Eurovision Song Contest 2024 – Alle Songs & Infos im Überblick

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Mamma mia, here we go again – und das auf gleich zweifachem Wege. 2024 geht es in der 68. Ausgabe für den größten Musikwettbewerb der Welt, dem Eurovision Song Contest, erneut nach Schweden. Zum dritten Mal ist die Hafenstadt Malmö der Tempel für Musik-Fans des gesamten Kontinents und Australiens. Doch gleichzeitig ist es eben auch das 50-jährige Jubiläum von einer der erfolgreichsten Bands des Planeten, nämlich ABBA. Die gewannen 1974 in Brighton und legten damit das Fundament zu ihrer nicht so leicht nachzumachenden Karriere.

God dag: Der amtierende Rekordhalter lädt ein

Seit 2023 hat sich in der Eurovision-Historie etwas Entscheidendes getan. Irland ist nicht mehr die alleinige Nation mit den meisten Siegen. 1996 gewann der westeuropäische Inselstaat zum siebten Mal das Riesenspektakel und konnte bis zuletzt diesen Posten verteidigen. Doch dann kam Loreen um die Ecke, die schon 2012 mit „Euphoria“ einen der meistgespielten ESC-Songs überhaupt in der Tasche hatte und im aserbaidschanischen Baku gewann. 2023 gelingt ihr in Liverpool das Unglaubliche, nämlich der erneute Sieg mit der spektakulären, wenn auch ganz schön berechenbaren Performance und dem ähnlich mittelspannenden Titel „Tattoo“. Doch it is, what it is – seitdem hat es auch Schweden siebenmal geschafft und zwingt diverse Geschichtsbücher dazu, ein Detail umzuschreiben. Allerdings: Hat Irland ausschließlich in den 70ern bis 90ern gewonnen – darunter zweimal in den 80s mit Johnny Logan als Sänger -, ist Schweden nach je einem Sieg in den 70ern und 80ern sowie zwei Siegen in den 90ern seit dem vergangenen Jahrzehnt absolut on Top of the Edge. Gleich drei Gewinne innerhalb von zwölf Runden, ist eine Hausnummer. Auch nach absoluten Punkten hochgerechnet ist Schweden Platz 1. Somit ist die Wahrscheinlichkeit, dass das skandinavische Land demnächst an Irland vorbeizieht, ziemlich hoch.

Nachdem Loreen 2012 gewonnen hat, ging es 2013 nach Malmö – und so ist es dieses Mal wieder. Die Malmö Arena, eine Multifunktionshalle, holt rund 15.000 Fans zusammen, um am 7. und 9.5. zunächst zwei große Halbfinalshows zu erleben, dann aber am 11.5. ein fulminantes Finale zu zelebrieren. Sogar bei der Moderation wird auf Altbewährtes gegriffen: Petra Mede war 2013 in Malmö, aber auch 2016 in Stockholm am Mikro. An ihrer Seite taucht die auch international bekannte Schauspielerin Malin Åkerman auf.

Neuerungen

Ein Eurovision Song Contest ohne ein paar Änderungen ist kein Eurovision! Die negativste Veränderung: Das Vorjahresmotto „United By Music“, was die Kooperation zwischen UK, der Ukraine und dem restlichen solidarischen Europa perfekt untermalte, wird einfach auf unbestimmte Zeit übernommen. Auch wenn die Aussage noch so schön sein mag, so ist die Entscheidung besonders bei der grafischen Gestaltung unglaublich langweilig. Schaut euch mal den Banner von diesem Jahr an! Noch billiger geht’s wohl kaum.

Hingegen die beste Nachricht ist wohl das Zurückkommen einer sehr erfolgreichen Nation, die drei Dekaden lang nicht mitgewirkt hat: Luxemburg ist erstmalig nach 1993 wieder am Start, und das ist einfach richtig schön. Mit 30 Jahren Abstinenz ist das übrigens ein neuer Rekord. Somit sind zum ersten Mal alle neun Nachbarländer Deutschlands gemeinsam beim Eurovision dabei. Auf der anderen Seite verzichtet Rumänien aus finanziellen Gründen auf eine Teilnahme, so wie Bulgarien es bereits seit letztem Jahr tut. Schade. Damit bleibt es wie 2023 bei 37 teilnehmenden Staaten.

