Interview mit Adam Angst über “Neintology” – Teil 3!

Adam Angst Interview Neintology Teil 3 2018

Hat eine Band einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht, kann sie mit neuen Schritten nie alle Fans zufriedenstellen. So einfach ist das. Egal ob Künstler einfach nur das wiederholen, was sie auf ihren Vorgängerwerken fabrizierten, oder sich weiterentwickeln – irgendwer wird immer meckern. Finanziell nicht von Erfolg abhängig zu sein, kann hier als großer Luxus gesehen werden, birgt aber auch Schwierigkeiten. Dem sind sich Roman Hartmann und Felix Schönfuss, beide Mitglieder der Punk-Rock-Band Adam Angst, bewusst. Wir setzen uns mit den beiden zusammen, um nicht nur über deren neues Album “Neintology”, sondern auch Kommerzialisierung und Punk als Genre und Lebenseinstellung zu sprechen.

minutenmusik: Lass uns jetzt nochmal auf die Platte zu sprechen kommen. „Neintology“ beginnt nach dem elektronischen Intro mit dem Song „Punk“, der Anhänger der Trve-Punk-Bewegung auf die Schippe nimmt. Was ist für euch Punk?

Felix: Die habe ich noch nie gehört, die Frage!

minutenmusik: Wird immer gestellt?

Felix: Ja, bislang echt immer!„Punk“ muss jeder für sich selbst definieren. Für mich persönlich ist das bisschen das, was auf Wikipedia steht: (lacht) Eine Jugendbewegung, die in den 70ern aufgekommen ist und aus der sich eine bestimmte Musik gebildet hat. Was jetzt genau „Punk“ ist? Für jeden ist „Punk“ was anderes. 

Wir haben öfters von Leuten mitbekommen, die genau zu wissen glauben, was „Punk“ denn nun sei und sich im Kopf ihr eigenes Regelwerk zusammengesponnen haben, was einem vorgibt, was man tragen muss, was man sagen muss, was man für Musik spielen muss und wie diese sich anhören muss, wenn man „Punk“ sein will. Das ist so tierisch nicht „Punk“! Ich finde das albern, dass uns Leute häufiger sagen, wir seien nicht „Punk“, weil wir schwarze Klamotten tragen oder gutbürgerlich wirken. Die Leute, die uns kritisieren, gehen genauso einer Arbeit nach und meinen, weil sie eine Kutte anziehen und zum Ruhrpott Rodeo gehen, haben sie die Gewalt darüber zu urteilen, was wir sind, wie wir sind und wie ernst wir etwas meinen. Das ist Bullshit! Nur das will ich mit diesem Song ausdrücken.

Roman: Ein Punker ist für mich der Punk, der einen riesigen grünen Iro, eine Kutte und einen selber abgerissenen Benz-Stern hat. Meiner Überzeugung nach ist „Punk“ auch ein Lebensstil und eine Einstellung, über deren Existenz ich sehr froh bin. Der hat mich sicherlich auch in dem geformt, was ich heute bin. Aber die Leute, die meinen wir wären nicht „Punk“, können das gerne der Wand erzählen. Dann soll mir mal einer genau definieren, was das denn ist und mir erklären, warum genau die Person das entscheiden darf.

minutenmusik: Die Punker-Polizei.

Roman: Ich habe beispielsweise ewig lange im Bla in Bonn gearbeitet. Ist das jetzt „Punk“? Eigentlich ist das ja eine Punk-Rock-Bar, aber natürlich habe ich da trotzdem Geld für bekommen. Da habe ich auch nicht kostenlos oder für Dosenbier gearbeitet.

minutenmusik: Skandal!

Roman:Bla zahlt Geld!“

minutenmusik: In zehn Jahren ist das „Punk“, wenn du bar bezahlt wirst und nicht in Bitcoin oder so einem Scheiß! Lass uns noch eine abschließende Frage machen: Adam Angst ist in relativ kurzer Zeit doch recht groß geworden. Trotzdem klingt „Neintology“ unkonventioneller als euer Debüt, beispielsweise hat „Kriegsgebiet“ nichtmal einen richtigen Refrain. War das eine bewusste, sich gegen jegliche Erwartungen stellende Entscheidung oder hat sich das natürlich ergeben? Eigentlich liegt dann ja immer die Vermutung nahe, dass eine Band sich nach etwas Erfolg in eine poppigere Richtung weiterentwickelt.

