Hinds – The Prettiest Curse

Hinds

Was ist denn da passiert? Wo die ersten beiden Alben der spanischen Slack-Queens Hinds noch optisch und Sound technisch mürrisch „Lo-Fi“ in den Pullikragen nuschelten, erstrahlt „The Prettiest Curse“ in satten Farben und einer schicken Produktion. Anstelle von austauschbarem Hochglanz-Einerlei legt das Quartett aber einen lupenreinen Spagat zwischen unpolierter Eigenwilligkeit und einem Plus an Eingängigkeit hin. Vielleicht könnte ein Anruf bei Produzentin Jenn Decilveo (u.a. Beth Ditto, Bat For Lashes) eine Erklärung liefern, wie die Hinds gleichzeitig so verdammt gelassen und so charmant angriffslustig klingen können.

„You’re too pink to be admired / And too punk to be desired“

Eine große Stärke der Hinds war es schon immer, dass sie sich selbst nicht so ernst nehmen – jüngstes Beispiel die wirklich empfehlenswerten Scherzkeks-Videos zu den bereits veröffentlichten Singles. Dass jedoch viele Außenstehende die Band als solche ebenfalls nicht ernst nehmen, hat vornehmlich ganz andere Gründe: Als All-Female-Band hat man es eben nicht nur im großen Pop-Kosmos schwer, sondern eben auch im vermeintlich emanzipierten Rock-Sektor. Kurzerhand münzen Cosials, Perrote, Martin und Grimbergen das negative Feedback in einen Triumph um und stricken sich aus den misogynen Anfeindungen einen unwiderstehlichen Song namens „Just Like Kids (Miau)“. Aber die Hinds wären nicht die Hinds, würden sie diesen Mittelfinger an stumpfem Sexismus im generischen Riot-Grrrl-Gewand präsentieren. Stattdessen quietschen Cosials‘ und Perrotes Stimmen in piepsigen Tonlagen, die sich im schicken Kontrast zu den scharfkantigen Riffs ungehalten in den Gehörgang tanzen. Nicht nur in solchen Statements schnellt das Selbstbewusstseins-Barometer in die Höhe, auch die ersten spanischsprachigen Lyrics deuten die bedeutende Weiterentwicklung des Quartetts an.

Mittsommernachtstraum

Von stereotypischen, hochemotionalen Indie-Narrativen halten sich die Hinds weiterhin fern. „Good Bad Times“ deutet zwar zunächst eine zuckersüße Girl-Meets-Boy-Romanze an, dekonstruiert die aber wieder recht schnell im Superheldinnen-Video und dem pessimistischen Text. Im ästhetischen Kontrast zu den wuchtigen Farbschichten des Albumcovers rumpelt es dann in den Punk-Ausflügen „Burn“ und „Boy“ wieder ganz schön. Wut oder Aggressionen haben aber auch in diesen Momenten keinen Platz, außer vielleicht in den drückenden Beats von Schlagzeugerin Amber Grimbergen. Sonst gibt es gerne mal große Gitarrenbögen der Marke Wolf Alice („The Play“), akustische Träumereien („Come Back And Love Me 3“, „This Moment Forever“) – und natürlich eine ganze Menge lässiger Slacker-Momente, vor allem im übergroßen „Riding Solo“. Trotz vieler Verschachtelungen, sarkastischen Texten und ambitioniertem Songwriting bleibt genau diese unverschämt entkrampfte Grundathmosphäre das Markenzeichen der Spanierinnen. Eine Grundleichtigkeit, von der man sich gerade 2020 gerne eine Scheibe abschneiden würde – vor allem da sie dennoch reflektiert ist. Pink und Punk, das passt eben doch besser zusammen, als Genre-Purist*innen wahrhaben wollen.

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