Deutschland hatte lange eine Frage im Kopf: Wer wird es denn nun? Nachdem Kommentator Peter Urban letztes Jahr nach den Shows in den Ruhestand ging, musste man bis zum 9.4. warten, um eine Antwort zu erhalten. Doch nun wissen wir, dass Thorsten Schorn sein Nachfolger wird. Schorn kennen viele von euch bereits als Radiomoderator von 1 Live und WDR 2, mit Gesicht als Co-Host von der Neuauflage von Der Preis ist heiß auf RTL und nicht zuletzt als Off-Sprecher von Prince Charming, DSDS und vielen weiteren Formaten. Eine gute Wahl, wie wir finden, das könnte angenehm und witzig werden.

Die letzte wichtige Neuerung wird nur denjenigen auffallen, die auch die Halbfinalshows gucken: Zum ersten Mal dürfen auch die Big Five plus das Gastgeberland in den Semis mit ihren Songs auftreten. Zuvor gab es lediglich ein Interview sowie ein paar Ausschnitte aus den Proben, doch jetzt werden die Beiträge live und in voller Länge aufgeführt. Deutschland, UK und Schweden sind im ersten, Italien, Spanien und Frankreich beim zweiten dabei.

Wissenswertes zu den Live-Shows

Und wo wir schon über die Semis sprechen, hier noch alle praktischen Infos: So wie in den Vorjahren könnt ihr am 7. (Dienstag) und 9.5. (Donnerstag) das Halbfinale live im TV um 21 Uhr deutscher Zeit auf ONE oder alternativ im Stream in der ARD Mediathek sowie auf eurovision.de schauen. Die Shows dauern gut zwei Stunden. Im ersten kommen bei 15 Teilnehmenden zehn weiter, im zweiten schaffen es von 16 nur zehn. Das große, vierstündige Finale mit 26 Teilnehmenden startet dann zur selben Zeit am 11.5. (Samstag) auf Das Erste und ebenso auf der deutschen Website sowie in der ARD Mediathek.

Doch nun klären wir endlich die Frage, wer 2024 überhaupt mitmacht. Schon jetzt könnt ihr den offiziellen Sampler zum Eurovision Song Contest 2024 auf CD und Vinyl käuflich erwerben, alternativ for free auf den bekannten Streaming-Plattformen anhören und Musikvideos auf YouTube schauen. Wir analysieren für euch, welche Songs im Semi wohl einen Bauchklatscher machen, welche Titel echtes Gewinnerpotenzial haben und was ihr ansonsten über die Länder wissen müsst. Wie immer gehen wir dabei nur aufs Musikalische sowie auf die Performances in den Vorentscheid-Runden ein – zur finalen Bühneninszenierung gibt es dann in unseren kommenden Berichten mehr Infos, jeweils einen Tag nach den Shows hier auf minutenmusik.de. Stay tuned & let the Eurovision Song Contest 2024 begin!

Alle 37 Länder im Check

01. Albanien; „Titan“, Besa (2. Halbfinale):
Dass Albanien zuletzt komplett auf Englisch sang, gab es zuletzt 2017 – und wurde mit einem Ausscheiden im Semifinale bestraft. Auch „Titan“ von Besa hat eher das Potenzial im zweiten, stärkeren Halbfinale kein Potenzial zu haben. Balladen sind seit einigen Jahren ja sowieso eher out, diese Saison gibt es lediglich etwas mehr als eine Hand voll Songs mit geringer BPM-Zahl. Auch wenn hier in der letzten halben Minute nochmal angezogen wird, ist das einfach arg lahm.

02. Armenien; „Jako“, Ladaniva (2. Halbfinale):
Zwar hat Armenien bereits zweimal für den Junior Eurovision Song Contest den Pokal geholt, für die große Show wird es aber auch diese Runde nicht für den ersten Sieg reichen. Dabei beweist das komplett auf Landessprache gesungene „Jako“, dass es eben genau solch untypischen Sounds beim Wettbewerb braucht. Das klingt fernöstlich, das hat viel Folklore. Schön, ein Einzug ins Finale wäre ein wünschenswerter Farbklecks im bunten Bild.

03. Australien; „One Milkali (One Blood)“, Electric Fields (1. Halbfinale):
Cool! Australien hat seinen Vertrag mit der EBU verlängert und macht ein paar weitere Runden beim ESC mit, wie schön. Electric Fields wollten schon 2019 dabei sein, schafften aber beim Vorentscheid nur den zweiten Platz. „One Milkali“ ist ein süßer Electro-Pop-Song mit kleinen Jungle-Sounds und läutet vorzeitig die EM ein, klingt es nämlich wie einer der typischen Titeln, die zum Fußball im ZDF laufen. Ist ganz nett, aber wahrscheinlich vielen schlichtweg zu wenig. Das könnte womöglich zum zweiten Mal das vorzeitige Aus für den etwas weiter entfernten Kontinent bedeuten.

