Die 80er Live, Merkur Spiel-Arena Düsseldorf, 14.01.2023

opening bei die 80er live in düsseldorf

Die 80er. Ein Jahrzehnt, das anscheinend alles richtig gemacht hat. Wohl niemand würde behaupten, dass ihm*ihr die Musik nicht positiv im Kopf geblieben ist. Ganz egal, ob persönlich miterlebt oder auch erst nachträglich entdeckt. Die 80er hatten wahre Megastars, sehr prägnante Looks, unverwechselbare Sounds, die seit einigen Jahren erneut in Tracks wiederverwertet werden. Bei The Weeknd und sein „Blinding Lights“ hat das sogar zum zweitmeistverkauften Lied aller Zeiten geholfen. Grund genug, um dem Jahrzehnt mit einem Gigaevent zu huldigen. Das nennt sich Die 80er Live und ist nicht in London, sondern in Düsseldorf.

38.000 Menschen versammeln sich am 14.1., einem Samstag, bereits ab 14 Uhr in der größten Location NRWs, in der zwar nicht hauptsächlich, aber auch Konzerte stattfinden. Das Stadion von Fortuna Düsseldorf wird gern zweckentfremdet und holt wirklich wenn, dann nur die Allerwichtigsten. Lady Gaga, Beyoncé, Robbie Williams, Harry Styles. Oder lässt eben die europaweit größte 80er-Party steigen. Die Arena kann bei Shows für bis zu mehr als 60.000 Leute hosten. So viele sind’s heute nicht, aber immer noch eindeutig genug. Der Innenraum ist zu späterer Stunde gefühlt trotzdem fast ausverkauft, der Unterrang komplett voll, nur im Oberrang ist’s doch eher karg.

Die 80er Live ist kein neues Konzept. Bereits seit rund fünf Jahren läuft die Idee recht erfolgreich, nur inhaltlich bewegt man sich sonst genau eine Dekade später. Dabei war besonders die 2019-Ausgabe von „Die 90er Live“ ein ziemlicher Reinfall. Brachte sie zwar Blümchen zurück auf die Bühne, war ansonsten aber das große Treiben einfach eine trashige Ballermann-Veranstaltung in Gelsenkirchen statt auf Malle.

Doch 80er sind nicht 90er und das Publikum auch quasi ein vollkommen anderes. Gemeinsamkeiten: Einige haben sich dem Jahrzehnt entsprechend gekleidet und gönnen sich teils coole und schillernde, teils aber auch fremdschämige Outfits. Außerdem ist die Tanzlaune ähnlich und einiges an Bühnentechnik. Das war’s dann aber auch schon. Ansonsten zeigt sich Die 80er Live in ihrer ersten Ausführung fast durchweg von ihrer besten Seite, bei der alle wohl ein Stück wiederbelebtes Lebensgefühl mit nach Hause schleppen.

14 Uhr Einlass, 16 Uhr Beginn, 22 Uhr Ende. Ordentlich Programm auf der Agenda, somit hoffentlich gutes Durchhaltevermögen bei den Zuschauer*innen. Da der Timetable bereits vorab online einsehbar ist, scheinen sich manche der Ticketinhaber*innen absichtlich etwas Zeit zu lassen und erst gute zwei Stündchen später einzutrudeln. Jede*r hat da ja persönliche Favorit*innen und womöglich auch so manchen Act, den man sich sparen kann. Immerhin ist es eh nahezu unmöglich, alle 11 Artists von vorne bis hinten mitzuerleben. Da muss man die rund 15 bis 20 Minuten Umbaupausen zwischendrin schon geschickt nutzen, um Trinken zu besorgen, Essen gekauft zu haben, das Örtliche von der To Do abstreichen zu können und – und das ist das größte Problem – die Stimmung anheizenden Songs zum Mitsingen komplett ignorieren.

