Eine antike Uhr. Säulenstümpfe aus dem alten Griechenland. Ein goldener Kelch aus dem römischen Reich. Ein überdimensionaler Wimpel mit Siegelwappen. Im Hintergrund eine träumerische Nachtwelt. Davor Menschen in rüschigen Gewändern. In adrett sitzendem Anzug. Lederstiefeln. Ein wilde Mixtur unterschiedlicher Epochen. Vereint in der Persona fünfer Musiker*innen: The Last Dinner Party, ebenjene Indie-Durchstarter. Musikalisch ebenso ein Ritt durch die Zeit. Etwas Pop der 1980er, Rock der 1990er, viel Indie und dazu eine gute Prise barocken Flair.
Wir sind nicht in der Vergangenheit. Nicht im alten Rom, Griechenland oder den 1990ern. Wir sind im Kölner E-Werk. Im November 2024. Ebenjene aufstrebende Band hat geladen. 2000 Fans – viele in Kleidern, Schleifen, Rüschen, Korsagen – sind gekommen. Würde der Raum es zulassen, wären es wohl weitaus mehr. Im vergangenen Jahr haben die Brit*innen mit ihrem hochgepriesenem Debüt “Prelude To Ecstasy” einen zeitreisengleichen Aufstieg hinter sich gelegt: Vom Hozier-Support über das Luxor hinein in das E-Werk. Das Konzert, das die Band heute darbietet, gibt der Entwicklung ohne Zweifel zuzulassen recht.
Es sind magische 70 Minuten. Sie werden zunächst vom orchestralen Pomp des Albumeinspielers eingeläutet. Es folgt der Gang an das Instrumentarium. Und zuallerletzt die Anführerin des Prinzess*innen-Haufens, Abigail Morris. Mal einer Ballerina, mal einem Tornado gleich schwebt diese von nun an über die Bühne, dirigiert mit Charme ihre Kamerad*innen und die Gefolgschaft. Sie vermag außerdem Momenten einen einzigartigen Charakter zu verleihen, auch wenn diese sich wohlmöglich so ähnlich bereits zutrugen. Einmal etwa wird sie gebeten eine Tattoo-Skizze anzufertigen. Dem Wunsch wird nachgekommen, auch wenn kurz hochsympathisches kollektives Chaos darüber ausbricht, welche Begleitmusik die Band zur Überbrückung spielen könne. Schlussendlich bleibt es still. Ein andermal – Morris hat zuvor darauf hingewiesen, dass das folgende “On Your Side” vor einem Jahr erschienen war – strecken sich analog zum Luxor-Konzert im Frühjahr hunderte Papierherzchen in die Lüfte. Morris kann das Schluchzen erneut nur knapp zurückhalten.
Herausragend ist ebenfalls die musikalische Darbietung. Gerade in den ruhigen Momenten kommt deren Klasse zu Geltung. Etwa wenn Morris und Kumpan*innen ihre Stimmen in Stücken wie “Beautiful Boy” oder “Mirror” harmonisch übereinander schichten. Aber auch die eklektischeren Momente zeugen von einer dicht zusammengerückten Band. So schwirren Kleider und Haare vor allem bei den noch heimatlosen und unveröffentlichten “Second Best” und “Big Dog” umher.
Ihren womöglich nächsten großen Indie-Hit hat die Band außerdem bereits im Gepäck. “The Killer” nennt sich dieser schelmisch-eingängige, ebenfalls noch nicht erschienene Country-Verschlag, der mitsamt kleiner Choreographie die Zugabe einläutet. Ihm schließt sich der bislang größte Erfolg der Band an: “Nothing Matters”, eine warme Reminiszenz an ABBA, bringt die letzte Ekstase. So möge diese Band niemals ihren barocken Glanz verlieren.
Mehr The Last Dinner Party (etwa eine Review zum Debüt) gibt es hier.*
Und so hört sich das an:
Foto von Jonas Horn.
* Affiliate-Link: Du unterstützt minutenmusik über deinen Einkauf. Der Artikel wird für dich dadurch nicht teurer.