Orla Gartland – Woman on the Internet

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„Ich befinde mich immer im work-in-progress-Status,“ erzählt Orla Gartland im Rummel um ihr Debütalbum „Woman on the Internet“. Und schon dieser Satz ist eine Abkehr von all dem Streben nach Perfektion und dem vermeintlich endgültig besten Werk der Musikbranche. Konsequent inkonsequent macht auch der erste Langspieler der Dubliner Songwriterin einfach, worauf er so Bock hat. Politische Statements? Klar, aber bitte auch viel Seelenschau. Pop? Na klar, aber natürlich auch abgedrehte Indie-Arrangements. Für die Hörer*innen wird „Woman on the Internet“ so zu einer kleinen Therapiestunde auf der Tanzfläche.

Vom Großen ins Kleine

Gartland ist sich der Umstände, als Frau in der ohnehin fragilen Indie-Szene zu veröffentlichen, durchaus bewusst. In unserem Interview erzählt sie deswegen sowohl von der gezielten Integration anderer Musiker*innen in ihr Songwriting, aber auch von den Anforderungen im Internet gut zu performen. Ein wenig haben diese Eindrücke auch einen Einfluss auf den Einstieg dieses versatilen Albums. Klappert „Things That I’ve Learned“ noch im spannenden Rhythmus eine Aufzählung der titelgebenden wichtigen Erfahrungen ab, weitet „You’re not special babe“ dieses Wissen direkt auf das Gegenüber aus. Der Tenor: Wir alle strugglen, du bist nicht alleine – aber bekomm‘ auch mal deinen Arsch hoch! Krasse Aussagen, gehüllt in einem unwiderstehlichen Upbeat. Das kommt vielleicht auch deswegen weder altklug noch belehrend rüber, weil das lyrische Ich auf Albumlänge selbst niemals makellos erscheint.

Empowerment gegen Influencer:innen

Aber wer ist denn nun diese Frau im Internet? Gartland selbst schreckt zwar nicht vor TikToks & Insta-Stories zurück, meint damit aber wohl vor allem die graue Masse an perfekten Körpern, perfekten Leben, perfekten Stimmungen bei den Influencer:innen. „I heard it from a woman on the internet, she told me to eat well and try to love myself“ heißt es so noch in „More Like You“, worauf das lyrische Ich nur kleinlaut darum bittet, mehr so zu sein wie die anderen. Struggle, die wohl die meisten aus den sozialen Netzwerken kennen. Aber: Gartland gesteht sich zwar Schwächen und Zweifel ein, setzt der ganzen Shitshow in „Pretending“ aber auch ein Ende. Auch hier tritt die Frau aus dem Internet wieder als heuchlerisches Gegenüber auf. Als Partner in Crime darf das Patriarchat in „Zombie!“ auch noch eine Klatsche abbekommen. Der Sound ist natürlich auch hier: sehr tanzbar.

Ob im ruhigen Stück vom Ende einer Liebe („Do You Mind?“), einem straighten Rock-Sound gegen unangenehme Familienbande („Bloodline Difficult Things“) oder der akustischen Hilfesuche nach einer helfenden Hand („Madison“) – Gartlands Stimme wie Songwriting sind auf einem immens hohen Niveau. Alleine von den immer wieder neuen Arrangements aus Beats und Gesangsschichten kann man einfach nicht genug bekommen. Und wer so ein glorreiches Debüt inmitten einer Pandemie auf einem eigenen Label selbst produziert, dürfte auch mal selbstbewusst sein. Dass Gartland das trotz all der Empowerment-Statements nicht immer ist, macht sie zusätzlich noch verdammt sympathisch.

Das Album “Woman on the Internet” kannst du hier kaufen.*

Und so hört sich das an:

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Rechte am Albumcover liegen bei New Friends.

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