04. Österreich; „We Will Rave“, Kaleen (2. Halbfinale):
Ok, got it. Eine Dekade nach dem Sieg von Conchita Wurst, zieht Österreich die Schraube mal richtig an. Schon vor zwei Jahren gab es hookigen Dance-Pop mit „Halo“, letztes Jahr einen wirklich hervorragend kreativen Song rund um die Frage „Who the Hell is Edgar“ – doch jetzt fackelt man nicht mehr lang. „We Will Rave“ von Kaleen ist von der ersten bis zur letzten Sekunde eine einzige Hommage an den sehr erfolgreichen Eurodance-Sound der 90s und ballert mit so viel Überzeugung und Elan ins Gesicht, dass man nicht anders kann, als komplett auszurasten. So klingt Eurovision. Das wird zwar die Jurys nicht überzeugen, aber Fans von Breakdance-Fahrten zur Schnappatmung bringen. Eine Platzierung am Ende der Top 10 am Samstagabend wäre gerechtfertigt. Bangeralarm.

05. Aserbaidschan; „Özünlə Apar“, Fahree feat. İlkin Dövlətov (1. Halbfinale):
Dass wir das noch erleben dürfen! Nach vielen erfolgreichen Teilnahmen und einem Sieg sah es für Aserbaidschan in den letzten drei Ausgaben des Eurovision eher nicht so gut aus. Deswegen geht man nun andere Wege und singt erstmalig auf Landessprache – zumindest im Refrain. „Özünlə Apar“, auf Deutsch „Nimm es mit“, ist echt gelungener, emotionaler Dark-Pop mit Samba-Rhythm. Das gehört ins Finale, braucht nur eine gute Inszenierung und dann spielt man auch in der vorderen Tabellenhälfte wieder mit.

06. Belgien; „Before the Party’s Over“, Mustii (2. Halbfinale):
Belgien hat den Dark-Pop beim ESC ja quasi erfunden. Kein anderes Land hat so viele mystische, nachdenkliche und fesselnde Hits geliefert. „Rhythm Inside“, „City Lights“, „The Wrong Place“, ihr kennt’s. Nach der Vogue-Hmyne und einem starken 7. Platz im letzten Jahr, kehrt man eben zum bewährten Rezept zurück. Mustii und „Before the Party’s Over“ ist ein echt starker Entry mit einer hypnotisierenden Film-Noir-Melodie. Das kann mit der richtigen Inszenierung die Top 5 knacken, mit der falschen aber auch ertrinken. Finale ist aber safe.

07. Schweiz; „The Code“, Nemo (2. Halbfinale):
Zweimal gewann die Schweiz den Eurovision Song Contest – nämlich den allerersten 1956 und 1988 mit Céline Dion. Erstmalig nach gefühlten Jahrtausenden wird man als potenzieller Gewinner gehandelt. Nemo ist non-binär und ein echter Stimmakrobat. Sein „The Code“ ist eines der Titel, die man nicht gut greifen kann, wenn man sie nur hört. Sobald aber die echt starke Gesangsleistung und die sehr abwechslungsreiche, überdrehte Komposition mit der Bildebene volle Suppe reinknallt, wird das für einen Überraschungseffekt sorgen – und das bedeutet ordentlich Votes. Ein Sieg ist nicht gesetzt, aber auf jeden Fall denkbar.

08. Zypern; „Liar“, Silia Kapsis (1. Halbfinale):
Wir kennen sie alle – sie gehören zum Eurovision wie Popcorn zum Kinofilm. Arschwackel-Musik mit ordentlich Bass, hübscher und durchgestylter Sängerin und Melodien, die nicht zu komplex sind. Zypern hat damit 2018 nur knapp den Sieg vergeigt und gibt seitdem nicht auf – doch „Liar“ ist 2024 nach Eleni Foureira und ihrem Bop „Fuego“ der beste Beitrag des Landes. Das macht Spaß und zündet beim ersten Refrain. Wird am Ende nicht gewinnen, aber dafür bis zum Sandnimmerleinstag auf allen ESC-Playlists laufen.

