NOFX – Single Album

NOFX - Single Album

Mit „Single Album“ meldet sich der trotzige Punkrock-Pöbel rund um Mastermind Fat Mike zurück. Dabei gibt sich das kalifornische Quartett aufmüpfig und unbequem wie eh und je. Produziert wurde ihr aktuelles Werk von Descendents-Trommler Bill Stevenson. Natürlich erscheint das Werk auf Fat Wreck Chords, dem Label mit dem besten Labelnamen der Welt. „Single Album“ zeigt die Band von ihrer gewohnt schamfreien Seite. Wobei in den vergangenen Jahren durchaus der Anschein geweckt wurde, dass sich die Gruppe etwas von ihren Wurzeln entfernen könnte.

2019 rührte Fat Mike NOFX-Fans mit dem herzzerreißenden Debüt seines Alter Egos Cokie The Clown zu Wasserfällen an Tränen. Ungeschönt gab der US-Amerikanische Musiker tiefe Einblicke in sein verkorkstes Leben. Unangenehm ehrlich sang Fat Mike über Komasaufen und den Drogenkonsum seiner Frau. 2020 meldete sich Mike dann mit NOFX zurück und veröffentlichte eine überraschende Split-LP mit Frank Turner.

2021 meldet sich die Band mit altbewehrten Klängen zurück. „Single Album“ möchte vor allem eins, nämlich provozieren was das Zeug hält. Aber können in die Jahre gekommene Gruppen wie NOFX überhaupt noch schocken oder sind sie mittlerweile zu dem geworden, was sie einst bekämpfen wollten?: Alte weiße Männer. Immerhin haben Bad Religion und Lagwagon in den vergangenen Jahren ebenfalls provokante Werke veröffentlicht. Damit haben die Gruppen für Aufsehen gesorgt und Zuspruch erhalten, aber zurecht?

NOFX pöbeln wieder

Musikalisch spielen NOFX auf „Single Album“ grundsoliden Skatepunk, lediglich der Opener betritt experimentelle Gefilde. „The Big Drag“ klingt ungewöhnlich düster für die kalifornische Gruppe und erinnert überraschenderweise an Mötley Crüe. In „Fish In A Gun Barrel“ zersetzen NOFX ihren eingängigen Skatepunk mit schrecklichen Ska-Elementen. Solche Ausflüge sind ja definitiv Nichts neues für die 1983 gegründete Band. Musikalisch schafft es „Single Album“ an Klassiker der Gruppe wie „Punk In Drublic“ oder „War On Errorism“ anzudocken. Textlich legen NOFX jedoch häufig eine Schippe drauf, wobei die Lyrics ihres aktuellen Werks von bissiger Sozialkritik bis hin zu selbstironischen Beobachtungen reichen.

„I Love You More Than I Hate Me“ zeichnet das Bild einer als eher unkonventionell geltenden Liebesbeziehung und „My Bro Cancervive Cancer“ thematisiert das katastrophale Gesundheitssystem der USA. In „Linewleum“ (Eine Anspieleng auf ihren 1994 erschienenen Song „Linoleum“) kommt dann die Feststellung, dass es Mikes Tochter nicht stört, dass er Drogen nimmt und gerne mal unangenehm auffällt. Lediglich der Umstand, dass ihre FreundInnen wissen, dass ihr Vater Pisse trinkt, macht Mike dann doch etwas nachdenklich.

Don’t call me cis!

Mit „Fuck Euphemism“ solidarisieren NOFX sich mit der LGBTQ-Community und Fat Mike stellt klar, dass er sich dieser Bewegung zugehörig fühlt. Dabei thematisiert der Song, dass Mike unterstellt wurde, er würde sich nur aus PR-Gründen als Crossdresser ausgeben. Der Track belehrt die ZuhörerInnen jedoch eines Besseren und Fat Mike macht deutlich, dass für ihn das Tragen von Kleidern nichts mit Werbe-Maßnahmen zu tun habe, sondern für ihn dazugehört, sich aus freien Stücken so zu definieren, wie er es möchte.

1997 sang Sänger und Bassist Fat Mike darüber, dass es sein Job sei „Punk Rock elite“ zu halten. Und das ist er immer noch. Dabei geht es nicht darum, Punkrock unzugänglich für rebellierende Kinder oder frustrierte Jugendliche zu machen. NOFX verdeutlichen, dass jeder im Punkrock so sein darf wie er will, außer ignorante und diskriminierende Menschen, welche dort, wie NOFX klarstellen, nichts verloren haben!

Alt werden, laut sein und dabei richtig liegen

Seit über 30 Jahren lehnen sich NOFX gegen gesellschaftlich akzeptierte Moralvorstellungen auf, die es legitimieren, Menschen aufgrund ihrer Neigungen, Herkunft, äußeren Erscheinung oder Weltansicht zu diskriminieren. Ihr jüngster Output ist da keine Ausnahme. Ein ungemütliches und gleichzeitig vertraut klingendes Werk wie „Single Album“ beweist, dass auch eine etablierte Band wie NOFX immer noch in der Lage ist, soziale Normen mitreißend zu kritisieren.

Keinesfalls stellen NOFX eine Ausnahme dar: Zahlreiche Urgesteine des Skatepunks und Melodycore haben in den vergangenen Jahren unter Beweis gestellt, dass Altherrenbands trotz ihrer demografischen Verortung im Stande sind, bissige Gesellschaftskritik zu üben. Bad Religion haben 2019 beispielsweise klargestellt, dass die Gruppe aus Abstinenten rund um einen Universitätsprofessor immer noch die unangefochtene Speerspitze brennender Politik-Kritik sind. Und kaum eine Band schafft es das Anprangern von sozialen Missständen so agil zu verpacken, wie Lagwagon es vor zwei Jahren taten.

Die Antwort auf die eingangs gestellte Frage lautet also, dass Gruppen wie NOFX, Bad Religion, Lagwagon und Co. sehr wohl noch in der Lage sind, das was falsch läuft, anzuprangern. Wichtig ist hierbei nicht, wer etwas sagt, sondern was gesagt wird. Und wenn Skatepunk-Urgesteine auch nach über 30 Jahren Bandgeschichte zum Nachdenken anregen, dann ist das nicht nur richtig, sondern auch wichtig. Bleibt also nur noch zu klären, weshalb NOFX sich bei ihrem „Single Album“ für solch ein hässliches Coverartwork entschieden haben?

„Single Album“ kannst du hier (Vinyl) und hier (digital) kaufen.

Und so hört sich das an:

WebsiteFacebook / Twitter / Instagram

Die Rechte am Albumcover liegen bei Fat Wreck/Edel.

* Affiliate-Link: Du unterstützt minutenmusik über deinen Einkauf. Der Artikel wird für dich dadurch nicht teurer.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert