Eurovision Song Contest 2024, 1. Semifinale: Die Ergebnisse

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Die erste große Hürde ist genommen: Der 68. Eurovision Song Contest ist mittendrin. Am Abend des 7.5. um 21 Uhr nach deutscher Zeit haben sich die ersten zehn Teilnehmenden durchgesetzt und ihren Platz im großen Finale am kommenden Samstag gesichert. Fünf Länder haben die Runde nicht erfolgreich absolviert und werden kein weiteres Mal zu sehen und hören sein.

Der größte Musikwettbewerb findet 2024 im schwedischen Malmö statt. Es ist bereits die dritte Austragung in der Stadt im Süden des Landes und die zweite in der Malmö Arena. Dass Schweden als Gastgeber fungiert liegt an Loreen, die 2023 nicht nur den siebten Gewinn für das Land, sondern sogar den zweiten für sich selbst holen durfte – sie gewann bereits 2012. Morgen folgt das zweite und letzte Semifinale, bei dem aus 16 Teilnehmenden erneut zehn weiterkommen werden. Anschließend wird in der Nacht noch die Startreihenfolge fürs große Finale bekanntgegeben.

Das sind die Ergebnisse vom 1. Halbfinale. Wichtig: Die hier aufgelisteten Länder sind nach Startreihenfolge sortiert. Welches Land wie abschnitt, bleibt bis nach dem Finale geheim.

Diese zehn Länder sind im Finale dabei:
Zypern – „Liar“, Silia Kapsis
Serbien – „Ramonda“, Teya Dora
Litauen – „Luktelk“, Silvester Belt
Irland – „Doomsday Blue“, Bambie Thug
Ukraine – „Teresa & Maria“, Alyona Alyona & Jerry Heil
Kroatien – „Rim Tim Tagi Dim“, Baby Lasagna
Slowenien – „Veronika“, Raiven
Finnland – „No Rules!“, Windows95man
Portugal – „Grito“, Iolanda
Luxemburg – „Fighter“, Tali

Ausgeschieden sind somit:
Polen – „The Tower“, Luna
Island – „Scared of Heights“, Hera Björk
Moldau – „In The Middle“, Natalia Barbu
Aserbaidschan – „Özünlə apar“, Fahree feat. İlkin Dövlətov
Australien – „One Milkali (One Blood)“, Electric Fields

NACHLESE ZUR SHOW:

Es ist Mai. Es ist gutes Wetter. Es ist dieser typische Frühlingsvibe in der Luft. Und es ist Eurovision Song Contest. Das, was einmal 1956 mit sieben Ländern losging, ist schon seit Jahren ein Massenspektakel sondergleichen. Und dass es immer nochmal ein Stückchen krasser geht, zeigt 2024 Schweden. Schweden? Sind die gefühlt nicht immer Gastgeber? Ja, da ist definitiv etwas Wahres dran.

Insgesamt konnte die skandinavische Nation sieben Gewinne einfahren. Das ist ein geteilter Rekord mit Irland, die bereits seit 1996 diese imposante Summe ihr Eigen nennen dürfen. Jedoch: Irland ist seitdem gehörig abgeschmiert, oftmals nicht mal durchs Semifinale gekommen. Schweden hat im Vergleich dazu seitdem vier Mal gesiegt, drei Mal allein seit 2012. Sehr selten wird es mal zweistellig, ansonsten ist eine Platzierung in der Top 10 so gut wie safe.

Außerdem teilen sich Schweden und Irland nun den Fakt, dass sie mit einem Act je zwei Mal gewinnen konnte. Johnny Logan schaffte dies für die grüne Insel 1980 und 1987, Loreen nun für Schweden 2012 und 2023. Das ist wahrhaftig ein Kunststück, auch wenn „Tattoo“ im letzten Jahr qualitativ vielen gar nicht so zugesagt hat und bei Weitem nicht der Fanfavorit war. Aber nun ja, jetzt kriegen wir das wohl auch nicht mehr revidiert.