Denn langweilig wird es auf dem strenggenommen gleich sechseinhalb Stunden langen Festival nicht. Running Order: F.R. David („Words“), Cutting Crew („(I Just) Died In Your Arms“), Marc Almond von Soft Cell („Tainted Love“), Howard Jones („What Is Love“), Gazebo („I Like Chopin“), Sandra („Maria Magdalena“), Limahl von Kajagoogoo („Too Shy“), Nik Kershaw („Wouldn’t It Be Good“), Samantha Fox („Touch Me“), Alphaville („Big In Japan“) und Holly Johnson von Frankie Goes To Hollywood („Relax“). Liest sich wie die Acts bei der kultigen Musikshow Formel Eins? Wie praktisch, dass Peter Illmann, der erste Moderator der Show, das Festival hostet.

Ok, klar. Da steht jetzt nicht Madonna auf dem Lineup, nicht mal Nena. Stattdessen tummeln sich hier Stars, die durchweg alle Ewigkeiten keinen Charterfolg mehr hatten. Manche hatten sogar in den 80ern nur einen Hit. Aber dafür eben einen großen. Sieben Künstler*innen standen mindestens einmal an der Chartspitze, alle elf mindestens auf Platz 6. Und ja, das ist ein Qualitätsmerkmal, denn damals musste man Musik immerhin bewusst kaufen und hatte nicht automatisch Zugriff auf alles, was es so gibt. Da bestand die gesamte Top 20 sozusagen aus Hits. Und die, die bei Die 80er Live zu hören sind, sind auch heute noch im Ohr geblieben und laufen immer mal wieder im Radio, beim Shoppen und natürlich auf Retropartys.

Eine Klimax ist erkennbar. Im Laufe der sechs Stunden nehmen die Acts kontinuierlich an Star- und die Songs an Hitpotenzial zu. Zumindest bei den ersten fünf Auftritten, die jeweils zwischen 15 und 20 Minuten dauern, muss man ein wenig über aufkommende Längen hinwegsehen. Natürlich sind „Words don’t come easy“, „Oh I, I just died in your arms tonight“ und „Oh, tainted love“ schon beim bloßen Lesen gesetzte Ohrwürmer für Stunden, aber alles andere aus dem Repertoire der Künstler*innen ist in den rund 40 Jahren dann doch in der „Irgendwann mal gehört, aber schon vor einem halben Leben vergessen“-Schublade verschwunden. Hier könnte überlegt werden, ob es sich nicht lohnt, die gesamte Show auf vier Stunden zu kürzen und ein reines Hit-auf-Hit-Feuerwerk abzuschießen. Jede*r Künstler*in einen oder zwei Songs, dann der nächste, dafür vielleicht fünf Acts mehr.

Aber auch so liefert Die 80er Live gutes Feeling, das besonders in den letzten drei Stunden bei allen angekommen scheint. Auf den Rängen wird eher gestanden statt gesessen, lässt es sich so doch viel besser tanzen. Unten im Innenraum knutscht man wie mit 15, behängt sich mit Luftschlangen, wirft die Arme nach oben und spürt Nostalgie. Sowieso ist die Crowd äußerst friedlich, nur vereinzelt zum Saufen da und stattdessen für Gute Laune angereist. Das liegt nicht zuletzt daran, dass auch auf der Bühne keine hohlen Phrasen wie „Zicke Zacke“ gebrüllt werden und man eben alles ein wenig stilvoller und gesitteter hält. Besser so.

Trotzdem gibt’s an einigen Stellen ein paar Abzüge. Showtechnisch ballert man schon zum Opening ein fettes Indoor-Feuerwerk ab, schießt über das gesamte Festival verteilt zig Male große Konfettikanonen in die Höhe, hat sehr heiße Feuereffekte parat sowie eine atmosphärische Lasershow zum Start, der schon um 15:52 Uhr fällt. Warum hält man es dann für eine gute Idee, Personen, die gefühlt gerade volljährig sind, zwischenzeitlich auf der Bühne tanzen zu lassen, die das Event kaum ernst nehmen und besser auf TikTok als in der Merkur Spiel-Arena wären? Unnötig. Peter Illmann ist zweifellos für die Veranstaltung genau richtig, mit seinen aber doch sehr kurzen Anmoderationen von je ein bis zwei Minuten aber höchstens insgesamt eine gute halbe Stunde zu sehen. Den Rest reißt ein gut gelaunter DJ, der viele passende – Achtung, 80er-Slang – Scheiben auflegt.

