Danger Dan, Elbphilharmonie Hamburg, 14.01.2023

Danger Dan Elbphilharmonie Hamburg minutenmusik

„Normalerweise bin ich Gangster Rapper bei der Antilopen Gang“, stellte sich Danger Dan am Samstagabend dem Publikum in der Elbphilharmonie Hamburg vor. Auf den ersten Blick wirkte der Sänger in dieser pompösen Location mit seiner roten Bomberjacke und den Springerstiefeln durchaus etwas fehl am Platz. Doch das, was Danger Dan an diesem Abend musikalisch präsentierte, hatte nur wenig mit Gangster Rap zu tun. Pünktlich zum ersten Pandemie-Lockdown hatte der Rapper 2020 nach langer Zeit mal wieder sein Klavier von der Antilopen Tour mit nach Hause genommen. Eigentlich habe er üben wollen, doch weil er – wie er in einer Ansage erzählte – nicht gerne übt, war irgendwie ein Klavieralbum daraus entstanden (unsere Rezension dazu findet ihr hier). Insbesondere die gleichnamige Single „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“ hatte nach dem Release mit ihrem politischen Text für großes Aufsehen gesorgt.

Klavieralbum hin oder her – die Elbphilharmonie vereinte an diesem Abend sowohl die jüngeren Generationen in Bandshirts, als auch die etwas älteren Gäste in Anzug und Krawatte zu einem vollständig ausverkauften Saal. Zunächst erklärte Danger Dan aber die Spielregeln der Veranstaltung: es sei kein Platz für Homo- oder Transphobie, Rassisten, Nazis und AfD-Sympathisanten. Wer sich daran nicht halten wolle, könne gerne direkt wieder gehen. Und man solle ihn bitte Daniel nennen – denn mit fast 40 Jahren stelle er sich nur noch ungern als Danger Dan vor.

Sofort war klar, dass der Sänger sich von der beeindruckenden Location nicht einschüchtern ließ, sondern sympathisch und bodenständig durch den Abend moderierte. Während er sich selbst am Klavier begleitete, präsentierte Daniel Pongratz mit „Lauf Davon“ und „Topf und Deckel“ die ersten Songs seines Albums. Zur Pandemie-Single „Nudeln und Klopapier“ sangen die 2.100 Zuschauer*innen gemeinsam das Wort „Klopapier“ mit – ein Szenario, das man sonst in der Elbphilharmonie wohl kaum erwarten würde. In einem Lied verarbeitete Daniel seine traumatische Schulzeit am Viktoria Gymnasium in Aaachen („Ingloria Victoria“) und erhob dabei nicht nur metaphorisch den Mittelfinger gegen das deutsche Schulsystem. Seine absurden Beobachtungen einer Corona-Demonstration besang er in „Das schreckliche Buch“ und vergas dabei kurz mal seinen eigenen Text, ehe er mit „Meine Freiheit, Deine Freiheit“ ein unterhaltsames Georg Kreisler Cover zum Besten gab.

Während der ersten Konzerthälfte bewies Daniel bereits, dass er als Solokünstler, Alleinunterhalter und Comedian auch in einem beeindruckenden Konzerthaus wie der Elbphilharmonie funktioniert. Doch so richtig magisch wurde der Abend erst, als der Musiker schließlich sein Streichquartett ankündigte. Unter der Leitung von Musical Director Jonathan Heck trat das Heck Quartett auf die Bühne – Shir-Ran Yinon an der ersten Geige, Jonathan Heck an der zweiten Geige, Coen Strouken an der Bratsche und Nariman Akbarov am Cello. In einer bewegenden Anmoderation erklärte Daniel, dass man beim Thema Kunstfreiheit nicht außer Acht lassen dürfe, was vor wenigen Generationen noch in Deutschland geschehen war und wie viele Kompositionen die Zeit des Nationalsozialismus nicht überstanden haben. In Gedenken daran, dass so etwas nie wieder geschehen dürfe, überließ er die Bühne dem Heck Quartett, welches das von Hans Drach geschriebene Stück „Mein Vater wird gesucht“ aus dem Jahre 1935 spielte. Im Text des Liedes wird aus der Perspektive eines Kindes die Verfolgung und Ermordung seines Vater durch die SA erzählt. Als ruhiges Stück beginnend geht die Melodie in eine hektische Verfolgungsjagd über – und brachte mit seiner bedrückenden Stimmung kurzzeitig die gesamte Elbphilharmonie zum Schweigen. Es folgte der verdiente, tosende Applaus für den wohl bewegendsten Moment des Abends.