09. Tschechien; „Pedestal“, Aiko (2. Halbfinale):
Positiv: Tschechien ist in seinen Songs ganz schön unberechenbar. Negativ: Das kann eben manchmal auch dann Käse bedeuten. „Pedestal“ von Aiko erinnert ein wenig an 2000er-Punk von Kelly Osbourne oder Lambretta, ist aber auch eher ganz okaye, rockige Nebenbei-Musik anstatt Måneskin-Level. Größtes Problem ist allerdings der Livegesang, der von der in Moskau geborenen Künstlerin schon oft arg versemmelt wurde. Wackelkandidatin fürs zweite Semi.

10. Deutschland; „Always on the Run“, Isaak (bereits fürs Finale qualifiziert):
Ein Veto legen wir zwar nicht ein, aber wir schwächen unseren Rant zum deutschen Vorentscheid im Februar etwas ab. Ja, wir sind weiterhin der Meinung, dass Ryk oder Marie Reim um Längen sinnvoller gewesen wären. Aber nachdem man nun alle Teilnehmenden aus 2024 kennt, fällt Isaak besonders mit seiner starken Stimme und seiner Bodenständigkeit positiv auf. Bei den Televotes wird am Ende wieder das Problem sein, dass alle den deutschen Song ganz gut fanden, aber nicht gut genug, um dafür anrufen zu wollen. Somit sind null Punkte leider, leider nicht unwahrscheinlich. Von den Jurys, die oft auf Gesang achten, sind aber hoffentlich (!) ein paar gnädig genug, um uns wenigstens vom letzten Platz wegzuholen. „Always on the Run“ ist aber auf keinen Fall das schlechteste Lied 2024.

11. Dänemark; „Sand“, Saba (2. Halbfinale):
Von skandinavischen Ländern erwartet man bekanntlich immer etwas mehr. Dänemark gewann bisher dreimal, schaffte es aber die letzten drei Male in Folge nicht ins Finale. „Sand“ von Saba ist solider Pop mit „Uhu uhu“-Mitsingpart, aber irgendwie so gewöhnlich und generisch, dass man bei langweiliger Inszenierung womöglich in die Abwehrhaltung geht und unsere Nachbar*innen schon wieder am Donnerstagabend verhungern lässt. Stört nicht beim Käsekuchen backen, aber das ist eher ein schlechtes Zeichen.

12. Estland; „(nendest) narkootikumidest ei tea me (küll) midagi“, 5miinust x Puuluup (2. Halbfinale):
Worauf man sich beim Eurovision Song Contest auch verlassen kann: Songs, die man nicht versteht. Und das liegt nicht an der Sprache. Der estnische Beitrag, den niemand aussprechen kann, und freiübersetzt „Über diese Drogen wissen wir doch nichts“ heißt, ist wahnsinniger, stressiger 90s-Dance mit Sprechgesang. Hat man definitiv nicht gebraucht. Ist immer schön, wenn’s vorbei ist. Aber es soll ja auch Leute geben, die letztes Jahr Kroatien mochten… wahrscheinlich ist das Ganze auf der Bühne wieder so absurd, dass es dann doch im Finale landet. Wir möchten das aber eher nicht.

13. Spanien; „Zorra“, Nebulossa (bereits fürs Finale qualifiziert):
2013 stand der älteste Teilnehmende aller Zeiten auf der Bühne. Er war 95. Mery Bas, die Sängerin der spanischen Band Nebulossa, ist zwar erst 56, aber dennoch dieses Jahr die älteste. „Zorra“ bedeutet übersetzt „Schlampe“ – wie frech. Inhaltlich geht es aber um ein wichtiges Thema, nämlich um Emanzipation und Feminismus. Der 80s-Synthie-Pop-Song ist zwar ganz schön billo, aber gleichzeitig auch spaßig und witzig. Das hat man schnell lieb, aber das letzte Drittel im Finale wird’s dann wohl trotzdem werden.

14. Finnland; „No Rules!“, Windows95man (1. Halbfinale):
Die 90er sind back im Business, das haben wir mittlerweile rausgefunden. Aber die zwei Finnen von Windows95man verinnerlichen den Flashback sogar in ihrem Bandnamen. „No Rules!“ erinnert an Music Instructor – na, wer kennt sie noch? Das hat auf jeden Fall was Authentisches und herzerwärmend Nostalgisches. Cooler, netter Song mit der altbekannten Formel: Rap in den Strophen, melodischer Gesang im Chorus. Lieben wir. Hat Potenzial für die Top 10 am Ende.