United By Music – mal wieder

2002 wurde die hübsche Idee eingeführt, den Wettbewerb unter einem Motto laufen zu lassen. So konnten Showelemente wie Banner, Merch und vieles mehr in einem besonderen Look erscheinen. Leider hat man diese Individualität gestrichen. Das Motto „United By Music“ fühlte sich zuletzt so richtig an, dass man es auf unbestimmte Zeit lässt. Starke Message, gar keine Frage. Und sowieso auch eine Message, die sehr gut zum ESC passt. Aber so hässlich und langweilig war die optische Umsetzung bei den Visuals noch nie. Pink, Gelb, Orange. Uff. Ok.

Doch im Herzen geht es eben um die Musik und Einigkeit. Die Entscheidung, das Motto beizubehalten, brachte einige Enttäuschungen bei Fans ein. Noch größer war jedoch der Aufschrei, Israel nicht zu bannen. Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine wurde die Nation unmittelbar von der EBU ausgeschlossen, ebenso Belarus, das sich regelmäßig gegen die EU positioniert. Da der Konflikt zwischen Israel und Palästina jedoch um Längen komplexer ist, wurde Israel nicht ausgeschlossen – was sehr vielen Menschen so gar nicht bekommen ist. Um den Auftritt der Sängerin Eden Golan zu schützen, gibt es deswegen Donnerstag und Samstag erhöhte Sicherheitsvorkehrungen. Doch dazu dann im nächsten Artikel nach dem 2. Semi mehr.

Inszenierungen von einem anderen Planeten

Und jetzt mal Real Talk: Das, was in den 135 Minuten im ersten Semifinale des Eurovision Song Contest 2024 abgefeuert wird, ist nicht einfach Next Level. Das ist Next Level nach Next Level. Alle, die in den letzten zehn Jahren eingeschaltet haben, wissen, was möglich ist. Doch genau diese Erwartungshaltung wird um Kilometerlängen übertroffen. Die riesige Bühne mit einer schlicht erschlagenden LED-Wand und einem als Kreuz angelegten Steg davor besitzt so viele Möglichkeiten, dass man gar nicht weiß, was gerade nur Projektion und was Wirklichkeit ist.

Da gibt es bei Polen meterhohe Schachfiguren, auf denen die Sängerin mal triumphiert, dann reitet und innerhalb von Sekunden die Ebene wechselt. An anderer Stelle wird mit dem australischen Beitrag das Volk der Aborigines gefeiert. Dann gibt es eine Teufelsaustreibung (!) mit brennenden Kerzen und okkultem Ritual dank Irland. Und jede einzelne Sekunde sieht aus wie ein perfekt geschnittenes Musikvideo. Große Konzerte sind heutzutage eh ein erschlagendes Gesamtkunstwerk, jedoch beweist der Eurovision in Schweden, dass man noch viel, viel mehr kann. Unglaublich.

High- und Lowlights

Mit einem weiblichen Moderationsduo – Petra Mede, die schon die letzten beiden ESCs in Schweden moderiert hat, und Malin Åkerman, die auch in zig internationalen Filmproduktionen mitspielte – gibt es einen schicken, in manchen Momenten auch witzigen Abend, der wahnsinnig schnell und erfrischend an einem vorbeidüst. Wahrhaftig kurzweilig.

Das liegt jedoch noch mehr daran, dass ein Großteil der Beiträge sehr gezielt nach Unterhaltung ausgesucht wird. Ja, der Eurovision ist eben eine Unterhaltungsshow. Natürlich ist das nett, wenn sich aus manchen Songs ein Hit entwickelt, aber vieles ist für die breite Masse eben doch nur an jenem Abend relevant. Dahingehend wird ein Feuerwerk an stampfenden Beats, eingängigen Melodien oder eben irrsinnig guten Inszenierungen abgeschossen, sodass händeringend um die Aufmerksamkeit der Zuschauer*innen gebuhlt wird. „Wow, das war jetzt aber geil! Oh, das ist ja noch besser! Ach krass, und jetzt kommt das?“

Einen schönen Mittelweg aus nostalgischen Sounds und schrägem Eye-Candy bietet Finnland, die letztes Jahr schon enorm nah am Sieg waren, und 2024 ein ähnliches Konzept fahren, wenn auch mit einem anderen musikalischen Genre. Die schräge Bühnenshow von Windows95man, der sich auszieht und dann ausschaut, als würde er nackt über die Bühne laufen, sowie seinem Sidekick, der den Chorus singt, aus einem riesigen Alien-artigen Ei schlüpft und einen Mantel aus Jeansfransen trägt – das ist herrlich entertaining und natürlich völlig zurecht eine Runde weiter.

Mit Luxemburg ist erstmalig nach mehr als 30 Jahren Pause eine Nation zurückgekehrt, die nun den Rekord für die längste Abstinenz hält. Tali und ihr „Fighter“ sind schöner Latin-Pop, der Urlaubslaune macht – das ist ein Flugticket ins Finale. Ebenso der typische Zypern-Banger „Liar“ als knackig-mitreißender Einstieg mit Arschwackel-Sicherheit.

Neben der Spur, aber eingängig präsentieren sich Kroatien und Litauen. „Rim Tim Tagi Dim“ von dem Kroaten Baby Lasagna klingt zwar exakt so wie seine Vorbilder – eine hochkontroverse, weltweitbekannte Rockband aus Berlin – reißt aber mit viel Energie mit, „Luktelk“ aus Litauen ist auf der anderen Seite moderner Trance-Pop, zu dem man angetrunken im Stroboskop-Club dancen will. Beides darf am Samstag wieder ran.

Seltsamerweise sind mit Serbien, Portugal und Slowenien auch drei äußerst unscheinbare, teils langweilige, teils zu sperrige Balladen weiter. Eurovision ist und bleibt unberechenbar. Geld hätte man auf keinen der Beiträge verwetten dürfen – dafür ist der Afro-Beat aus Australien gescheitert, ebenso die melancholische Halbballade aus Aserbaidschan auf Landessprache, aber auch der 20 Jahre zu spät kommende Hausfrauen-Pop aus Island, der Billo-Trash aus Polen und das nicht greifbare Kuddelmuddel aus Moldau.

Die zwei absoluten Must-sees gibt es jedoch bereits im ersten Drittel: Irland ist seit dem Einführen der Semifinals vor 20 Jahren elfmal gescheitert – doch mit dem non-binären Ouija-Pop-Artist, wie Bambie Thug es selbst beschreibt, werden alle Geschütze abgefeuert. Eigentlich ein Song, der sich anhört, als ob man alle paar Sekunden einen neuen Titel vom letzten NineInchNails-Album angemacht hätte, untermalt jedoch von einer atemberaubenden Performance, die verstört und fesselt. Wahnsinn. Das wird zwar nicht gewinnen, weil es zu viele abschreckt, aber am Ende wird jede*r über diesen Auftritt sprechen.

Unser persönliches Herz hängt jedoch an dem Sieger 2022. Die Ukraine hat mit ihrem Kalush Orchestra solide abgeliefert, allerdings durch viel Solidarität mit dem Land haushoch gewonnen. 2024 könnte es so aussehen, als ob man aber ausschließlich wegen der sensationellen Qualität gewinnt. „Teresa & Maria“ als Song allein ist schon berührend, hookig und mitreißend – die Inszenierung mit Feuerregen und einem der besten Schlussbilder, die es je zu sehen gab, ist pure Magie. Alyona Alyona als Rapperin und Jerry Heil als Sängerin gelten nun völlig zurecht als ganz heiße Favoriten für den Sieg am Samstag. Das wäre wirklich mehr als verdient. Wow.