Emotional ging es weiter: Daniel trat zurück auf die Bühne und gemeinsam mit seinem Streichquartett spielte er „Ölsardinenindustrie“, einen älteren Song, der vor mittlerweile zehn Jahren erschienen und wohl insbesondere Antilopen Gang Fans ein Begriff ist. Besonders mitreißend wurde es schließlich bei „Eine auf Maul“ – einem Song des Vorgängeralbums „Reflexionen aus dem beschönigten Leben“, welches der Musiker 2018 veröffentlicht hatte (unsere Rezension dazu lest ihr hier). Eine flackernde Lichtshow, die energischen Streichinstrumente und ein geladener Text ließen den Song über Selbstzweifel wie den Soundtrack eines epischen Hollywood Films erklingen.

Ebenfalls zu seinen älteren Liedern gehörte Daniels „Private Altersvorsorge“ – im Rahmen einer Psychotherapie hatte er diesen Song von seiner ersten EP wiedergefunden und sich selbst mit „Private Altersvorsorge 2“ eine Antwort darauf geschrieben. Beide Songs befassen sich mit dem zweifelhaften Werdegang des Sängers, denn als mehrmaliger Schulabbrecher, der schon früh seiner Leidenschaft zur Musik nachging, war lange Zeit unklar, ob er es als Danger Dan jemals zu etwas bringen würde. Dass Daniel diese beiden Songs nun gemeinsam mit einem Streichquartett auf der Bühne der Elbphilharmonie spielte, bewies in jedem Fall, dass er damals wohl den richtigen Weg gewählt hat.

Zum Ende des Konzertes präsentierten die Musiker*innen noch eine blumige Version des Liebesliedes „Trotzdem“, das in seiner von Jonathan Heck komponierten Version wie eine Mischung aus Frühlingserwachen und Bridgerton-Soundtrack klang. Schließlich war es Zeit für den Song, auf den wohl die meisten Zuschauer*innen schon sehnsüchtig gewartet hatten: „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“. Egal zu welchem Balkon der wellenartigen Location man blickte, man sah ausschließlich begeisterte Gesichter, als das Publikum gemeinsam „Militanz“ in die Elbphilharmonie brüllte. Noch so ein absurder Moment an diesem rundum gelungenen Abend.

Bei der Zugabe gab es dann noch ein unerwartetes Highlight: für den Song „Die Prinzentragödie“ trat auf einmal Die Prinzen-Sänger Sebastian Krumbiegel für ein unterhaltsames Duett auf die Bühne, bei dem Daniel vor allem über seine eigene Schönheit sang. Auch die darauffolgende Single „Eine gute Nachricht“ darf nicht unerwähnt bleiben, denn zu diesem gefühlvollen Radiohit erstrahlte der gesamte Saal in einem zauberhaften Licht aus grellen Handytaschenlampen. Der Abend endete schließlich mit dem Song „Tesafilm“ und einem weiteren Solo des fantastischen Heck Quartetts.

Auch wenn Danger Dan auf den ersten Blick nicht in die Elbphilharmonie zu passen schien, so bewies Daniel Pongratz im Laufe des Abends, dass er sich seinen Platz auf dieser Bühne rechtmäßig verdient hatte. Dennoch zeigten kleine Details wie sein Outfit, vergessene Texte, Antilopen Gang Anekdoten oder ein auf Instagram improvisierter Song über das strenge Rauchverbot der Location, dass dem Sänger sein wohlverdienter Erfolg bislang nicht zu Kopf gestiegen ist und noch immer gilt: „Du kriegst diese Gang aus dem Aschenbecher, doch den Aschenbecher nicht aus der Gang.“

Und so hört sich das an:

Danger Dan

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Antilopen Gang

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Danger Dan – Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt – Tour 2023

20.01.2023 Wolfsburg – Scharoun Theater (AUSVERKAUFT)
21.01.2023 Hamburg – Laeiszhalle (AUSVERKAUFT)
26.01.2023 Köln – Philharmonie (AUSVERKAUFT)
28.01.2023 Berlin – Konzerthaus (AUSVERKAUFT)
30.01.2023 München – Isarphilharmonie (AUSVERKAUFT)
03.02.2023 Zürich (CH) – Tonhalle (AUSVERKAUFT)

40 Jahre Danger Dan

02.06.2023 Berlin – Geheimer Ort
03.06.2023 Berlin – Geheimer Ort (AUSVERKAUFT)

Sommer 2023

16.06.2023 Linz (AT) – Lido Sounds
17.06.2023 Trier – Porta Hoch 3 Festival

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