15. Frankreich; „Mon amour“, Slimane (bereits fürs Finale qualifiziert):
Die ersten 25 Jahre gelang Frankreich ein riesiger Erfolg nach dem nächsten. Doch seitdem warten unsere Nachbar*innen endlich mal wieder auf einen richtigen Treffer. 2021 gelang mit Barbara Pravi und „Voilà“ die erste Platzierung unter den Top 3 nach 30 Jahren – und das könnte Slimane 2024 wiederholen. Ja, „Mon amour“ klingt nach Klischee-Kitsch der ganz schlimmen Sorte, aber die beste männliche Gesangsleistung und die wirklich anspruchsvoll zu singende Herzschmerzballade wird ordentlich abkassieren. Sogar Siegeschancen sind nicht ganz ausgeschlossen.

16. Vereinigtes Königreich; „Dizzy“, Olly Alexander (bereits fürs Finale qualifiziert):
Da brauchte man fast ein Sauerstoffzelt: Olly Alexander, der Sänger von Years & Years und die im Kopf gebliebene Hauptrolle der Serie „It’s A Sin“, geht für UK ins Rennen, denn auch das Vereinige Königreich hat ähnlich wie Deutschland ganze fünfmal seit dem Millennium den letzten Platz und nur zweimal die Top 3 gesehen. Gerade nach dem Überraschungserfolg von Sam Ryder 2022 hat man Blut geleckt, letztes Jahr aber dann doch wieder den Vorletzten gemacht. Doch auch, wenn es weh tut – „Dizzy“ ist eindeutig die größte Enttäuschung der Saison. Olly hat seinen Beitrag über Monate angeteasert und dann so mittelmäßigen Dance-Pop präsentiert, dass das wirklich niemanden begeistern wird. Promi hin oder her.

17. Georgien; „Fire Fighter“, Nuza Busaladse (2. Halbfinale):
Arschwackeln der unangenehmen Sorte. Muss ja auch mindestens einmal dabei sein. Nuza aus Georgien verbindet zwar typische, aber leider auch eher unangenehme Eurovision-Merkmale. Viel Drama, viel Bums, viel Überproduktion, viel Belting, dann noch ein bisschen Ethno, einfach way too much. Aber irgendwas muss ja im Semi ausscheiden.

18. Griechenland; „Zári“, Marina Satti (2. Halbfinale):
Nach mehreren Runden auf Englisch kehrt Griechenland zur Landessprache zurück. „Zári“ ist vor allen Dingen eines: Heftig anstrengend. Das hat zwar schöne traditionelle Teile wie Flöten, die dann aber mit Videogame-Sounds der 80er, Reggaeton und mehreren Beatbrüchen gegen die Wand gefahren werden. Trotzdem wird das einige Fans kriegen, sodass ein Einzug ins Finale nicht safe, aber möglich ist.

19. Kroatien; „Rim Tim Tagi Dim“, Baby Lasagna (1. Halbfinale):
Seit der ersten Teilnahme 1993 wartet Kroatien auf den ersten Sieg. Der größte Erfolg waren zwei 4. Plätze. Doch einige Stimmen behaupten, dass Baby Lasagna dieses Jahr echt gute Chancen hat. Schwierig, wenn man uns fragt. Der Künstler hat eine sehr bekannte, aber spätestens seit letztem Jahr hochkontroverse Rockband aus Berlin als Vorbild, was man eindeutig hört. „Rim Tim Tagi Dim“ hat einen stampfenden Beat, ist dadurch schnell mitreißend. Kennt man jedoch die Vorlage, ist das gesamte Ding auch schnell auserzählt, weil zu viel copy and paste. Obendrein ist die Anlehnung an „Cha Cha Cha“ aus vergangenem Jahr auch recht auffällig, und Trends aus der Vorsaison werden bekanntlich immer strikt abgelehnt. Top 10 wird das Land dennoch machen. Hat Geschmäckle.

20. Irland; „Doomsday Blue“, Bambie Thug (1. Halbfinale):
Auch wenn sich Irland weiterhin mit Schweden den ersten Platz mit den meisten Siegen beim ESC teilt, so ist der letzte große Erfolg wirklich seeehr lang her. Nach viel Schnulli-Pop geht man aber immerhin mit der non-binären Künstler*innenfigur Bambie Thug neue Wege. Richtig bahnbrechend ist das nicht. Irgendwo zwischen Marilyn Manson, Die Antwoord und Billie Eilish gibt es sehr durchgestylten, gnadenlos überdrehten Rock ohne richtige Hook, dafür mit recht hohem Kunstanspruch. Ist in bestimmten Kontexten schon ganz cool, aber beim Eurovision Song Contest – die Betonung liegt in dem Fall auf „Song“ – ein wenig fehl am Platz. Aber wahrscheinlich gibt sich Irland schon damit zufrieden, wenn es seit 2018 das erste Mal wieder ins Finale zieht, und das wird passieren.

