Schon im Vorprogramm der Pop-Sängerin Birdy sang Dan Owen vor zwei Jahren einige der Songs, die es jetzt auf sein langersehntes Debütalbum “Stay Awake With Me” geschafft haben. Die Erfahrung, vor Publikum zu spielen, machte der Engländer übrigens schon im zarten Alter von 13 Jahren. Anfangs noch im Team mit seiner Schwester, entwickelte er mit der Zeit ein Live-Programm als „Blues Boy Dan“, bei dem er sich insbesondere durch Coverversionen bluesiger Klassiker einen Namen machte. Irgendwann entstanden Eigenkompositionen, die zwar viel poplastiger klangen als sein restliches Repertoire, aber dabei nie künstlich oder oberflächlich wirkten.
Dan Owen schöpft in seinem selbst geschriebenen Material aus der Tiefe seiner Erfahrung und beweist ein Händchen für ausgeklügeltes, einfühlsames Songwriting. Und warum auch sollte man sich gezwungenermaßen dauerhaft auf ein Genre festlegen? Songs, die Ansprüchen an Popularität genügen und damit ohne Frage in gewisser Hinsicht kommerzieller wirken, können eben zweifelsfrei nach wie vor gute Songs sein. „Meine Musik ist seit den Zeiten, in denen ich einfach hingegangen bin und alte Bluessongs gespielt habe, um einiges kommerzieller geworden, aber das liegt halt daran, dass ich angefangen habe, Songs zu schreiben, und daraus haben sich halt keine 12-taktigen Bluessongs ergeben“, erklärte uns Dan vor einer Weile. „Ich werde von so vielen verschiedenen Arten von Musik beeinflusst.“ Dennoch gebe es nun einmal die Bluespolizei, die behaupten mag: „Oh, Dan Owen hat sich verkauft!“
Dabei gibt es nun wirklich keinen Grund zu solch einer Annahme. Wer Dan Owen am 09. September 2018 im Artheater in Köln-Ehrenfeld gesehen hat, weiß das nur zu gut. Während bei dem etwa 65-minütigen Auftritt selbstverständlich ein Großteil des noch jungen Debütalbums gespielt wurde, ließ Dan es sich nicht nehmen, den Abend mit „Little Red Rooster“ von Willie Dixon zu eröffnen und mit Bob Dylans „Ballad Of Hollis Brown“ abzuschließen. Das eigene Material fügte sich sehr harmonisch dazwischen ein, wirkte keinesfalls widersprüchlich im Vergleich mit den Nummern seiner frühen Vorbilder. Es entstand ein sehr kurzweiliges, abwechslungsreiches und vor allem spaßiges Programm. Im Publikum herrschte überaus gute Laune. Dan Owen gelang es jedoch zusätzlich, auch einige andächtige Momente in seinem Set unterzubringen.
Für die Zugabe bewahrte er sich den Titeltrack des Albums auf. „Stay Awake With Me“ ist ein Song, den Dan seinen Großeltern gewidmet hat. Der Wunsch, ein solches Lied zu verfassen, in welchem er die Gefühle beschreibt, die aufkommen können, wenn man einen geliebten Menschen irgendwann loslassen muss, kam dem Sänger nach dem Tod seines Großvaters vor weniger als einem Jahr.
„Hand That You Hold“ ist ein weiterer sehr nachdenklicher Song, der die Bedeutung zwischenmenschlicher Beziehungen untermauert: “Die Zukunft liegt in der Hand, die du hältst”, lautet hier die Botschaft.
Ein schon länger bekannter und überaus beliebter Song von Dan Owen ist „Made To Love You“. Er handelt von Gewalt innerhalb einer Liebesbeziehung und ist angelehnt an Erfahrungen, die ein Freund von ihm machen musste: „Er war in einer Beziehung mit einem Mädchen. Letztlich verhielt sie sich sehr gewaltsam ihm gegenüber. Nachdem wir in einem Pub waren und darüber redeten, er mir das erzählte… und er ist groß, andauernd im Fitnessstudio, hat Muskeln, aber würde keiner Fliege etwas zuleide tun… ja, es kam dazu, dass sie ihn schlug. Und er würde natürlich nicht zurückschlagen. Das ist einfach keine schöne Situation. Das scheint mir etwas zu sein, worüber nicht genug geredet wird. Ich wollte einfach ein Lied darüber schreiben.“ Mittlerweile wurde das Lied mehrmals aufgenommen. Die Version auf dem Debütalbum klingt ein wenig „produzierter“ als die frühere Version. Live klingt sie wiederum schlichter, ist dabei aber ein Highlight im Programm.
„Call My Name“ ist mal ein etwas anderer Song des 26-Jährigen, der auch etwas Geheimnisvolles an sich hat und weniger geschliffen daherkommt als die ruhigeren Lieder der Platte. Zu den stimmungsvollsten Songs gehören „What Is A Man“ und „Icarus“, mit viel Aufwand und einigen Instrumenten mehr als auf der Bühne wurde auch „Hideaway“ eingespielt. Die Nummer ist auf dem Album geradezu ein Rocksong, während Dan sie live bloß mit einer Akustikgitarre und etwas ruhiger vorträgt. So muss man das Album auch im Ganzen vom Konzerterlebnis unterscheiden. Vieles, was in den Songs zu hören ist, kann Dan, der lediglich von einem Freund auf der Bühne begleitet wird, so live nicht umsetzen. Daraus entsteht jedoch kein Nachteil, denn auch die etwas reduzierteren Versionen haben ihren ganz eigenen Reiz. Es wäre interessant, Dan Owen einmal mit einer vollständigen Band auf Tour zu sehen, doch sein aktuelles Bühnenprogramm lässt eigentlich bereits kaum Wünsche offen.
„Fall Like A Feather“ ist auch einer dieser unverkennbar großartigen Songs, die einem einfach auf Anhieb gefallen und live erst recht zur Geltung kommen, so überzeugend und wohltuend trägt Dan sie auf der Bühne vor.
Wir sind nun gespannt, ob zukünftige Alben eine vergleichbare (vielleicht aber gar nicht notwendige?) große Produktion erfahren werden, oder ob Dan sie mit weniger Instrumenten und etwas abgespeckter einspielen wird. Letztlich sind alle Songs auf „Stay Awake With Me“ gelungen, wenn sie auch ab und an leicht überproduziert wirken können. In jedem Fall bilden sie ein hervorragendes Grundrepertoire für einen Konzertabend. Wer die Möglichkeit hat, vorbeizuschauen, sollte sie also nutzen. Noch spielt Dan Owen in kleineren Clubs, aber das Artheater in Köln war bereits ganz ansehnlich gefüllt.
So hört sich das an:
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Dan Owen live 2018:
21.09. – Mannheim, Kulturbrücken Jungbusch
Die Rechte am Albumcover liegen bei Dan Owen / Atlantic Records.
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