bett
01.03. – Stuttgart, Im Wizemann
02.03. – Osnabrück, Kleine Freiheit
03.03. – Dortmund, FZW

Foto von Markus Hausschild.

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