21. Israel; „Hurricane“, Eden Golan (2. Halbfinale):
Wir möchten uns an dieser Stelle nicht dazu äußern, ob die Entscheidung der EBU, Israel beim Eurovision 2024 teilnehmen zu lassen, die richtige oder falsche ist. Was aber natürlich nie geht, sind die Morddrohungen, die Eden Golan bereits seit Wochen aushält und deswegen diverse Pre-Partys in Europa, die fast alle anderen Kandidat*innen und Fans willkommen heißen, nicht besucht. Denn mit Sicherheit lohnt es sich schon vorab, ihre zwar nicht super außergewöhnliche, dafür aber dennoch sehr gelungene Power-Pop-Ballade „Hurricane“ live zu hören. Eurovision, wie er leibt und lebt. Große Stimme, große Komposition und Produktion. Top 10 im Finale steht fest.

22. Island; „Scared of Heights“, Hera Björk (1. Halbfinale):
2010 – das war das Jahr, in dem Lena gewonnen hat, ihr Mäuse – belegte die Isländerin Hera Björk mit „Je ne sais quoi“ Platz 19 in Oslo. 2024 probiert sie es mit einem extrem biederen, angestaubten WDR4-Radio-Popper erneut und wird auf gar keinen Fall höher landen. Wahrscheinlicher ist hingegen ein Steckenbleiben im ersten Semi. „Scared of Heights“ ist süß, aber eben auch so von vorgestern.

23. Italien; „La noia“, Angelina Mango (bereits fürs Finale qualifiziert):
„La noia“ ist alles andere als von vorgestern. Stattdessen liefert Italien mit Angelina Mango gewohnt starke Kost und wird den Siegeszug mit sechs Top-6-Beiträgen in Folge (!) fortsetzen. Die erste Solistin seit 2016 bringt eine spritzige Ohrwurmnummer mit, die wie eine sommerliche Salsa klingt, nur eben mit italienischen Vocals. Starke Gesangsskills und eine hoffentlich gute Performance regeln den Rest.

24. Luxemburg; „Fighter“, Tali (1. Halbfinale):
Die größte Sensation: Luxemburg ist nach 30 Jahren Abstinenz zurück. Was ein Wahnsinn. Das Land, das mit französischsprachigen Songs schon fünfmal gewonnen hat – unter anderem mit Vicky Leandros – hat auch schon zweimal auf Luxemburgisch performt, probiert es aber dieses Jahr erstmalig mit einem Englisch-Französisch-Mix, der in dem hookigen „Fighter“ auch echt gut funktioniert. Das ist kein weltverändernder Entry, aber eine sehr sympathische, süße Samba-Nummer, die sich am Samstagabend am Ende der ersten Tabellenhälfte niederlässt.

25. Lettland; „Hollow“, Dons (2. Halbfinale):
Kraftvoller, schwerer Dark-Pop aus Lettland mit viel Energie und Aggression. Der 40-jährige Dons hatte in seiner Heimat bereits einige größere Hits, wird aber mit der ganz schönen Komposition und seinen guten Gesangskills dennoch nicht so viel reißen. Das ist zwar ein Lied, was in einem Film wie „Herr der Ringe“ beim richtigen Einsatz durchaus Gänsehaut machen kann, aber im Eurovision in dem großen Brimborium untergehen wird. Schafft er die Semifinalrunde nicht, was recht wahrscheinlich ist, wäre das für Lettland der siebte (!) Fail in Folge.

26. Litauen; „Luktelk“, Silvester Belt (1. Halbfinale):
Litauen ist immer für eine Überraschung gut. Da ist im Genre eigentlich alles möglich. Nach eher leisen, berührenden Sounds in 2023 wird es 2024 clubbig. „Luktelk“ klingt wie einer dieser typischen Dance-Pop-Sommersongs, von denen man zwar kein Wort versteht, die sich aber durch ihre schnell greifbare Hook sofort einnisten. Das ist schon cool und auch recht besonders, somit ist das Finale sicher, dann aber leider auch eher ein Platz in der zweiten Hälfte.