Felix: Das hat sich natürlich ergeben. Diese Platte ist kein live-taugliches Album. Das ist eine Platte zum Anhören, was dem geschuldet ist, dass wir während der Aufnahmen so gut wie gar nicht mehr live gespielt haben. Da waren wir ein bisschen mit den Gedanken alleine bei uns zuhause. So klingt die Platte auch. Uns ist selber aufgefallen, dass manche Songs live vielleicht nicht so gut funktionieren werden wie die meisten der ersten Platte. Und das Album wird vermutlich auch nicht so einschlagen wie die erste Platte. Das sind Dinge, die uns komplett bewusst, aber auch scheiß egal sind.

Das kann uns aber einfach egal sein. Wir machen da einfach unser Ding. Wenn man anfängt, sich darauf zu konzentrieren, dass bestimmte Songs mehr knallen müssen, live besonders gut funktionieren müssen und ein super krasses Video haben sollen, damit mehr Leute klicken, dann kann sowas auch schnell mal scheiße werden. Irgendwann fängt man sonst an, so verdreht zu denken. Ich bin Fan davon, nur noch an sich als Band zu denken und sich darauf zu konzentrieren, was wir für Musik geil finden. Der Rest kommt von alleine. Wenn Leute deswegen abspringen, dann passiert das halt. Das können wir ja nicht ändern. Hauptsache wir sind mit uns glücklich.

Roman: Was wichtig ist, ist dass Adam Angst immer noch nicht unser Hauptberuf, sondern eher unser Hobby ist. Natürlich ist das krass auf dem Highfield und dem Hurricane Festival zu spielen, da eingeladen zu werden und Geld dafür zu bekommen, da zu spielen. Das ist aber nichts, was wir als Standard ansehen. Wir gehen alle unserer Arbeit nach und können demnach machen, was wir wollen, weil das unser persönliches Baby ist und eben nicht etwas, womit wir uns ernähren müssen. Das ist unser schöner Luxus. Wir können die Platte machen, wie sie uns gefällt und wenn die anderen Leuten ebenfalls gefällt, ist das super geil. Und klar wird es da Leute geben, die abspringen. Das ist aber vollkommen okay. Man kann niemandem irgendwas aufzwingen. Wir wollen eben auch Musik machen, die uns gefällt, und nicht irgendwas, das für die Masse tauglich ist.

minutenmusik: Genau das Gefühl hat man bei Musik aber ja wirklich oft: Dass die Musiker sich eben so verbiegen, damit man eine breitere Masse ansprechen kann.

Roman: Genau. Es ist aber natürlich immer noch ein Problem, dass das eben „nur“ Hobby ist. Wir müssen uns ja immer Urlaub nehmen, wenn wir auf Tour gehen. Bei Felix auf der Arbeit gibt es sowas wie ein Sommerloch nicht, deshalb ist die Festival-Saison immer relativ stressig. Da ist es dann auch schwierig, kreativ zu werden, wenn man unter der Woche arbeitet und am Wochenende auf Festivals unterwegs ist. Da muss Felix dann nach der Maloche versuchen, was aus sich heraus zu bekommen. Für mich sind Tourneen im Winter dafür oft schwierig. Das geht nur mit viel Kulanz von Seiten meines Arbeitgebers.

Felix: Ja, wahrscheinlich wären wir mittlerweile bereits Klickgiganten, wenn wir die Musik beruflich machen würden. Dann würden wir einfach wirklich Songs schreiben, die alle mitsingen können, weil wir davon abhängig wären, dass Leute uns dafür bezahlen.

minutenmusik: Das ist doch ein schönes Schlusswort! Vielen Dank für das Interview.

Und zack, schon ist unsere ausführliche Interviewreihe mit Adam Angst zu Ende. Bis bald!

Hier geht es zu Teil 1 des Interviews!

Hier zu Teil 2!

Eine ausführliche Doppel-Rezension der Platte gibt es hier.

Das Album “Neintology” (erscheint am 28.09.) kannst du dir hier kaufen.*

Und so hört sich das an:

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Adam Angst live 2018:

15.11. – Wiesbaden, Schlachthof (ausverkauft!)
16.11. – Wien, Arena (Hochverlegt!)
17.11. – München, Backstage Halle (hochverlegt!)
18.11. – Zürich, Dynamo
20.11. – Köln, Kantine (verlegt!)
21.11. – Hannover, Musikzentrum
22.11. – Münster, Sputnikhalle (hochverlegt!)
23.11. – Bremen, Kulturzentrum Schlachthof (hochverlegt!)
24.11. – Hamburg, Übel & Gefährlich (hochverlegt!)
25.11. – Berlin, Festsaal Kreuzberg (hochverlegt!)

Adam Angst live 2019:

22.02. – Dresden, beatpol
23.02. – Leipzig, Conne Island
24.02. – Frankfurt am Main, Das Bett
01.03. – Stuttgart, Im Wizemann
02.03. – Osnabrück, Kleine Freiheit
03.03. – Dortmund, FZW

Foto von Markus Hausschild.

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