Pausenacts & Die bereits Qualifizierten

Kein Eurovision Song Contest ohne viel „Dazwischen“. Schon das überdimensionale Opening mit drei sehr beliebten Kultacts, die nicht siegen konnten – Eleni Foureira aus Zypern und „Fuego“, 2. Platz 2018, Eric Saade aus Schweden und „Popular“, 3. Platz 2011, Chanel aus Spanien und „SloMo“, 3. Platz 2022 – treibt die Temperaturen um locker fünf Grad nach oben. Während der Auswertung gibt es Johnny Logan mit einer Orchesterversion von Loreens „Euphoria“ und einem sehr, sehr schiefen Ton gen Ende. Außerdem machen die typischen Zusammenschnitte aus der ESC-Geschichte Spaß, diesmal unter dem Gesichtspunkt Landessprachen und Revolution des Tanzes.

Eine Neuerung: Erstmalig treten auch die bereits Qualifizierten während des Semis auf. Im ersten Halbfinale sind das UK, Deutschland und Schweden, die auch alle drei beim Televote-Verfahren stimmberechtigt sind, es aber im zweiten Semi nicht sein werden. Olly Alexander gehört zu den „Inszenierung ist das A und O“-Kandidat*innen. Bei seinem „Dizzy“ gibt es nur halb angezogene Boxer, die sich in einem sich hin- und herdrehenden Raum mal auf dem Kopf, mal auf den Füßen oder Rücken räkeln. Sexy, aber langweilig. Isaak, der Vertreter für Deutschland, ist stimmlich wahrscheinlich der Beste des Abends, kann jedoch mit seinem Song nicht viel reißen. Da helfen auch viele Feuertonnen und Flammen nicht viel. Die Zwillinge Marcus & Martinus, die für Schweden ran dürfen, sind mit ihrem Disco-Banger „Unforgettable“ Publikumslieblinge, haben aber am Samstag auch zu viel Konkurrenz.

Unser neuer Kommentator: Thorsten Schorn

Eine weitere Neuerung, aber nur für Zuschauende aus Deutschland: Nach über 25 Jahren mit Peter Urban darf erstmalig Thorsten Schorn – bekannt durch 1Live, den WDR, aber auch Off-Stimmen bei „Prince Charming“ und „Charming Boys“ sowie als Sidekick bei „Der Preis ist heiß“ – ans Mikro und macht es leider gar nicht gut. Natürlich ist das alles andere als ein leichter Job, aber der gesamte Vortrag klingt komplett durchgeplant und vorstrukturiert.

Seine Stimme passt super, die jahrelange Radioerfahrung merkt man dem 48-jährigen Kölner an. Jedoch orientiert er sich viel zu sehr im Stil an Urban, gibt dem Ganzen nahezu nichts Neues, nichts Frisches. Ganz schlimm ist die permanente Aneinanderreihung von unglaublich schlechten Ü50-Gags, die wirklich sehr fremdschämig sind. Sorry, aber das ist echt eine Enttäuschung. Und wieso hält man es für eine Notwendigkeit, während eines Musikwettbewerbs mehrfach über den aktuellen Stand eines Champions-League-Spiels zu informieren? In Schularbeiten nennt man das „Thema verfehlt“.

Was heißt das für Samstag?

Eigentlich nur Gutes. Alles Wichtige ist weiter. Wir lagen zwar mit unserer Prognose nicht ganz richtig, aber haben immerhin acht von zehn korrekt geschätzt. Ob nun Polen und Aserbaidschan wie bei unserem Tipp weiter sind oder nun stattdessen Serbien und Slowenien, ist ein wenig egal. Mit Finnland, Kroatien, Luxemburg, Zypern, noch mehr aber mit Irland und der Ukraine gibt es einige wahnsinnig intensive Acts beim Eurovision Song Contest 2024, die zu begeistern wissen. Die Ukraine hören wir mit einer Trophäe in der Hand womöglich Sonntagmorgen gegen 1 Uhr nochmal kurz bevor die Show endet. Stay tuned.

Direkt weiterlesen:
Alle 37 Songs aus 2024 im Check
Nachlese zum 2. Semifinale 2024
Hier nochmal unser Favorit des Abends – Alyona Alyona & Jerry Heil aus der Ukraine:

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