Organisatorisch geht zumindest hinsichtlich des XXL-Konzerts alles glatt. Zum Ende raus schafft man es mit gerade einmal 25 Minuten Verspätung die Leute in den Abend zu entlassen. Da kann bei so vielen Acts auch mehr schief gehen. Gut! Soundtechnisch hingegen gibt es zumindest im Oberrang wohl erhebliche Probleme. Der Klang scheint nicht für eine so große Halle vorbereitet worden zu sein, sodass es Kritik auf den Sozialen Netzwerken hagelt. Die Veranstalter*innen reagieren prompt und bieten Rabattaktionen für nächstes Jahr. Wir waren sowohl im Unterrang in mehreren unterschiedlichen Blocken und auch im Innenraum kurz vor der Bühne und haben die Soundprobleme nicht wahrgenommen. Für uns klang es völlig in Ordnung. Nicht top, aber solide.

Das Lineup ist zwar mit gerade einmal zwei Künstlerinnen mal wieder entschieden zu Männer dominiert, hat aber ansonsten eben richtig gut was zu bieten. Schön ist auch der Fakt, dass gleich zehn Sänger*innen live zu hören sind. Natürlich oft von Background*sängerinnen unterstützt, aber eben live. Viele haben ihre Tracks mit dem Berliner Show Orchestra einstudiert, das zwischenzeitlich über 15 Instrumentalist*innen auf der Bühne versammelt. Nur Sandra scheint sich nicht die Blöße geben zu wollen und wählt Vollplayback. Ob es besser wäre, den Alterungsprozess zu hören und nicht alles ganz 100 Prozent top zu singen, oder lieber alle Fans im Unklaren zu lassen und Studio Versionen abzuspielen – Geschmacksache. Dennoch gibt das Publikum bei Sandra erstmalig positives Feedback in Form von „Zugabe“-Rufen.

Alle anderen liefern akzeptable bis sogar sehr gute Performances ab. Richtige Highlights sind der sehr musikalische Nik Kershaw, der an der Gitarre wie am Mikro gleichermaßen punktet. Samantha Fox ist nicht die beste Sängerin, aber immer noch eine sehr laszive Entertainerin, wie man’s damals eben geil fand. Marian Gold von Alphaville beweist zwar mit mehreren äußerst hohen Tönen, dass er noch durchaus dazu fähig ist, imposant zu singen, meint es jedoch ganz besonders bei „Big In Japan“ viel zu gut. Viele Schlenker, viele Phrasierungen – aber alle tonal völlig daneben. Unangenehm. Dass er bei „Forever Young“ viel die Besucher*innen singen lässt, ist für alle die bessere Entscheidung. Dafür ist mit Holly Johnson von Frankie Goes To Hollywood nicht nur ein in Deutschland sehr selten zu sehender Gast fürs Finale ausgewählt worden, sondern auch die stärkste Persönlichkeit zum Abschied wirklich erlebenswert. Schon beim provokant-mutigen „Relax“ als ersten Titel ist der Applaus zu recht riesig – beim Abschluss mit „The Power Of Love“ erlebt man aber einen kleinen Magic Moment, den man so wohl nicht so schnell wieder erlebt. Gesang, als wäre die Zeit stehengeblieben. Ein Chor mit fast 40.000 Begeisterten. Eine Message, die man verinnerlichen muss.

Schon jetzt steht der Termin für die zweite Ausgabe. Die wird am letzten Samstag im März 2024 stattfinden, allerdings in der Veltins-Arena in Gelsenkirchen. Das wurde einem auch ein wenig sehr penetrant durch einen immer und immer wieder gezeigten Trailer auf den Leinwänden eingetrichtert. Aber mit Bananarama und ganz besonders mit Boy George (Culture Club) hat man schon jetzt zwei bemerkenswerte Zugpferde safe. Ist der Ton dort für alle rund und strafft man hier und da noch ein wenig, werden Nostalgiker*innen auch in 14 Monaten wieder Die 80er Live spüren, als wären sie in den DeLorean von Dr. Emmett Brown eingestiegen.

Und so hört sich das an:

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Foto von Christopher

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