27. Moldau; „In The Middle“, Natalia Barbu (1. Halbfinale):
Zweimal gab es aus Moldau wirklich spezielle, durchgeknallte Sounds auf Landessprache. „In The Middle“ fällt dahingegen ein wenig zu normal und berechenbar aus. Natalia Barbu hat für ihr Land 2007 den 10. Platz geholt, was dieses Jahr aber auf gar keinen Fall wiederholbar ist. Dem Song fehlt es vor allen Dingen an Höhepunkten, Überraschungen und der Zündung. Bevor das alles kommt, sind die drei Minuten leider schon rum.

28. Malta; „Loop“, Sarah Bonnici (2. Halbfinale):
Es gibt einfach zu viele dieser typischen Sommer-Bumsnummern. Wirklich locker drei zu viele. Die schlechteste ist „Loop“ aus Malta. Das ist so uninteressant, so berechenbar und unkreativ, dass bei der echt starken Konkurrenz hier im 2. Halbfinale wirklich zu 100 Prozent Sense ist. Macht aber auch nix. Wo sind die Chiaras und Destinys, wenn man sie braucht?

29. Niederlande; „Europapa“, Joost Klein (2. Halbfinale):
Mit „Friesenjung“ schaffte Ski Aggu 2023 bei uns Platz 12 in den Jahrescharts. Einer der Feature: Joost Klein aus der Niederlande. Der sehr markante, eigenwillige Sänger, Rapper und YouTuber aus der Region Friesland – mindblow an dieser Stelle – ist in seiner Heimat längst ein Star und hat mit seinem ESC-Song „Europapa“ einen Nummer-1-Hit gelandet. Der sehr moderne, schnelle Dance-Pop-Ohrwurm mit Hardstyle-Break (!) setzt sich inhaltlich mit der EU und ihren Vor- wie Nachteilen auseinander. Das Package insgesamt wird definitiv ziehen und mindestens in die Top 10, womöglich gar Top 5 gehen.

30. Norwegen; „Ulveham“, Gåte (2. Halbfinale):
Blanker Terror aus Norwegen. Dabei können die das doch sonst eigentlich echt gut. Gåte und ihr Song „Ulveham“ ist nach 18 Jahren das erste Lied auf Norwegisch, das ist top. Aber diese wirklich unglaublich schreckliche WithinTemptation-Kopie, bei der man um jeden Ton bangen muss, weil sie gern völlig daneben gehen, ist unangenehm, nervenstrapazierend und eines der drei absoluten Horrorsongs dieser Ausgabe.

31. Polen; „The Tower“, Luna (1. Halbfinale):
Auch nach dem letzten Versuch probiert es Polen mit Trash-Pop. Luna liefert mit „The Tower“ einen wirklich enorm billigen, aber dadurch natürlich auch in Sekunden verständlichen Dance-Pop-Track, den man geheimhin als Guilty Pleasure bezeichnet. Aber eigentlich plädieren wir dahingehend, den Begriff aus dem Wortschatz zu streichen und sagen eher: „Wer’s mag, go for it!“. Die meisten werden es aber wahrscheinlich eher belächeln. Eine Karte fürs Finale wäre aber in Ordnung.

32. Portugal; „Grito“, Iolanda (1. Halbfinale):
Schmaler Grat für Portugal: Ist es dieses Mal unglaublich langweilig oder spannend, interessant beziehungsweise berührend? „Grito“, Portugiesisch für „Schrei“, ist ein ganz leiser Song mit Gitarrenuntermalung und eine richtig hübsche Ballade im 3er-Takt. Das ist schlicht und ergreifend schön, ohne jeglichen Heckmeck, dadurch kein großer Erfolgsgarant, aber hoffentlich ein emotionaler Moment im Finale.

33. Serbien; „Ramonda“, Teya Dora (1. Halbfinale):
Ein wenig Bio-Unterricht: „Ramonda“ ist auf Deutsch die Nathalia-Felsenteller, eine Blume, und in Serbien, Mazedonien sowie Nordgriechenland eine häufig vorkommende Pflanze, die auf einer Höhe von mindestens 700 Metern wächst. Das ist alles schon wesentlich spannender als der Song selbst. Teya Dora hat eine solide, introvertierte Ballade am Start, die aber sehr wenig bietet. Ein Großteil der Balladen ist im 1. Semi, sodass die Konkurrenz in dem Genre dann doch zu groß ist und Serbien wahrscheinlich diese Runde eher nach Hause fährt als sonst.

