Es blitzt ungeheuerlich und es rauscht gewaltig. Ein Anruf wird getätigt. Dann tritt ein junger Mann in den Kreis aus altmodischen Kerzenständern und verhangenem Utensil. Edwin Rosen heißt er und er bringt die Düsterromantik.
Gleich dreimal ist das Carlswerk dicht. Lange schon. Monate im Voraus. Viele tausend Menschen. Dabei hat Edwin Rosen gerade einmal elf eigene Songs. Über Drumcomputer-lastige, Synthesizer-getränkte Instrumentals besingt er in diesen ganz klassisch der Romantik entsprechend die Sehnsucht – nach Menschen, nach Situationen, nach sich Selbst. Eigentlich wollte er vor der Tour eine EP mit vier neuen Songs veröffentlichen. Es gelang ihm gerade mal anderthalb zu schreiben. Einer – er heißt „Kontrollverlust“ – erschien kürzlich. Der andere tauft sich „Schau Dir Zu“ und hat noch keine zweite Strophe. Er wurde erst kurz vor der Tour geschrieben und hat noch kein Releasedatum. Edwin spielt ihn trotzdem. Ein bisschen strukturierter wirken die neuen Stücke, versuchen zudem aus der typische Edwin Rosen-Formel auszubrechen. Es gibt etwas Klavier hier, mal gleich zu Beginn einen Chorus, generell etwas pointiertere Lyrics.
Nun steht er aber eine Stunde lang (länger ist nicht drin) vor den knapp 1600 Zuschauer*innen, die begeistert jedes Wort zurückwerfen, ansonsten viel filmen. Den meisten scheint es viel zu bedeuten ihre Lieblingssongs „in Person“ zu erleben. Die Pärchen umschlingen sich besonders bei „Vertigo“ eng. Eine gewisse Romantik durchzieht jedoch alle Edwin Rosen Songs. In Szene gesetzt wird das ganze vor allem mit Fake-Kerzen und vielen weißen Laken, die manchmal grell, meistens aber in sattem rot und blau beleuchtet werden. Oft außerdem werden subtile Projektionen auf die Laken geworfen. Gesichtsfragmente, abstrakte Symbole, ein bisschen atmosphärisches Flimmern. Die Romantik Edwin Rosens also sitzt in düsteren Kontexten.
Auch wenn Edwin Rosen für Clubs mittlerweile zu groß gewachsen ist, durchzieht die 60 Minuten ein Gefühl der Gemeinsamkeit und Nähe. Er führt quasi Konversation mit Zurufen, gratuliert Fans zum Geburtstag und ist auch sonst ein offenes Buch (das mit den gescheiterten EP-Plänen erzählt er etwa und, dass eine Rauferei der ersten Köln-Show etwas Stimmung geraubt hat). Es entsteht soetwas wie eine fiktive Augenhöhe – fiktiv, weil Edwin Rosen dennoch über allen auf der Bühne steht. Und doch sind es diese kleinen Gesten, die ihn nahbar machen. Er trägt etwa ein Shirt von Borninmay, der heute spontan als Support eingesprungen ist (3LNA konnte wegen des Bahnstreiks nicht anreisen). Borninmay jedenfalls scheint viel Slowdive und Turnover gehört zu haben. Das Resultat daraus ist ein peppiger Shoegaze-Dream-Pop-Hybrid. Auch wenn nicht jeder Handgriff sitzt (bei der Spontanität verziehen), einige neue Fans wird der junge Musiker gewonnen haben.
Die Zugabe teilen sich ein lichtdurchflutetes Cover von Grauzones “Marmelade und Himbeereis” sowie eine zweite Runde “Vertigo”. Letzteres diesmal mit der Bitte diesmal die Handys beiseite zu packen. Und tatsächlich: Sie bleiben beiseite. Dann ein letztes Tönen als Edwin Rosen von der Bühne schreitet. Zurück bleibt ein abstraktes Projektorrauschen auf den Laken.
Und so hört sich das an:
Edwin Rosen live:
17.11.2023 Dortmund, FZW (ausverkauft!)
18.11.2023 Erlangen, E-Werk (ausverkauft!)
20.11.2023 Wien, Arena (ausverkauft!)
21.11.2023 München, Backstage (ausverkauft!)
22.11.2023 Zürich, X-tra (ausverkauft!)
24.11.2023 Karlsruhe, Tollhaus (ausverkauft!)
25.11.2023 Ulm, Roxy (ausverkauft!)
02.02.2023 Braunschweig, Westand (ausverkauft!)
03.02.2023 Wiesbaden, Schlachthof (ausverkauft!)
04.02.2023 Stuttgart, LKA (ausverkauft!)
Beitragsfoto von Jonas Horn.
* Affiliate-Link: Du unterstützt minutenmusik über deinen Einkauf. Der Artikel wird für dich dadurch nicht teurer.