Was habe ich schon mit 18 Jahren gemacht? Ziellos zog ich damals durch die Kneipen und Bars meiner Heimatstadt und ignorierte die sich anbahnenden Jahre voller Verantwortung und möglicher Karriereziele, die bei mir nicht ausgereifter waren als: „Och, vielleicht mach ich ja irgendwas mit Medien!“ Nicht so Deutschrap-Newcomerin badmómzjay, die mit „18“ nach millionenfach geklickten Single-Releases endlich ihre Debüt-EP veröffentlicht und ihren Weg ins 18te Lebensjahr zelebriert. Keine verkopfte Sinnsuche nötig, nein, die junge Rapperin weiß genau, was sie will.
Große Klappe…
Ähnlich wie auf ihren vorangegangenen Single-Veröffentlichungen teilt badmómzjay auf „18“ ordentlich aus. Bereits auf dem einleitenden „T.H.A.L“ (kurz für „these hoes ain’t loyal“) spricht sie der deutschen Rap-Szene die Glaubwürdigkeit ab und beansprucht den Titel der härtesten Rapperin Deutschlands für sich. Und tatsächlich: Besonders brilliert die sechs Tracks starke EP immer dann, wenn die 17-jährige sich Zeit für ausufernde, harte Rap-Strophen nimmt und weitestgehend auf Sing-Sang-Melodien verzichtet. Von dem kompromisslos arroganten Stimmeinsatz badmómzjays können sich Shirin David, Juju und Co noch so einiges abgucken. Ohne mit der Wimper zu zucken oder über die Angemessenheit ihrer Zeilen nachzudenken, rotzt die Rapperin geradezu ihre aggressiven Verse über die trappigen Produktionen der Platte und bleibt dem für sie typischen, englisch-deutschen Sprach-Mix treu. Dabei scheut sie sich nicht sexistische Parolen. die bei ihren männlichen Genre-Kollegen zum festen Repertoire gehören, für sich zu beanspruchen („So bitch, get off my dick“) oder die bestehende Szene-Hierarchie in Frage zu stellen („Sag, wer ist hier der Boss?“). Auf dem brachialen „Ice Cube“ holt sie sogar in Richtung hiesiger Pop-Gefilde aus, wirft jay der ESC-Gewinnerin Lena Meyer-Landrut hier doch unmissverständlich vor, eines ihrer Musikvideos kopiert zu haben („Lena Meyer will mein Video sehen, denn ihr fehlen mal wieder die Ideen“). Damit meint die Rapperin vermutlich Lenas und Nico Santos‘ Video zum Song „better“, das in seiner Farbästhetik und mit dem darin zu sehenden schwarzen Pferd an den zwei Monate zuvor veröffentlichten Clip zu ihrem Song „Papi“ erinnert. Auf den im Internet kursierenden Vorwurf, badmómzjay habe die Melodie zu ihrer Single „Rollercoaster“ eins zu eins von Doja Cats und Tygas „Juicy“ übernommen, reagiert sie dagegen nicht.
…und dennoch was dahinter?
Genug Gefronte! Auf zwei der sechs Anspielstationen legt die Rapperin ihre markant freche Vortragsweise ab und wagt sich an melodischere Songstrukturen. Während der Song „Signal“, offensichtlich der klägliche Versuch einen etwas verspäteten Sommerhit zu laden, musikalisch so generisch wie textlich bedeutungslos daherkommt, eröffnet „Supernova“ zuvor nicht bekannte Tiefen in der Biografie der jungen Rapperin. In gefühlvoll gesungenen Zeilen wendet sie sich dabei an ihren Vater, den sie scheinbar nie wirklich kennengelernt hat. Den damit verbundenen Schmerz trägt sie über kleine Alltagserzählungen und nachvollziehbare Sprachbilder eindrucksvoll zu ihrer Zuhörerschaft („Wusste immer, wie man Mama und nicht Papa malt/ mal dich rabenschwarz, denn du warst nicht da“). Ein Song der nicht nur berührt, sondern den Menschen hinter der Rap-Persona badmómzjay hervorholt und klar macht, dass sie mehr kann als mit ihrem auffälligen Look und markanten Trap-Flows die deutsche Version von Bhad Bhabie zu mimen. „18“ ist nicht ihr großer Wurf, mit Sicherheit aber ein perfekter Appetitmacher auf all das, was da noch kommen mag. Genug Potenzial und Zielstrebigkeit, um die deutsche Rap-Landschaft über lange Zeit zu bereichern, beweist die junge Rapperin mit ihrer Debüt-EP allemal.
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