Florence + The Machine – Dance Fever

Cover des Florence + The Machine-Albums "Dance Fever".

Wenn Lieblingskünstler*innen neue Alben rausbringen, ist das immer so eine Sache. Eine glühende Mischung aus Vorfreude, Erwartung und Angst. Mit jedem Single-Release meint man, genauer zu wissen, was kommt, mit jeder Single verschärft sich eines dieser Gefühle. Ich bin Florence-Ultra, schon seit Jahren. Die Singles zu “Dance Fever” haben mir Sorge gemacht. Berechtigt?

Vier Jahre ist es her, seit das letzte Mal ein Album von der britischen Indie-Band Florence + The Machine erschien. Seitdem ist viel passiert: Pandemie, Lockdowns, abgesagte Konzerte, wir alle mussten viel allein sein. Daraus ist „Dance Fever“ entstanden, ein großes, imposantes, wahrhaftiges, ~ back to the roots ~ Florence Album. „Did you miss me?“ Of course we did. Und ich habe trotzdem meine Zweifel.

Über die letzten Jahre wurden Florence + The Machine Alben immer reduzierter, vorsichtiger, zurückhaltender. Vielleicht auch trauriger. Auf “Dance Fever” bricht sie aus. Auch wenn sie nicht klar benennt, wovon genau sie sich eigentlich freimacht: es ist vorbei mit der Trauer, mit dem Zurückhalten.

Während sie auf ihrem letzten Album „High As Hope“ noch von einer „special kind of sadness that seems to come with spring“ singt, heißt es jetzt, auf „Daffodil“, „the helpless optimism of spring“. Das neue Album soll offensichtlich ein Gegenstück zu seinen Vorgängern sein.

Sie springt hin und her, von Song zu Song, von reduziert zu imposant, von Katholizismus zu griechischer Mythologie. Sie singt gegen etwas an, gegen ihre Angststörungen, gegen das im-eigenen-Kopf-gefangen-sein, gegen die Einsamkeit, gegen (gesellschaftliche) Zwänge und gegen die schier unendliche Trauer, die sie immer mit sich herum trägt: in ihrem Körper, in ihrem Kopf, in ihren Alben. Darüber, wie sie in Tanz und Gesang aufgeht und dort ihren Raum geschaffen hat, in dem sie frei sein und vergessen kann. Fast schon wie ihre eigene Form von Religion.

Sie zieht eine Referenz zwischen sich und Kassandra, einer Frau der griechischen Mythologie, die die Zukunft vorhersagen konnte und, als sie dem Gott Apollo die Liebe verweigert, von ihm einen Fluch auferlegt bekommt: nie wieder wird jemand ihren Prophezeiungen glauben. Florence Welch singt darüber, wie sie ebenfalls in der Vergangenheit die Zukunft sehen konnte, „but now I see nothing“. Bezogen auf die Aussichtslosigkeit, die uns mit der Corona-Pandemie alle überkommen hat.

Sie singt auf „Girls Against God“ darüber, dass sie den Teufel getroffen habe: „[…] he gave me a choice / a golden heart or a golden voice“. Wie sie diese Frage beantwortet hat, lässt sie offen zur Interpretation, spielt mit Humor, Fiktion und Religion. Und „Daffodil“ ist ein gigantischer Track mit Chören und Harmonien, in wahrhaftiger Florence Manier, es hört sich an wie die Katholische Kirche in Person. Überraschenderweise aber auf die beste Art. Auch hier spielt sie wieder mit Referenzen und easter eggs: das Innere, das Zentrum der Blüte von „Daffodils“, auf deutsch Narzissen, heißt „Korona“ oder im englischen eben „Corona“. Pandemiealbum durch und durch.

Verzerrungen, Übertreibungen, Referenzen in alle Richtungen. Das klingt alles sehr vielversprechend und aufregend, und doch: noch nie klang ein Florence + The Machine Album so gewollt. Gerade die Singleauskopplungen, in denen die gebürtige Londonerin sich als so groß und stark und mächtig und irgendwie fast schon überirdisch gibt, klingen sehr überdreht, sehr „um die Wette“. Aber mit wem? Mit wem muss diese Frau ein Wettrennen veranstalten? Sie hat die Stimme, sie hat die textliche Begabung, sie hat den Humor.

„Dance Fever“ ist ein großes Album, mit einigen wirklich guten Songs, aber in seiner Gesamtheit überzeugt es mich nicht. Ich habe keine Lust mehr auf Pandemiealben, ich kann mit der girlboss-haften Attitüde von „King“ nichts anfangen, und, as I said, es klingt einfach arg gewollt und hat dabei trotzdem keine Stringenz: in manchen Tracks nimmt sie sich dann ja wieder sehr zurück. Der Glanz und die Faszination sind einfach vorbei. Schade.

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