34. Schweden; „Unforgettable“, Marcus & Martinus (bereits fürs Finale qualifiziert):
Schweden ist seit 2023 mit Irland zusammen Rekordhalter. Beide Länder haben sieben Mal den Pokal geholt, beide Länder haben mit Loreen bzw. Johnny Logan eine*n Gewinner*in, die*der es zweimal geschafft hat. Würden die beiden norwegischen Brüder Marcus & Martinus mit ihrem Mega-Banger „Unforgettable“ nicht dieses Jahr, sondern nächstes oder übernächstes antreten, hätte das wieder Gewinnchancen. Totales Brett, das einfach auf sehr modernem Wege ballert und dazu auch optisch mit der synchronen Choreo hypnotisiert. Aber weil die skandinavischen Alleskönner*innen erst letztes Jahr wieder abgeräumt haben, wird es 2024 wohl nur eine Top-10-Platzierung. Geiler Track, echt!

35. Slowenien; „Veronika“, Raiven (1. Halbfinale):
Auch Slowenien ist jetzt nicht unbedingt die Nation, die sich beim Eurovision mit Ruhm bekleckert. Mit „Veronika“ möchte Sängerin Raiven ganz viel, aber kommt über das Prädikat „Schön verpackte Langeweile“ nicht hinaus. Ist nicht per se unhörbar, aber ist einer der Beiträge, die es einfach jedes Jahr exakt so gibt: Power-Ballade mit eher aggressiven Vocals ohne Sympathie. Kennt eigentlich jemand von euch noch den Horrorfilm „Verónica“ auf Netflix, der 2017 für Furore sorgte? Wow, war der schlecht… wir schweifen ab, ihr merkt schon…

36. San Marino; „11:11“, Megara (2. Halbfinale):
Nennen wir es so: San Marino gibt nicht auf. Die Nation, die es noch nie über Platz 19 im Finale hinausgeschafft hat, macht immer weiter und weiter. Das ist schön. Hat man aber wirklich ständig dieselbe ätzende Grütze in der Hinterhand – nerviger Proll-Rock mit hohem Tempo, eben so wie 2022 und 2023 – möchte man einfach nur, dass das, was man sieht, ganz schnell aufhört. Das ist im 2. Semi sehr wahrscheinlich der letzte Platz und somit ein klares Arrivederci.

37. Ukraine; „Teresa & Maria“, Alyona Alyona & Jerry Heil (1. Halbfinale):
Das einzige Land, das noch nie im Halbfinale stecken geblieben ist – und das liegt keinesfalls an bloßer Sympathie. Die Ukraine hat wirklich nahezu immer mindestens gute, meist aber eher sehr gute Beiträge. Bei „Teresa & Maria“ möchten wir soweit gehen zu sagen, dass das wahrscheinlich das stärkste Lied ist, was das immer noch von Krieg dominierte Land jemals in den Wettbewerb schickte. Alyona Alyona rappt wie eine Queen ohne Luft zu holen durch ihre Strophe, Jerry Heil sorgt für authentische, fast schon klagegesangähnliche Melodiebögen – dazu ist das hervorragend und modern produziert, spannend gestaltet und trotz Sprachbarriere richtig berührend. Gewann man 2016 mit einer politischen Message, 2022 mit einem europäischen Gedanken, gewinnt man 2024 womöglich ganz klar mit dem Song. Unser Favorit im 1. Halbfinale.

Fazit & Prognose

Es wird sehr, sehr entertaining! Der ESC 2024 setzt recht wenig auf Songs, die man einfach so nebenbei konsumiert – Stichwort: Radiotauglichkeit – sondern versteht sich als Unterhaltungsmedium, bei dem die Bildebene absolut nötig ist. Viel Bewährtes mit bouncigen Rhythmen, aber auch Trendsounds aus dem zurückgekommenen 90s-Jahrzehnt kann man in Massen wiederfinden. Erneut ist ein klarer Favorit nicht erkennbar. Haben die Buchmacher*innen mit der Schweiz oder Israel Recht, gewinnt erneut Italien, vielleicht sogar Schweden, kehrt der Wettbewerb 2025 nach Frankreich zurück? Es wird spannend.

Unsere Prognose für die Gewinner*innen des 1. Halbfinales: Aserbaidschan, Zypern, Finnland, Kroatien, Irland, Litauen, Luxemburg, Polen, Portugal, Ukraine

Unsere Prognose für die Gewinner*innen des 2. Halbfinales: Armenien, Österreich, Belgien, Schweiz, Tschechien, Dänemark, Griechenland, Israel, Niederlande, Norwegen

Hier nochmal der Siegertitel aus 2023:

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Die Rechte fürs Cover liegen bei EBU/Eurovision Song Contest.

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